Recht

Urheberrecht, Datenschutz, Persönlichkeitsrechte in der Jugendmedienarbeit. Konsequenzen der Digitalisierung

Valie Djordjevic, iRights.info, widmete sich in ihrem Fachforum auf der Fachtagung "Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe – Chancen und Herausforderungen" den rechtlichen Konsequenzen der Digitalisierung. In diesem Beitrag fasst sie die zentralen Herausforderungen, die das Urheberrecht, der Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht an die Kinder- und Jugendhilfe stellen, zusammen. Zusätzlich gibt sie einige Vorschläge, in welche Richtung die Entwicklungen gehen sollten, um die Arbeit von Pädagogen und anderen Praktizierenden zu erleichtern.

07.03.2017

Problemstellung

Computer und Internet – kurz die Digitalisierung – haben viele neue Möglichkeiten eröffnet: Der Zugang zu kulturellen Werken ist sehr viel einfacher geworden, sie stehen digital zur Verfügung und können bearbeitet und genutzt werden, um neue Werke zu erschaffen – und zwar nicht nur von professionellen Künstlern und Produktionsfirmen, sondern von jedem. Die Produktionsmittel sind so preiswert und allgegenwärtig geworden, dass jede und jeder Interessierte Filme drehen, Musik aufnehmen oder Bücher veröffentlichen kann. Man kann seine Meinung ins Internet stellen, Fotos von anderen aufnehmen und veröffentlichen oder vorhandene Kunstwerke bearbeiten und zu seinen eigenen machen.

Der Fülle an Möglichkeiten stehen allerdings sowohl rechtliche als auch ethische Probleme gegenüber. Viele gesetzliche Regelungen entsprechen den Möglichkeiten der digitalen Welt nicht mehr: Alltägliche Handlungen werden geahndet und die Möglichkeiten der Ermächtigung werden gesetzlich behindert.

Auf der anderen Seite fehlen Regelungen: Das gilt vor allem für den Persönlichkeitsrecht und Datenschutz. Cyberbullying und Beleidigungen online sind fast normal geworden, Firmen sammeln persönliche und private Daten in noch nie dagewesenem Umfang und das geltende Datenschutzrecht kommt nicht hinterher.  

Der vorliegende Text beschreibt die Herausforderungen, die das Urheberrecht, der Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht an die Kinder- und Jugendhilfe stellen. Zusätzlich gibt er einige Vorschläge, in welche Richtung die Entwicklungen gehen sollten, um die Arbeit von Pädagogen und anderen Praktizierenden zu erleichtern.
Eine Einschränkung: Die folgenden Einschätzungen haben keinen Anspruch auf juristische Genauigkeit. Aufgrund des Formats können sie nur grob die Richtung weisen.

1. Urheberrecht

Zwischen Remixkultur und Gesetzesverstößen

Der Computer ist eine Kopiermaschine. Digitale Werke können ohne Verlust vervielfältigt und über das Internet weitergegeben werden. Das Urheberrecht war deshalb einer der ersten Bereiche, der die Folgen der Digitalisierung zu spüren bekam. Ende der 1990er Jahre fingen viele Internet-Nutzer an, urheberrechtlich geschützte Werke – zu Beginn hauptsächlich Musik – über das Internet privat zu teilen. Zunächst die Musikindustrie, später auch die Filmbranche, mussten Umsatzeinbußen einstecken, wobei es unterschiedliche Einschätzungen gab, wie ernst diese waren.

Auf der anderen Seite hatten Millionen von jungen (und nicht ganz so jungen) Menschen plötzlich Zugang zu Musik, Filmen, Fernsehserien und Texten – quasi eine weltweite, allgemein zugängliche Bibliothek. All diese Werke konnten nicht nur angeschaut, sondern auch verwendet werden, um neue künstlerische Werke zu machen. Das reichte von Fanvideos von Harry-Potter-Fans, die ihre eigenen Filme zusammenschneiden, bis zur Hochkultur.  

Der Jurist und Rechtsprofessor Laurence Lessig hat 2008 in seinem Buch „Remix. Making Art and Commerce Thrive in the Hybrid Economy“ die Remix-Culture ausgerufen. Er meint, dass das Bearbeiten und das Neuzusammensetzen existierender kultureller Werke zu einer grundlegenden und alltäglichen Kulturtechnik geworden ist und dass die Gesetzgeber diese Praxis auch gesetzlich auf sichere Füße stellen sollten.

Die juristische Lage in Deutschland – Ausnahmen und Reformbedarf

Im deutschen Urheberrecht ist die Lage folgende: Hat eine Jugendliche oder ein Jugendlicher ein Fanvideo zusammengeschnitten, in dem sie oder er urheberrechtlich geschützte Werke verwendet – etwa Popmusik eines aktuellen Künstlers, Videomaterial aus einem Film oder einer Fernsehserie –, so darf sie das entstandene Video nicht bei Youtube hochladen und somit veröffentlichen. Sie darf es nur im engen privaten Rahmen nutzen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie mit dem entstandenen Werk Gewinnabsichten hat oder nicht, denn das Urheberrecht kennt nur die Unterscheidung privat und öffentlich.

Das Urheberrecht sieht für bestimmte Zwecke, wie etwa für Bildung und Unterricht, Ausnahmen vor, durch die bestimmte Nutzungen erlaubt sind. Doch erstens sind diese sehr eng begrenzt, zweitens kleinteilig und kompliziert, so dass diejenigen, für die sie gedacht sind – pädagogische Fachkräfte, Lernende, Eltern – damit überfordert sind.

So unterscheiden sich die Regeln für die Nutzung von urheberrechtlichen Materialien in der Schule je nachdem, ob die Nutzung in der geschlossenen Klasse, in einem offenen Workshop oder beim Schulfest passiert. Bearbeitungen wie etwa Fanvideos gehören nicht dazu. Das heißt zum Beispiel, dass ein Video, das eine Schülerin für die Schule zusammengeschnitten hat und dafür Material aus dem Fernsehen verwendet trotz aller möglichen Originalität nicht auf der Homepage der Schule veröffentlicht werden kann.

Es gibt viele Vorschläge für Reformen des Urheberrechts. Die bisherigen Änderungen sind zu kleinteilig an die Herausforderungen herangegangen, da die verschiedenen, einander entgegenstehenden Interessengruppen eine grundsätzliche Reform unmöglich machen. Einen Versuch, eine neue Form des Umgangs mit urheberrechtlich geschützten Werken zu denken, hat eine Expertengruppe unter der Leitung des iRights.info-Herausgebers Till Kreutzer unternommen:  "Das Berliner Gedankenexperiment zur Neuordnung des Urheberrechts".

2. Datenschutz

Es hat sich spätestens seit Edward Snowden herumgesprochen, dass Überwachung und Internet zusammengehören. Durch den digitalen Transport und Speicherung lassen sich Daten leichter und länger aufbewahren und automatisiert durchsuchen. Da inzwischen unsere ganze Kommunikation digital und online stattfindet (E-Mail, Messenger, Gespräche, Informationsrecherche), können Unternehmen und staatliche Stellen ungeheure Datenmengen sammeln, miteinander in Verbindung bringen, vergleichen und daraus Schlüsse ziehen.

Datenkrake Smartphone

Vor allem Smartphones sind Datenschleudern, die privateste Informationen sammeln: Kommunikation, Addressbücher, Ortsdaten (wo befinde ich mich wann). Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 nutzen 66 Prozent der Deutschen inzwischen Smartphones als bevorzugtes Gerät für den Onlinezugang. Täglich sind wir mit zwei Stunden und acht Minuten schon wieder 20 Minuten länger online als im Vorjahr. Nutzende, die mit mobilen Geräten online gehen, verbringen täglich 2:43 Stunden und damit 35 Minuten mehr im Internet.

Nutzerdendaten werden von verschiedenen Seiten gesammelt: Die Betriebssysteme-Hersteller (vor allem Google und Apple), die Hardware-Hersteller, App-Programmierer, Werbenetzwerke, Mobilfunkanbieter und nicht zuletzt staatliche Stellen (Polizei, Nachrichtendienste usw.) Diese Player sammeln unterschiedliche Daten, die an verschiedenen Stellen gespeichert und verwerten werden.

Strenges, aber intransparentes Datenschutzrecht

Vor allem die gewerblichen Anbieter entziehen sich dabei der Kontrolle. Das deutsche Datenschutzrecht ist zwar vergleichsweise streng, es lässt sich für den Verbraucher aber nicht nachvollziehen, wo die Daten letztendlich landen – vor allem wenn es um die großen internationalen Konzerne geht. Das bedeutet, dass das Datenschutzrecht – wie das Urheberrecht – von einem nationalen zu einem internationalen Instrument werden muss, mit all den Kompromissen bei Abkommen und Verhandlungen.

Auf der anderen Seite lassen sich über große Datenmengen (sog. Big Data) in der Wissenschaft neue Erkenntnisse gewinnen, die so vorher nicht möglich waren. Neben dem notwendigen Schutz der Privat- und Intimsphäre sind solche Fortschritte durchaus erwünscht und das Recht sollte ihnen nicht entgegenstehen.

3. Persönlichkeitsrechte

Hass im Netz: Unterstützung fehlt

In den letzten Jahren hat sich in den sozialen Medien – auf Facebook oder Twitter, in den Kommentarspalten der Zeitungen – oft eine Atmosphäre des „Anything goes“ entwickelt. Beschimpfungen, Drohungen, Herabwürdigungen sind an der Tagesordnung – wenn man denn überhaupt miteinander redet. Zeitungen und andere Medien haben die Möglichkeit Kommentare zu moderieren, aber bei Facebook und Twitter gibt es oft wenig Möglichkeiten dagegen vorzugehen. Viele Betroffene beschweren sich, dass beleidigende Postings trotz Meldung nicht zeitnah entfernt werden. Die Lage sei zwar besser geworden, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas im Herbst 2016, aber immer noch nicht ausreichend.

Per Gesetz werden Hasskommentare und Cyberbullying im Netz genauso geächtet, wie entsprechende Delikte offline, allerdings lässt die Unterstützung von Plattformbetreibern, aber auch von Behörden zu wünschen übrig.

Gerade beim Cyberbullying – etwa dem Verbreiten von bösartigen Gerüchten über das Netz – wissen Betroffene oft nicht, was sie gegen die Belästigungen tun können und bekommen nicht ausreichend Unterstützung von außen. Hier ist Aufklärung in Schulen, Jugendeinrichtungen und in der Elternarbeit unbedingt nötig.

Cyberbullying: Die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe

Nicht bei allen Beleidigungsdelikten im Netz ist gleich die Polizei der richtige Ansprechpartner. Pädagogische Eingriffe von Eltern und Lehrern oder Sozialarbeitern, Aufklärung in Schulen und Jugendeinrichtungen, das Sensibilisieren der Jugendlichen und das Lernen anderer Konfliktlösungen können gegen Cyberbullying helfen.
Bei anonymen Beleidigungen und Drohungen auf Social-Media-Plattformen sind zunächst die Betreiber die Ansprechpartner; wenn dies nicht hilft, kann man sich an verschiedene Jugendhilfe-Organisationen im Netz wenden, die sich auf Hasssprache im Netz spezialisiert haben.

Das gemeinsame Kompetenzzentrum der Länder für den Jugendschutz im Internet betreibt eine offizielle Beschwerdestelle (hotline@jugendschutz.net) für unzulässige Angebote im Internet. Die Erfahrung zeigt, dass Plattform-Betreiber schneller reagieren, wenn Beschwerden von (offiziellen) Einrichtungen und Institutionen kommen anstatt von Einzelpersonen.

Die Rückkehr der Emily Postnews?

Möglicherweise ist es nötig, eine alte Internetpersönlichkeit wieder auferstehen zu lassen: In den 1990er Jahren, als das Netz sich langsam für Normalbürger öffnete, hat die Figur Emily Postnews Fragen zur Netiquette beantwortet, in denen sie Benimmregeln für das Netz auf humorvolle Weise erklärte. Dabei ging es um die Länge der Signatur am Ende der E-Mails, aber auch um klassische Umgangsformen. Der wichtigste Satz: „Vergiss nicht, dass auf der anderen Seite des Bildschirms ein Mensch sitzt.“ Etwas, das viele im Netz zu vergessen scheinen.

Fazit

Als Angela Merkel 2013 das Internet als Neuland bezeichnet hat, schlug ihr viel Spott vor allem aus der Internet-Community entgegen – ungerechtfertigterweise. Seit Ende der 1990er Jahre hat sich das Netz sehr schnell zu einem Kommunikationskanal entwickelt, der nicht mehr aus unserer Gesellschaft wegzudenken ist. Die Auswirkungen der Digitalisierung werden uns erst jetzt nach und nach klar, denn es geht nicht nur um einen neuen Kanal, sondern um eine strukturelle Veränderung des Alltags, der Politik, der Wirtschaft, der Kultur – kurz des Gewebes der Wirklichkeit –, die uns noch in den folgenden Jahren beschäftigen wird.

Über die Autorin

Valie Djordjevic ist Journalistin, Redakteurin und Dozentin zu den Themen Digitalisierung und Gesellschaft, Urheberrecht und Netzkultur. Sie ist Herausgeberin und Mitgründerin des Informationsportals iRights.info und bewegt sich seit 1996 in der digitalen Welt, unter anderem bei der Internationalen Stadt Berlin, einem der ersten Netzkunst-Projekte in Deutschland. Sie gibt Workshops und Seminare rund um die Themen Schreiben im Netz, Social Media und Urheberrecht für Firmen, Weiterbildungseinrichtungen und Institutionen.

Das Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe veranstaltete am 05./ 06. Dezember 2016 die Fachtagung "Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe" in Berlin. Die Veranstaltung thematisierte medienpädagogische, professions- und organisationsbezogene Fragestellungen genauso wie jugend-, bildungs- und netzpolitische Standpunkte.

Zentrale Aspekte der Diskussion werden in Form einer losen Abfolge von Fachbeiträgen unter  www.jugendhilfeportal.de/themenspecial dokumentiert und für die weitere fachliche Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt.

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