Kinder- und Jugendhilfetag

Computer-Babys der Firma RealCare: Praktikum als Mama oder Papa mit dem Projekt babybedenkzeit

Baby-Puppe beim Füttern am Stand der Fa. Realcare auf der DJHT-Com

Was es bedeutet Papa oder Mama zu sein und welch hohe Verantwortung Eltern tragen müssen, damit beschäftigt sich die Firma RealCare mit ihren Computer-Babys. Die Puppen simulieren das Verhalten und die Bedürfnisse echter Säuglinge, und Jugendliche können testen, was es bedeutet, ein Baby zu haben, um das sie sich rund um die Uhr kümmern müssen. So können sie bewusster über Lebensentwürfe und Zukunftsplanungen nachdenken und entscheiden.

05.04.2017

von Jill Frenz

Kinderwunsch in jungen Jahren? Viele Jugendliche möchten schon früh ein Baby bekommen oder werden auch ungewollt schwanger – ohne eine Ahnung zu haben, wie viel Arbeit ein Säugling macht und welch hohe Verantwortung junge Eltern tragen müssen. Hier setzt das Projekt babybedenkzeit der Firma RealCare an: Jugendliche erleben mit einem computergesteuerten RealCare-Baby für mehrere Tage und Nächte den Alltag mit einem eigenen Säugling: In dieser Zeit können die Jugendlichen sich praktisch mit den Verantwortlichkeiten von Eltern auseinandersetzen und erkennen realitätsnah, was es bedeutet, sich um ein Baby kümmern zu müssen.

Das Elternprogramm richtet sich an Jugendliche ab etwa 14 Jahren und kann in Schulen, Beratungsstellen sowie in Jugendhilfe-Einrichtungen durchgeführt werden. Es wird ergebnisoffen umgesetzt: Auf Grundlage ihrer Erfahrungen im Elternpraktikum lernen die Jugendlichen, kompetente Zukunftsentscheidungen zu treffen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden – und einen sehr frühen Kinderwunsch vielleicht noch einmal zu überdenken.

Bedürfnisse wie ein echter Säugling

Insgesamt vier Tage und drei Nächte versorgen die Jugendlichen das RealCare-Baby, welches die Bedürfnisse eines echten Säuglings simuliert: Es schreit, wenn es Hunger oder eine volle Windel hat oder einfach nur in den Armen gewogen werden will – natürlich auch mitten in der Nacht. Wie anstrengend das sein kann, wird auch Diplom-Pädagogin Edith Stemmler-Schaich, die den RealCare-Messestand betreut, selbst bewusst: Immer wieder schreit eines der Computer-Babys, will gefüttert oder herumgetragen werden und beruhigt sich erst, wenn es die Anwesenheit seiner Betreuungsperson bemerkt. Dies geschieht durch die Registrierung eines Chips, den die "Eltern" des Simulations-Säuglings am Handgetränk tragen. Maximal zwei Betreuungspersonen bekommen diesen Chip und können das Baby somit versorgen.

"Im realen Leben ist es ja auch meistens so, dass sich vorwiegend zwei Personen um ein Kind kümmern. Das können Mama und Papa sein, oder aber auch nur ein Elternteil sowie die Oma", erzählt Stemmler-Schaich, während sie einem Computer-Baby das Fläschchen gibt und ihm dabei behutsam das Köpfchen stützt. Denn auch darauf müssen die Jugendlichen im Umgang mit dem Säugling achten: Ein Baby kann seinen Kopf noch nicht selbstständig halten und muss deswegen ständig unterstützt werden – weswegen es auch dem Computerbaby missfällt, wenn man seinen Kopf nicht stützt: Es schreit durchgehend. Im Bauch der Baby-Puppen sind Computer installiert, die aufzeichnen, wann das Baby geschrien hat und ob es richtig versorgt wurde. Gemeinsam mit den Betreuern des Programms schauen die Jugendlichen sich diese Aufzeichnungen dann an, um die Zeit mit dem Computer-Säugling zu reflektieren.

Wer sein Baby lieber stillen möchte als es mit der Flasche zu füttern, kann auch dies durch eine Simulation der mütterlichen Brust ausprobieren. Das sei sinnvoll, damit die Jugendlichen sich genauer mit den Vor- und Nachteilen des Stillens und der Flaschennahrung auseinander setzen.

Pädagogen begleiten das Projekt

Auch mit der Zeit vor der Geburt des Säuglings können die Jugendlichen sich auseinander setzen: RealCare hat auch einen Anzug entwickelt, der das Gefühl einer Schwangerschaft simuliert. Auch für Jungs sei es sehr interessant, dieses Gefühl einmal nachzuempfinden, so Edith Stemmler-Schaich.

Das Projekt wird von Pädagogen betreut und kann je nach Möglichkeiten und Bedarf individuell gestaltet werden: Meistens wird das Thema Sexualität und Verhütung in diesem Kontext behandelt, aber die Pädagogen thematisieren während des Projekts meist auch Partnerschaft und natürlich Zukunftserwartungen und geplante Lebensentwürfe. Inhaltliche Methoden sind Gruppenarbeit, Einzelgespräche und eventuell der zusätzliche Einsatz von Filmen, die über Alkoholkonsum während der Schwangerschaft aufklären.

Alkohol und Drogen während der Schwangerschaft

Besonders wichtig ist es auch, über die Folgen von Alkohol-und Drogenkonsum während der Schwangerschaft aufzuklären. Um diese Auswirkungen zu demonstrieren, hat RealCare auch Babys entwickelt, die durch Alkohol- oder Drogenkonsum geschädigten Säuglingen nachempfunden sind: Während das Baby-Modell mit dem fetalen Alkohol-Syndrom die Auswirkungen von Alkohol nur optisch – durch eine fehlende Lippenfalte und zu tief sitzende Ohren – verdeutlichen soll, simuliert das Modell, welches dem Säugling einer heroinabhängigen Mutter nachgebildet ist, die Folgen des Drogenmissbrauchs auch in seinem Verhalten: Durch seine Entzugserscheinungen zittert das Computer-Baby am ganzen Leib – und schreckt so hoffentlich vom Drogenkonsum während der Schwangerschaft ab.

Lehrende Wirkung soll auch das Modell eines "Schüttel-Babys" haben: Hieran wird simuliert, wie das Schütteln des Kindes seinem Gehirn schadet: Im durchsichtigen Plastikkopf befindet sich das Gehirn des Babys – mit Kennzeichnungen, die zeigen, welche Hirnbereiche für welche Funktionen zuständig sind. Als Pädagogin Edith Stemmler-Schaich das Baby zur Demonstration am Messe-Stand kräftig schüttelt, fangen bestimmte Kennzeichnungen an zu blinken. Dies sind die Bereiche des Gehirns, die durch das Schütteln eines realen Babys geschädigt würden.

Teilnahme nur freiwillig möglich, Nachfrage aber groß

Die Anschaffungskosten eines RealCare-Babys – inklusive Software zum Programmieren und Auslesen des Computers – betragen etwa 1.600 Euro. Die Nachfrage in Schulen und auch Jugendämtern ist groß - aber keiner der Jugendlichen wird zum Elternpraktikum gezwungen; eine Teilnahme ist nur freiwillig möglich. Dass Interesse besteht, zeigen aber auch zahlreiche Nachfragen junger Menschen am Messestand der RealCare-Babys, wie Pädagogin Edith Stemmler-Schaich berichtet.

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