EU-Jugendstrategie

Verzweckung oder Chance: Kritischer Blick des Beirats zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie auf aktuelle Entwicklungen

Der Beirat des Bundes zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland trat unter dem Vorsitz des Unterabteilungsleiters der Abteilung 5.0 im BMFSFJ, Thomas Thomer, am 16.10.2012 in Berlin zu seiner fünften Sitzung zusammen.

25.10.2012

Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Vorstellung der Expertise des Deutschen Jugendinstituts (DJI) "Non-formale und informelle Lernprozesse in der Kinder- und Jugendarbeit und ihre Nachweise" und die „Empfehlung des Rates zur Validierung der Ergebnisse nichtformalen und informellen Lernens“ vom 05.09.2012. Weitere Themen waren die Ergebnisse des zweiten europäischen Jugendberichts der Europäischen Kommission und der Vorschlag für die jugendpolitischen Schwerpunkte der EU für den Zeitraum 2013 bis 2015.

Angesichts der vielen nationalen und europäischen Herausforderungen an junge Menschen war ein zentrales Thema die Frage nach der Eigenständigkeit von Jugendpolitik und Jugendhilfe.

Dabei sieht sich die Jugendpolitik aktuell mit vielfältigen Rollen- und Aufgabenzuweisungen konfrontiert:

  • Jugendarbeit als integraler Bestandteil von lokalen Bildungslandschaften,
  • die Indienstnahme von Jugendhilfe für die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt,
  • der von "Europa" geforderte Beitrag der Jugendarbeit zur Bewältigung der Krise.

Einige jugendpolitische Experten sehen hier eine zunehmende "Verzweckung von Jugendhilfe", die den ursprünglichen subjektorientierten Ansatz einer modernen Jugendhilfe nach dem SGB VIII in Frage stellt. In diesen Zusammenhang wurden auch aktuelle Empfehlungen des Rates und die Vorschläge des 2. EU-Jugendberichts gestellt, die ausdrücklich auf Notwendigkeit zur Bewältigung der Europäischen Krise abheben und einen starken Arbeitsmarktbezug aufweisen.

Im Beirat wurde kritisch auf Bestrebungen eingegangen, ein breit angelegtes Anerkennungssystem für die in der Jugendarbeit erworbenen nicht formalen und informellen Lernergebnisse zu entwickeln, das den erwähntenn Ansprüchen gerecht zu werden versucht. Dieses System würde zentrale jugendpolitische Merkmale wie Freiwilligkeit und Subjektorientierung in Frage stellen und das Feld der Jugendarbeit grundsätzlich verändern.

Demgegenüber wurden verschiedene Alternativen vorgeschlagen, ohne dass es zu einer abschließenden Meinungsbildung im Beirat kam:

  • Unterschiedliche Lösungen für Prozesse in der Jugendarbeit (§11) mit ihrem hohen Maß an Freiwilligkeit und Subjektorientierung und Jugendsozialarbeit (§13), in der ein direkter Berufs- und Arbeitsmarktbezug besteht.
  • Identifizierung von lediglich bestimmten Bereichen oder Prozessen des nicht formalen und informellen Lernens in der Jugendarbeit, für die eine Validierung von erworbenen Kompetenzen exemplarisch durchgeführt werden kann, während andere Bereiche ausdrücklich nicht einbezogen werden.

Die Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie wird an diesem Punkt im November ihre Entscheidungsfindung vorantreiben. Für die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik solle die Expertise und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen des DJI genutzt werden, um über eine grundsätzliche (Neu-) Positionierung von Jugendarbeit zu diskutieren. Der Spannungsbogen reicht dabei von den bewährten Standards der Jugendhilfe (Subjektorientierung, Freiwilligkeit) einerseits bis hin zu den Anforderungen an eine Jugendarbeit als integrierter Teil von kommunalen Bildungslandschaften andererseits.

Der Beirat wies auf einen weiteren Prozess hin, der das Feld der Jugendarbeit bereits nachhaltig verändert und der in der ganzen Debatte bisher noch keinen großem Niederschlag findet: Mit der flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule und der Verkürzung der Schulzeit verändert sich die Zeitstruktur junger Menschen grundsätzlich, indem sie eine viel größeren Teil des Tages als bisher im schulischen Kontext verbringen und die Räume für Jugendarbeit im bisherigen Sinne immer kleiner werden. Dieses hat eine massive Veränderung des Freizeitverhaltens zur Folge, auf die die Träger der Jugendarbeit erst noch eine Antwort finden müssen.

Quelle: JUGEND für Europa - Servicestelle zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland

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