EU-Jugendstrategie

Parlamentarischer Staatssekretär Kues: Faire Chancen auf Bildung und Beschäftigung eröffnen

Das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe sprach mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Hermann Kues über die EU-Jugendstrategie und den Fortbestand des Aktionsprogramms JUGEND.

31.05.2011

Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe: Herr Parlamentarischer Staatssekretär, der Rat der Europäischen Union hat am 19./20. Mai 2011 dem Auftrag des Vertrages von Lissabon, junge Menschen am demokratischen Leben in Europa zu beteiligen, neuen Schwung gegeben. Welche Auswirkungen hat das für die Jugendpolitik in der EU?

Dr. Kues: Jugendbeteiligung ist eines der beiden Ziele der Jugendstrategie, die wir in der EU bis 2018 verfolgen. Wir wollen jungen Menschen faire Chancen auf Bildung und Beschäftigung eröffnen. Außerdem möchten wir ihre gesellschaftliche Beteiligung fördern. Letzteres haben wir bei der letzten Ratstagung konkretisiert. Dabei ging es einerseits um  die Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen als auch um die Herausforderung, Beteiligung dort zu ermöglichen, wo Lebensräume gestaltet werden. Wir haben unter anderem vereinbart, neue Formen der Partizipation – zum Beispiel e-Partizipation – zu erproben und Erkenntnisse darüber auszutauschen.

Die EU-Jugendministerinnen und -minister halten die Stärkung der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung junger Menschen für dringend notwendig, um die Demokratien in Europa lebendiger und widerstandsfähiger zu machen. Meines Erachtens schaffen wir erst damit die Voraussetzung für eine maßgebende und wertorientierte Rolle der EU in der Welt. Denn wirtschaftliches Wachstum in Europa kann nur zusammen mit der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes und der Sicherung von Demokratie erfolgreich sein. Aus der Geschichte lernen wir, dass gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen auf die Entwicklung von verantwortlichen, gemeinschaftsfähigen und dialogbereiten Persönlichkeiten Wert gelegt werden muss. Das haben die 27 EU-Jugendministerinnen und -minister bekräftigt. Durch eigenes Erleben und Erproben sollen Jugendliche Beteiligung und Mitgestaltung in Europa lernen.


Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe: Verfügt die Europäische Union denn über die dafür erforderlichen Instrumente?

Dr. Kues: Jugendbeteiligung national, regional und auch lokal zu ermöglichen und zu fördern liegt ganz maßgeblich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten selbst. Die EU hat lediglich eine unterstützende Funktion. Mit der Beschlussfassung zur EU-Jugendstrategie im Jahr 2009 haben wir allerdings begonnen den „Strukturierten Dialog zwischen Jugend und Politik“ zu einem einmaligen gemeinschaftlichen Instrument der partizipativen Politikgestaltung zu entwickeln. Es ist der Versuch, den rund 100 Millionen jungen Menschen in Europa Mitsprache, bei für sie relevanten europäischen Entscheidungsprozessen, zu ermöglichen. Das ist kein leichtes Unterfangen und wir stehen auch noch ziemlich am Anfang. Insbesondere was die Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen und die sinnvolle Verknüpfung mit bestehenden Beteiligungsverfahren angeht, muss noch viel geschehen.

Aus meiner Sicht ist aber kein anderes Politikfeld als die Jugendpolitik dafür prädestiniert auf gesellschaftlichem Dialog basierende Politikstrategien zu erproben und umzusetzen. Sehr viele Jugendliche sind interessiert und motiviert. Sie möchten ihren Lebensraum mitgestalten und entwickeln hervorragende Ideen. Sie entfalten eine große Euphorie für Europa und die Welt. Ihre Lebensverläufe machen an Staatsgrenzen schon lange keinen Halt mehr. Das ist ein riesiges Potential dafür, dass Europa als Wirtschaftsraum und Wertegemeinschaft zukunftsfähig bleibt. Wir, die politisch Verantwortlichen in Deutschland und in Europa, dürfen das nicht aus den Augen verlieren. Es ist unser Auftrag den nachwachsenden Generationen in diesem Sinne Gestaltungs- und Wirkungsräume zu eröffnen. Wir müssen ihnen Zeit und Möglichkeiten geben, sich für ein künftiges Europa zu engagieren – und zwar möglichst allen jungen Menschen.

Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe: Welche Rolle spielt dabei ein EU-Jugendprogramm?

Das EU-Jugendprogramm fördert schon seit über 20 Jahren europäische Jugendbegegnungen und inzwischen auch den Europäischen Freiwilligendienst, Jugendinitiativen und Demokratieprojekte. Es ist das entscheidende Standbein für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa. Das Programm  erreicht sehr viele junge Menschen – und zwar nicht nur jene mit höheren Bildungsabschlüssen. Es verbindet das Erleben von Europa mit nicht-formalen Lernerfahrungen außerhalb von Schule und Ausbildung und realen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Zwischenevaluierung des aktuellen Programms JUGEND IN AKTION macht es ganz deutlich: Projektteilnehmende sehen sich als Mitwirkende an der europäischen Idee.

Seit 2007 hat JUGEND IN AKTION rund 300.000 junge Menschen europaweit bewegt und rund 100.000 Fachkräften die Teilnahme an Fortbildungen ermöglicht. Das sind beachtliche Zahlen, angesichts des vergleichsweise geringen Budgets. Insgesamt stehen 400 Mio. Euro für drei Programmjahre und 31 Programmländer zur Verfügung.

Viele Jugendliche sagen uns, dass sie durch ihre Teilnahme an einer Jugendbegegnung erstmalig das Interesse entwickelt haben, auch andere Etappen ihrer Bildungsbiographie  im europäischen Ausland zu absolvieren. Das könnte zum Beispiel ein Praktikum oder ein Freiwilligendienst sein. Mich erreichten persönliche Berichte, wie erst nach der Teilnahme an einem europäischen Freiwilligenprojekt die Rückkehr in die Regelschule gelang. Jemand anderes erzählte,  wie die Realisierung der eigenen (Geschäfts-) Idee im Rahmen einer Jugendinitiative zum beruflichen Erfolg führte. Es sind unzählige große und kleine Erfolge, die das EU-Jugendprogramm erzielt. Ganz besonders bemerkenswert finde ich dabei, dass wir Jugendliche erreichen, die über kein anderes Mobilitätsprogramm erreicht werden. Ich bin froh, dass wir Jugendprojekte unterstützen können, die in kein anderes europäisches Förderprogramm passen. Aus meiner Sicht ist es ganz eindeutig: JUGEND IN AKTION ist ein europäischer Erfolgsschlager! Auch erfolgreiche Programme kann man möglicherweise an der einen oder anderen Stelle besser machen. Darüber sollten wir in den nächsten Wochen und Monaten sprechen. Wir sollten das EU-Jugendprogramm aber unter keinen Umständen abschaffen. Darum setzt sich die Bundesregierung im Konsens mit den 16 Bundesländern und den zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland in der europäischen Debatte für ein sichtbares und eigenständiges EU-Jugendprogramm ab 2014 ein.

Back to Top