Wohlfahrtsverbände
Asyl- und Migrationspakt – Abschottung ist keine Lösung
Mehrere Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände haben den aktuell von der EU-Kommission vorgelegten Asyl- und Migrationspakt kritisiert. Generell liege der Fokus auf Abschreckung und Abschottung statt auf einer geteilten Verantwortung, hieß es aus Kreisen der Hilfsorganisationen.
30.09.2020
So befürchtet die Diakonie Deutschland, dass der Asyl-und Migrationspakt nicht zu einem echten Durchbruch in der Flüchtlingspolitik führen wird. Zu uneinig seien die EU-Mitgliedstaaten. Wie gespalten die EU über eine europaweite Einigung ist, zeige die aktuelle Situation in Griechenland. Während Deutschland mit der Aufnahme von weiteren 1.553 Geflüchteten nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos einen Schritt vorangegangen ist, seien die anderen Mitgliedstaaten wenig bereit, ebenfalls Initiative zu ergreifen.
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland sagte: „Wir fordern die Kommission dringend auf, keine Abstriche auf Kosten der Geflüchteten und ihrer Rechte zu machen, nur um in dieser zerstrittenen Situation einen schlechten Kompromiss zu erzielen. Flucht ist Folge von Krieg, fehlender Rechtsstaatlichkeit, Unterdrückung und Verfolgung. Geflüchtete Menschen schutzlos zu lassen oder sie in vermeintlich sichere Drittstaaten zurückzuschicken, ist ein geopolitscher Irrweg, unsolidarisch und widerspricht dem Bekenntnis zu Flüchtlingsschutz in der Grundrechtecharta der EU und der Genfer Flüchtlingskonvention. Angesichts der Tatsache, dass viel ärmere Staaten in den Krisenregionen dieser Erde ein Vielfaches an Geflüchteten aufnehmen, ist die aktuelle EU-Flüchtlingspolitik beschämend. Was wir brauchen, ist neben einer starken, friedenspolitisch orientierten Außenpolitik ein gemeinsames Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen in Europa – für solche, die an unseren Grenzen stranden und aus den Flüchtlingslagern dieser Welt kommen."
Das Dublin-Prinzip ist untauglich
„Der Entwurf der EU-Kommission für ein neues Asyl- und Migrationssystem ist nicht der große Wurf, den wir dringend brauchen. Statt Solidarität und geteilte Verantwortung liegt der Fokus ganz klar auf Abwehr und Abschottung“, kommentierte Caritas-Präsident Peter Neher den in Brüssel veröffentlichten Vorschlag. „Solidarität darf nicht dazu verkommen, dass sich Staaten bei Abschiebungen helfen. Solidarität muss zuvorderst heißen: Schutzsuchenden gemeinsam ein faires Verfahren gewähren, Schutzbedürftigen Schutz geben.“
Weiter sagte Neher: „Es heißt zwar nicht mehr so, aber der Entwurf hält an dem fatalen Dublin-Prinzip fest, nach dem die Länder, in denen Menschen auf der Flucht einreisen, die Verantwortung tragen. Dieses Prinzip hat sich aber in den vergangenen Jahren als untauglich erwiesen. Es erzeugt einen nicht zu bewältigenden Druck auf die Länder an den Grenzen der EU und sorgt für unhaltbare Zustände für die geflüchteten Menschen. Es muss endlich menschenwürdige Bedingungen an den EU-Außengrenzen geben, in Lesbos oder sonst wo – das müsste spätestens nach dem Brand in Moria klar sein.“
Begrüßenswert: besonderer Schutz für Kinder
Nach Einschätzung des Deutschen Caritasverbandes enthalte das Paket aber auch durchaus ausbaufähige Vorschläge – beispielsweise die Trennung zwischen einem „normalen Modus“ und einem „Krisenmodus“, bei dem andere Regeln gelten und alle EU-Mitgliedsstaaten sich solidarisch zeigen müssen. Ermutigend sei auch die Tatsache, dass besonders Schutzbedürftige wie Kinder aus dem Grenzverfahren ausgenommen werden sollen. „Kinder haben ein Recht auf besonderen Schutz und die Vorschläge aus Brüssel scheinen dies anzuerkennen“, stellte Neher fest.
Mit Blick auf die von der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson angekündigten Pläne für neue Flüchtlingslager kommentierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes: „Wir brauchen keine neuen Lager, sondern eine Asylpolitik, die die Rechte der Schutzsuchenden achtet. Es ist erschütternd, dass die europäische Asylpolitik zunehmend auf Abschottung und Abschreckung schutzsuchender Menschen setzt.”
Legale Zugangswege für geflüchtete Menschen
Nach Auffassung des Paritätischen Gesamtverbandes hat der Brand in dem griechischen Flüchtlingslager Moria noch einmal deutlich gemacht, dass große Lager an den EU-Außengrenzen nicht geeignet sind, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen.
Der Paritätische kritisierte scharf, dass Asylanträge bereits an der EU-Grenze geprüft werden sollen, um Menschen schneller abschieben zu können. Eine faire und rechtsstaatliche Einzelfallprüfung sei so nicht möglich. Es sei zu befürchten, dass die Pläne der EU-Kommission faktisch auf eine Inhaftierung aller nach Europa einreisenden schutzsuchenden Menschen – einschließlich Familien und Kinder – hinauslaufe.
Deswegen forderte der Paritätische Gesamtverband legale Zugangswege für geflüchtete Menschen nach Europa und eine europäische Seenotrettung, die das Sterben auf dem Mittelmeer endlich beendet. Der Paritätische forderte zudem eine Asyl- und Migrationspolitik, die die Menschenrechte der Schutzsuchenden achtet. Konkret müsse die sogenannten Dublin-III-Verordnung so reformiert werden, dass Verantwortung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten fair verteilt werde und die Rechte und Interessen der Schutzsuchenden gewahrt würden, damit eine bessere Integration im Aufnahmestaat gelingen könne.
Quellen: Diakonie Deutschland, Caritas Deutschland, Paritätischer Gesamtverband; jeweils vom 23.09.2020
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