Qualifizierung

Vermittlung von Medienkompetenz: Wichtige Grundlage für den Zusammenhalt der Gesellschaft

Fachtagung „Familie 2020: Zuhause in der digitalen Welt!“ im Bonifatiushaus in Fulda

Wie verändern neue Medien die Familie? So lautete die zentrale Fragestellung der Fachtagung „Familie 2020: Zuhause in der digitalen Welt!“ im Bonifatiushaus in Fulda, die am 12. April zu Ende ging. Forscher und Praktiker aus den wissenschaftlichen Bereichen der Neurobiologie, der Sozialwissenschaft, der Medienpädagogik und der politischen Bildung gaben Einblicke in ihre Forschungsergebnisse und zeichneten ein Zukunftsbild von Familie in der digitalen Welt.

10.05.2013

Klare Regeln für die Nutzung von digitalen Medien sind notwendig

Für den Eröffnungsvortrag hatten die Veranstalter – das Bonifatiushaus in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland (AKSB), der LPR Hessen – Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien und dem MUK Hessen – Institut für Medienpädagogik und Kommunikation Anhand – den Neurowissenschaftler Prof. Dr. Kristian Folta-Schoofs, Juniorprofessor für „Neurobiologische Grundlagen des Lernens“ am Institut für Psychologie der Stiftung Universität Hildesheim, gewinnen können. In seiner eindrucksvollen Präsentation zeigte Folta-Schoofs die unterschiedlichen neurobiologischen Bearbeitungsweisen von Informationen im Gehirn und ließ auch mögliche Gefahrenquellen für die Entwicklung des Gehirns deutlich werden: Der  ständige Gebrauch von neuen Medien versetze das Gehirn in einen Alarmzustand, der einen Tiefschlaf des Menschen verhindere. Dieser sei jedoch notwendig für die Stabilisierung der Gehirnstruktur. Wichtig für eine positive Entwicklung der Gehirnstruktur im Kindes- und Jugendalter seien zudem das motorische Lernen durch  z.B. Sport und das Erlernen eines Musikinstrumentes. Dies könne durch die Nutzung von neuen Medien nicht ersetzt werden.

Auf der Grundlage seiner Forschungen ergeben sich für den Wissenschaftler zwei Forderungen: Nach seiner Ansicht sind klare Regelungen für Kinder und Jugendliche zur Nutzung der Medien und damit die Vermittlung von Medienkompetenz bereits im Kindergarten-Alter notwendig. Das Gehirn brauche Auszeiten, um sich von der Informationsflut zu erholen.  Zum anderen müsse die Politik stärker mit der neurobiologischen Forschung zusammenarbeiten und die gewonnenen Ergebnisse in politische Entscheidungen einbinden. Es sei besser zeitnah zu handeln, als in 20 Jahren die Lasten der Entwicklung durch das Gesundheitssystem tragen zu lassen, mahnte der Forscher.

Fernsehen ist für Familie weiterhin das wichtigste Medium

Die Ergebnisse der FIM (Familie, Interaktion & Medien) – Studie 2011 zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien standen im Mittelpunkt des Vortrags von Thomas Rathgeb vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest. Wichtige Ergebnisse dieser Studie: Familie bedeutet für die Befragten vor allem Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit. Das Fernsehen ist für die Familie weiterhin das wichtigste Medium, über das die Familie kommuniziert. Über das Internet wird nicht so häufig gesprochen. Zudem haben die Kinder und Jugendlichen ein hohes Vertrauen in die Kompetenz ihrer Eltern.

Einen Einblick in die Praxis der Medienpädagogen im Umgang mit den digitalen Medien gab Peter Holnick, Geschäftsführer des Instituts für Medienpädagogik und Kommunikation, sowohl in seinem Vortrag als auch in seinem Workshop „Das Fernsehen als Wertevermittler für Familien“. Dabei ist ein Ergebnis der FIM-Studie für Holnick besonders wichtig: Das Fernsehen ist nach wie vor wichtigstes Medium für die Familie. Trotz Facebook, Twitter und Co. dürfe die klassische Filmbildung nicht vernachlässigt werden. Die Macht der Bilder verführe auch die junge Generation. Das Fernsehen müsse also als Quelle zur Wertebildung weiterhin kritisch betrachtet werden. Dies sei wichtige Aufgabe der Medienpädagogen.

Youthpart: Mehr gesellschaftliche Partizipation durch digitale Medien

Das Projekt „Youthpart“ von IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. verfolgt das Ziel, im internationalen und nationalen Erfahrungsaustausch Modelle zur Steigerung der Jugendbeteiligung in der digitalen Gesellschaft zu entwickeln. Jürgen Ertelt von IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. gab einen Einblick in die aktuellen Ergebnisse des Projekts. Im Projekt habe sich gezeigt, dass Jugendliche ein großes Interesse daran hätten, ihre Zukunft mitzugestalten. Mit den neuen Medien haben die Jugendlichen die Möglichkeit, international - über den Wohnort hinaus - im Internet mit ihren Anliegen Gehör zu finden. Geeignete digitale Partizipationsmodelle müssten dabei so gestaltet sein, dass sie eine echte Teilhabe ermöglichen. „Die Wirksamkeit ist entscheidend“, betonte Ertelt, dabei solle aber mit den neu entwickelten Modellen nicht die repräsentative Demokratie abgelöst werden. Wichtig sei vielmehr ein kommunaler Bezug für die E-Partizipation: Vor Ort müsse das Anliegen in den kommunalen Strukturen politisch umsetzbar sein. Dabei heiße Partizipation auch, einen langen Atem zu haben, denn demokratische Entscheidungsprozesse würden im Gegensatz zu einer digitalen Abstimmung oftmals mehrere Jahre dauern. Erreichen will das Projekt mit seinen Partizipations-Angeboten auch die Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen im Internet.

Virtuelle Welten, Facebook, Twitter und Co. – Herausforderungen für Familie und Pädagogen

Einen umfassenden Einblick in die Facebook-Welt gab Angelika Beranek vom Info-Café in Neu-Isenburg und provozierte zu Beginn ihres Workshops „Soziale Netzwerke – Herausforderung für Familie!“ mit der These: Privatsphäre ist ein Konzept von gestern! Familie müsse vielmehr den Umgang mit den digitalen Medien lernen und klare Regeln aufstellen, wann diese Medien genutzt werden und wann nicht. Diese Regeln sollten von Eltern und Jugendlichen/Kindern gemeinsam erarbeitet werden.

In der Zukunft wird die virtuelle Welt verstärkt Einzug halten in die Spiel- und Aktionswelt der Familien. Markus Weber vom Büro für interaktive Medien „Bahm, Nonnen, Urhahn“ in Darmstadt zeigte dies in seinem Workshop „Mediale Begegnungen – was wird Familie in Zukunft beschäftigen?“ anhand zahlreicher Spiele-Trends der Gegenwart und Zukunft. Seine Prognose: Die ganze Welt wird zur Website. Dies stelle für die Medienpädagogik eine besondere Herausforderung dar. Neue Technische Entwicklungen sollten als Impuls- und Ideengeber für neue Konzepte der digitalen Bildungsarbeit genutzt werden und die Methodenvielfalt steigern. Zudem müsse schneller auf die technischen Entwicklungen mit pädagogischen Angeboten reagiert werden.

Medienkompetenz als Zukunftsprojekt

Mit der Fachtagung in Fulda setzte die AKSB seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bonifatiushaus in Fulda, der LPR Hessen – Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien und dem MUK Hessen – Institut für Medienpädagogik und Kommunikation fort. Über 30 Teilnehmende – darunter Lehrkräfte, Pädagog/-innen, Wissenschaftler, Politiker und interessierte Bürgerinnen- und Bürger – waren sich nach zwei Tagen intensiver Diskussionen über die Ergebnisse einig: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist bereits im Kindergarten notwendig und muss in der Schulzeit intensiviert werden. Erzieher/-innen und Lehrkräfte müssen zur Vermittlung dieser Medienkompetenz zusätzlich geschult werden. Offen ist noch die Frage, wie die gesamte Familie – also nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch die Eltern und Großeltern – in diese Vermittlung von Medienkompetenz einbezogen werden können. Dabei ist zu klären, was Eltern in Fragen der Medienkompetenz dazulernen und was sie den Kindern vermitteln müssen. Hier bleiben die politische Bildung und die Medienpädagogik weiterhin gefragt und müssen nach geeigneten Wegen der Vermittlung suchen. Dies gilt auch für die Frage, wie benachteiligte Jugendliche und die sogenannten Offliner erreicht werden, denn auch im Internet gebe es Ausgrenzung.    

Gunter Geiger, Akademiedirektor des Bonifatishauses, zog für die Kooperationspartner eine positive Bilanz: "Technische Entwicklungen und die verstärkte Präsenz der virtuellen Welt im Alltag der Familien stellen die medienpädagogische Bildung immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Vorträge haben gezeigt: Die Vermittlung von Medienkompetenz leistet und wird auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten. Mit unseren Kooperationspartnern – der AKSB, der LPR Hessen und MUK Hessen werden wir uns den Herausforderungen der technischen  Entwicklungen und der damit verbundenen neuen medialen Erlebnissen weiterhin widmen. Unsere erfolgreiche Kooperation wird daher im kommenden Jahr mit einer weiteren Fachtagung fortgesetzt."

Begonnen hatte die Kooperation 2011 mit der Tagung "Familie 2020: Aufwachsen in der digitalen Welt", 2012 folgte eine Fachtagung zum Thema „Familie 2020: Verbraucherschutz und Medienkompetenz“. Rechtzeitig zur zweiten Fachtagung erschien eine gemeinsame Publikation beim Barbara Budrich Verlag, mit der die erste Tagung in 2011 dokumentiert wurde. Die Publikation soll Familien eine erste Orientierungshilfe in der digitalen Welt geben.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland (AKSB)

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