EU-Jugendstrategie

„Arbeit und Spaß schließen sich nicht aus“

Bei der internationalen Jugendbegegnung „ManuFUNtory“ in Schleswig-Holstein setzten sich Jugendliche damit auseinander, wie der Übergang in Ausbildung gelingen kann und schnupperten praktische Arbeitserfahrung. Das Projekt ist eines von vier Jugendprojekten, mit denen „transitions“ kooperiert. Die Jugendlichen werden ihre Arbeit am Thema bei der Jugendkonferenz von „transitions“ im Oktober 2014 fortsetzen.

21.07.2014

Von Marco Heuer

Morgens um 8 Uhr in der Autowerkstatt von Kfz-Meister Peter Richter im schleswig-holsteinischen Trittau. Pedro (20) und Robert (17) warten auf die ersten Anweisungen. Der eine kommt aus der portugiesischen Kleinstadt Oeiras nahe Lissabon, der andere aus dem slowakischen Ružomberok. Ihr Englisch ist nicht allzu gut. Vieles läuft an diesem Morgen über kleine Gesten. Verständigung mit Händen und Füßen. Schnell wird dem Meister aber klar: Die beiden wollen etwas lernen, auch wenn ihnen die Verschüchterung durchaus noch anzumerken ist. Es ist ihr erster Besuch in Deutschland.

Pedro und Robert sind zwei von insgesamt 31 Jugendlichen, die Anfang Juli an einer zehntägigen internationalen Begegnung im Jugendgästehaus Lütjensee teilnahmen. „ManuFUNtory“ heißt das Projekt und der aus den englischen Wörtern „Manufactory“ (Fabrik) und „Fun“ (Spaß) zusammengesetzte Arbeitstitel war Programm. Denn bei dem Projekt ging es darum, die Jugendlichen mit Spaß ans Arbeitsleben heranzuführen. Gemeinsam sollten sie erste Erfahrungen in einem Handwerksjob sammeln und über ihre eigene Zukunft nachdenken.

„Das Innovative an dem Treffen ist, dass Begegnung und Beschäftigung miteinander verknüpft werden. Ganz wichtig ist dabei auch der interkulturelle Aspekt“, sagt Bernd Meyerink, Leiter des Jugendzentrums der Stadt Ahrensburg und Hauptorganisator der internationalen Jugendbegegnung.

Die Jugendlichen kamen aus Italien, Portugal, Dänemark, der Slowakei und Deutschland. Die meisten von ihnen sind zwischen 14 und 19 Jahre alt. Jugendliche mit sozialen Auffälligkeiten oder schwierigem familiären Hintergrund, Schulabbrecher/-innen, vor allem aber junge Menschen, die noch nie erfahren haben, was „Arbeit“ tatsächlich bedeutet und die sich jetzt im interkulturellen Kontext damit auseinandersetzen welche Probleme es beim Übergang von der Schule in den Beruf gibt und wie man diese lösen kann.

Meyerink hatte bei vielen Handwerksbetrieben in der Region angefragt – zusammen mit dem Mitorganisator Ansgar Büter-Menke vom Kreisjugendring Stormarn. Insgesamt waren vier Praktikumstage für die Gäste aus dem Ausland geplant. Dieses Ziel zu erreichen war nicht einfach. „Wir haben zwar immer wieder Anerkennung bekommen für unsere Idee, richtig mitmachen wollten aber längst nicht so viele.“ Und trotzdem: Am Ende hatte es Sozialpädagoge Meyerink geschafft, 17 Betriebe für die erste Tuchfühlung mit der Arbeitswelt zu gewinnen, darunter Maurer, Maler, Tischler, Schlosser und Elektriker. Vier verschiedene Berufe für vier Praktikumstage – damit war es möglich jedem Jugendlichen seinen Erstwunsch für die Praktikumstage zu erfüllen.

Für die 15-jährige Maria war der erste Arbeitstag beim Maurer eine riesige Herausforderung. Seit einem Jahr geht sie nicht mehr zur Schule, sie verbringt ihre Tage mit ihren Freunden, hat keinen Rhythmus. Acht Stunden sollte sie im Betrieb sein. Für Maria anfangs zu viel. Nach vier Stunden bat sie die Projektverantwortlichen darum, abgeholt zu werden. So anstrengend hatte sie sich die Arbeit nicht vorgestellt. Am zweiten Arbeitstag hielt sie dann durch.

„Wichtig ist uns, die Jugendlichen mit ihren ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt nicht allein zu lassen. Wir bieten ihnen in der Jugendbegegnung einen geschützten Raum. Sie können sich ausprobieren und erhalten von uns die Wertschätzung, die sie brauchen“, erzählt Meyerink.
In den nationalen Teams sorgten Einzelgespräche für die nötige Sicherheit, gemeinsam in der Gruppe wurde dann jeder Arbeitstag noch mal reflektiert und auch der Übergang von Schule zu Beruf thematisiert. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, doch die Ergebnisse sind durchaus beeindruckend.

„Die meisten haben wir kaputt, aber zufrieden von der Arbeit wieder abgeholt. Viele hatten nicht gedacht, dass ihnen die Arbeit auch tatsächlich Spaß machen kann“, berichtet Ansgar Büter-Menke. „Da war schon manchmal ein Strahlen im Gesicht, das hat uns unheimlich gefreut.“

Für manche Jugendliche klingelte der Wecker bereits um 4.45 Uhr. Stullen schmieren und ab zur Arbeit. Für die Organisatoren auch ein großer logistischer Aufwand. Mit 5 Minibussen fuhren sie die Jugendlichen zu den unterschiedlichen Betrieben im Kreis Stormarn.

Kfz-Meister Peter Richter war von Anfang an von dem Projekt begeistert. Er selbst hatte früher ein Jahr als Geselle in Schweden gearbeitet. „Ich finde es beachtlich, wenn junge Menschen, die nicht ganz so gut aufgestellt sind, in ein anderes Land fahren, um sich dort einen Job anzugucken. Da gehört schon was zu. Allein wegen der Sprache.“

In seiner Werkstatt steht ein Volvo V70 und wartet auf die Inspektion. Anfangs schauen Pedro und Robert nur zu. Doch schnell dürfen sie selbst kleine Arbeiten verrichten. Der eine ist mit dem Multifunktionsspray unterwegs, der andere misst den Luftdruck in den Reifen. Beide haben Spaß, ihre Arbeit ist gefragt. „Was heißt noch mal Fahrwerk auf Englisch?“, will Peter Richter wissen. Niemand weiß es, ist aber auch egal. Wer verstehen will, kann hier verstehen, auch wenn er das passende Wort gerade nicht parat hat.

18 Kilometer weiter in Ahrensburg. Im Neubaugebiet regnet es Bindfäden. In einem Rohbau muss Styropor verlegt werden. Mit dabei: der 16-jährige Rasmus aus dem dänischen Ryomgaard und die 20-jährige Zinaidy aus Lissabon. Eine richtige Baustelle. Ob das eine Arbeit sei, die sich Zinaidy künftig einmal vorstellen könne, fragt Dan Hansen, der hier als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik arbeitet. Zinaidy schüttelt den Kopf. „No, not this kind of work“, sagt sie. Doch ihrer Motivation tut das keinen Abbruch. Schließlich sei sie ja da, um etwas zu lernen. Dan Hansen erlebt den Austausch mit den ausländischen Jugendlichen als Bereicherung, stellt aber auch fest: „Das Interesse ist unterschiedlich ausgeprägt. Mancher schaut hier rein und weiß anscheinend sofort: So eine Arbeit möchte ich nie machen und hängt dann ab. Mit so einer Einstellung kann ein 8-Stunden-Tag dann natürlich lang werden.“

Bei der internationalen Jugendbegegnung in Lütjensee blieben diese Erfahrungen dennoch die Ausnahme. Der Teamgeist und die verschiedenen Freizeitaktivitäten um die Arbeitsblöcke herum trugen dazu bei, auch schwierige Situationen zu meistern. „So mancher kam vielleicht mit der Vorstellung zu uns, jetzt erst mal zehn Tage Urlaub machen zu können“, erzählt Meyerink, „Den Zahn haben wir demjenigen dann natürlich schnell gezogen.“

„Das war das Beste, was ich je gemacht habe“, war am Ende des Projekts immer wieder von den Jugendlichen zu hören. Für Bernd Meyerink und Ansgar Büter-Menke Motivation und Verpflichtung zugleich. „Solche Projekte müssen einfach fortgesetzt werden.

Quelle: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland

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