EU-Jugendstrategie

Das „Portal im Portal“: Interview zur Rolle des Jugendhilfeportals im Zuge der Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland

Als "Portal im Portal" soll die neue Jugendhilfeportal-Rubrik die Umsetzung der EU-Jugendstrategie öffentlichkeitswirksam begleiten.

Dr. Herbert Wiedermann, Leitung der Abteilung „Überregionale Förderung und Beratung, Landesjugendamt“ in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg stand für das Fachkräfteportal im Vorfeld des Relaunchs beim 14. DJHT für ein Interview zur Verfügung. Das Interview führte Ulrike Wisser von der Servicestelle zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie bei BBJ.

31.05.2011

Dr. Herbert Wiedermann
Dr. Herbert Wiedermann leitet die Abteilung „Überregionale Förderung und Beratung, Landesjugendamt“ in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg. Er ist Mitglied der Lenkungsgruppe Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe.

Ulrike Wisser: Herr Dr. Wiedermann, das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe (FKP) hat mit seinem Relaunch ein neues Portal für Informationen zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie eingerichtet. Damit soll für den gemeinsamen Umsetzungsprozess von Bund und Ländern eine größere Öffentlichkeit bei den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe und darüber hinaus geschaffen werden. Als Mitglied der Lenkungsgruppe des FKP und der Bund-Länder AG zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie können Sie die Nutzung des neuen Informationsportals entscheidend mitgestalten. Wo liegen Ihrer Auffassung nach die besonderen Möglichkeiten des FKP bei der Vermittlung der EU-Jugendstrategie?

Dr. Herbert Wiedermann: Europäische Erfahrungen in der Jugendpolitik und Jugendhilfepraxis müssen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe in Deutschland für die Fach- und Führungskräfte vor Ort adäquat aufbereitet und zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Der Nutzen der EU-Jugendstrategie für die Jugendhilfe in den Städten und Landkreisen muss aktiv und fühlbar kommuniziert werden. Ein altes Sprichwort sagt, tue Gutes und sprich darüber. Das FKP hat die Aufgabe, diesen anspruchsvollen Kommunikationsprozess proaktiv zu unterstützen. Das FKP muss dazu beitragen, dass lokale Politikgestalter und die sozialpädagogischen Fach- und Führungskräfte ein Interesse an der EU-Jugendstrategie und den örtlichen Umsetzungsergebnissen haben. Wer sich hier versteckt wird doch nie entdeckt.

Ulrike Wisser: Um der EU-Jugendstrategie in Deutschland eine fachpolitische Relevanz zu geben, muss sie bei den Fachkräften vor Ort ankommen. Aber was haben Fachkräfte konkret von Europa und wie können Sie sich an der Umsetzung der EU-Jugendstrategie – beispielhaft in Hamburg - beteiligen?

Dr. Herbert Wiedermann: Die Fach- und Führungskräfte sollten den europäischen Impuls zur Weiterentwicklung der Jugendpolitik und Jugendarbeit vor Ort nutzen. Ausgehend vom Grundsatz „Think global – act local“ ist meine These: Lokale Jugend(hilfe)politik ist ohne den Erfahrungsaustausch mit anderen europäischen Ländern nicht mehr dauerhaft erfolgreich organisierbar. Im Dialog mit den Fachkräften der Kinder und Jugendhilfe in Europa entstehen notwendige und wertvolle Anregungen und Impulse zur Weiterentwicklung der eigenen Jugendhilfepraxis. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. In vielen Ländern Europas sind die Zusammenarbeit und das Verhältnis von Schule und Jugendarbeit in Bewegung gekommen. Beide Institutionen fragen: Wie können wir jungen Menschen helfen, die die Schule, aber auch den Übergang in Ausbildung und Beruf nicht alleine bewältigen können? Tausende junger Menschen verlassen die Schulen ohne Abschluss und „verdunsten“ am Übergang in Ausbildung und Beruf. Welche individualisierten Pfade und Lernmöglichkeiten (Workshops, Beratungs- und Trainingsangebote) sind notwendig, um diesen jungen Menschen zu helfen? Keine bestehende Institution kennt hier den Königsweg. Multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule ist zwingend. In vielen europäischen Ländern liegen empirisch gesicherte Erfahrungen guter Praxis vor, die auch unseren jugendpolitischen Horizont erweitern.

Die guten Erfahrungen in Jugendpolitik und -praxis in Europa zeigen, wohin sich auch unsere Jugendpolitik vor Ort entwickeln sollte. Jugendarbeit fördert die Fähigkeiten und Potenziale von Kindern und Jugendlichen und baut dadurch Benachteiligungen und soziale Ungleichheiten ab. In unseren Städten und Landkreisen benötigen wir daher klare politische Entscheidungen zur Legitimation der Jugendarbeit. Dazu gehört die berechenbare finanzielle Unterstützung der Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe. Es ist kein Geheimnis, dass der Stand der Jugendarbeit zwischen den Städten stark unterschiedlich ausgeprägt ist. Zur lokalen Weiterentwicklung der Jugendhilfe bedürfen die Akteure im Sozialraum zudem einer Koordination, klarer Rollen und Verantwortlichkeiten.

Europa ist ein Geben und Nehmen: die deutschen Fach- und Führungskräfte können mit ihren Erfahrungen in Theorie und Praxis den europäischen Wissenspool der Jugendhilfe enorm erweitern.

Konzentration auf Themenschwerpunkte, Wirkung und Messbarkeit und mehr Sichtbarkeit sind die Hauptpunkte der europäischen Reformdiskussion um die Jugendarbeit, die es aktuell lokal anzuwenden gilt. Mit der Konzentration auf thematische Schwerpunkte hat die Bund-Länder AG den ersten wichtigen Schritt bereits getan. Es bleibt aber noch viel zu tun!

In Hamburg haben wird den themenbezogenen Fachkräfteaustausch mit unseren europäischen Partnern deutlich gestärkt. Mit unserer Tour durch die sieben Hamburger Bezirke wollen wir die örtlichen öffentlichen und freien Träger für das Thema begeistern und die Vernetzung der Fachkräfte vorantreiben.

Ulrike Wisser: Hamburg hat im letzten Jahr gemeinsam mit Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern junge Menschen eingeladen, die neue EU-Jugendstrategie zu diskutieren. Warum ist für Sie die Beteiligung der jungen Menschen so wichtig und was waren die wichtigsten Erkenntnisse für Jugendpolitiker und Fachkräfte?

Dr. Herbert Wiedermann: Für uns steht im Mittelpunkt, Europa für Jugendliche erfahrbar zu machen. Erfahrbar wird Europa für sie nur, wenn sie wirklich mitbestimmen. Wir müssen Jugendliche stärker einbinden in reale politische Prozesse. Hier können wir von Partizipationsprozessen junger Menschen in Ländern wie Großbritannien oder Finnland noch viel lernen. Zugleich ist unsere Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit ein fantastisches Lernfeld, in dem frühzeitig und unmittelbar die wertvollen Spielregeln der Demokratie erfahren werden können. Zur Finanzierung der Beteiligungsprozesse ist die Programmlinie 5.1 von „Jugend in Aktion“ unverzichtbar.

Die Jugendkonferenz „take five for europe“ der vier norddeutschen Bundesländer und einiger Landesjugendringe erteilte jungen Menschen auf unterschiedlichste Weise das Wort für Europa. 70 engagierte Jugendliche trafen sich im Hamburger Kulturpalast mit Politikern und Entscheidungsträgern, um ihre Vorstellungen und Wünsche für Europa deutlich machen. In Workshops haben die jungen Menschen ihre Vorstellungen und Forderungen entwickelt und in den politischen Meinungsbildungsprozess eingebracht und im World Café präsentiert.
Im Mittelpunkt standen dabei die Themen „Jugend und Beschäftigung“, “ soziale Inklusion“ und „politische Partizipation.“ Die Jugendlichen verdeutlichten zudem den Politikerinnen und den Politikern mit unterschiedlichsten kreativen Mitteln ihre Vorstellungen zu Europa.

Ulrike Wisser: Die EU-Jugendstrategie lebt von der Beteiligung der Fachkräfte und der jungen Menschen. Wie können sie im weiteren Umsetzungsprozess noch stärker eingebunden werden und ihrerseits Einfluss auf seine Ausrichtung nehmen?

Dr. Herbert Wiedermann: Wir müssen insbesondere die Fachkräfte der offenen Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit in den Kommunen stärker in den Prozess einbinden und fortbilden. Es ist daher kein Zufall, dass der Jugendkonferenz „Take five for europe“, eine Konferenz für Fachkräfte im November 2011 in Mecklenburg - Vorpommern folgen wird. Nur so kann die europäische Jugendpolitik insgesamt für die Weiterentwicklung der Jugendpolitik vor Ort für und mit den jungen Menschen dienlich sein. Wir benötigen das Engagement der sozialpädagogischen Fachkräfte, damit wir dem Anspruch gerecht werden können, durch unser europapolitisches Engagement die Lebenslagen junger Menschen nachhaltig zu verbessern. Wir müssen den bereits bestehenden offenen und fruchtbaren Dialog auch im FKP weiterführen, um die europäische Jugendpolitik auch in Zukunft erfolgreich zu gestalten.

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