Kinder- und Jugendarbeit

Unterstützung statt „Bekehrung zur Internetabstinenz“

Was ist heute noch privat, was öffentlich? Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Deutsche Kinderschutzbund luden am 09. Februar, dem Safer Internet Day, zur Diskussion über Datenschutz im Web 2.0 ein.

11.02.2010

Jugendliche vor dem Computer
Bild: Jugend onlineCC-Lizenz

Kluft der Generationen: „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ 

"Und meines Erachtens sollten wir diese Unterscheidung der zwei Generationen auch bei der heutigen Debatte um den Datenschutz im Internet im Hinterkopf behalten. Denn wenn wir als Erwachsene die Internetnutzung der Kinder und Jugendlichen mit Verboten belegen und die neuen Kommunikationsformen per se verteufeln, dann werden wir das Gegenteil erreichen. Wir müssen schlicht akzeptieren, dass sich unter den Heranwachsenden eine neue Form der Kommunikation etabliert hat." 

Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in seiner Eröffnungsrede

 

Können Jugendliche, die ständig in sozialen Netzwerken unterwegs sind, überhaupt noch zwischen Privatheit und Öffentlichkeit unterscheiden? In der Regel eher nicht, war das ernüchternde Fazit der Fachtagung „Meins, deins,unser?! Persönliche Daten von Kindern und Jugendlichen im Web 2.0“ anlässlich des Safer Internet Day, zu dem die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die Stiftung Medienpädagogik Bayern und der Bayerische Landesverband des Deutschen Kinderschutzbunds gestern nach München eingeladen hatten. 

Unterstützung statt „Bekehrung zur Internetabstinenz“ hatte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zum Auftakt der Veranstaltung vor rund 150 Teilnehmern gefordert. Er appellierte aber auch an die Verantwortung der Anbieter, die gerade bei führenden amerikanischen Plattformen wie Facebook nicht zu erkennen sei. Für den Deutschen Kinderschutzbund erinnerte Ekkehard Mutschler daran, dass Kinder und Jugendliche noch nicht in der Lage seien, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrzunehmen und sich die Eltern deshalb stärker um das Mediennutzungsverhalten ihrer Kinder kümmern müssten. Gerade soziale Netzwerke hätten mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert im Medienalltag der jungen Generation, so Mutschler. 

Diese Einschätzung wird durch eine Kooperationsstudie der Universität Salzburg und des Hans-Bredow-Instituts zur „Rolle des Social Web im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ bestätigt, deren Ergebnisse Mareike Düssel vorstellte. Die befragten 12- bis 24-Jährigen nutzten das Social Web zu Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement. Die Chancen, die sich durch die Unterstützung wichtiger Entwicklungsaufgaben ergeben, bergen aber gleichzeitig Risiken. Die Preisgabe persönlicher Daten zur Beziehungspflege könnte zum Beispiel problematische Online-Bekanntschaften oder Cyber-Mobbing nach sich ziehen. Dies geschieht, häufig aufgrund eines mangelnden Bewusstseins der Jugendlichen, indem die Reichweite, die Nachhaltigkeit und auch die Dynamik der publizierten Inhalte zur Selbstdarstellung unterschätzt werden. Als Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie fordern die Autoren, die Anbieter noch mehr in die Verantwortung zu nehmen und die Medienkompetenzförderung zu stärken. 

Wie manche Jugendliche heute die Begriffe „privat“ und „öffentlich“ deuten, dokumentiert die Aussage einer 16-Jährigen zu ihren Motiven für die Nutzung sozialer Netzwerke: „Es ist für mich wichtig, weil ich meine ganzen Privatsachen drinnen hab und alles machen kann, ohne dass meine Mutter mir beim Telefonieren zuhört.“ Das JFF – Institut für Medienpädagogik hat diese Aussage im Rahmen der Studie „Das Internet als Rezeptions- und Präsentationsplattform für Jugendliche“ erhoben. Welche Anforderungen an die medienpädagogische Praxis sich aus solchen Erkenntnissen ableiten lassen, liegt für JFF-Mitarbeiter Niels Brüggen auf der Hand: Man müsse den Jugendlichen einen „Austausch auf Augenhöhe“ ermöglichen, indem sie darin unterstützt werden, ihre Fragen und Perspektiven einzubringen, aber auch eigene Positionen zu hinterfragen. 

Wer sich im Internet nicht selbst schützt, ist auch nicht anonym, warnte der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Thomas Petri. Letztlich hätten Kinder ein Recht darauf, ihre Identitäten aus dem Web, die sie in ihrer Entwicklungsphase getestet hätten, in ihrem späteren Leben nicht vorgehalten zu bekommen, so Petri. Er erinnerte an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung 1983, wonach jeder Einzelne sich auf das Recht berufen darf, selbst über die Verwendung seiner Daten zu entscheiden. 

Doch ist die Privatheit angesichts des häufig mangelnden Selbstschutzes der jungen Web 2.0-Nutzer/innen noch zu retten, so die Frage von Moderatorin Verena Weigand, Leiterin der KJM-Stabsstelle, auf dem Diskussionspodium. Eine einfache Lösung dazu gebe es nicht mehr, stellte Walter Staufer von der Bundesprüfstelle für jugendgefährende Medien (BPjM) fest. „Die Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit geht heute mitten durch den PC“, resümierte der Medienpädagoge in Anspielung auf ein Zitat des Philosophen Jürgen Habermas. 

Der Wert der Privatheit sei durch die Datenskandale jedenfalls wieder bewusster geworden, betonte Sabine Frank von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). In puncto Anbieterverantwortung würden Selbstverpflichtungen jedoch reichen. Eine aktive Kontrollpflicht der Anbieter lehne sie ab. Bisher sind die sozialen Netzwerke sowieso auf Rückmeldungen der Nutzer angewiesen, um ihre eigenen Regeln (z.B. keine Teilnahmen unter 12 Jahren) durchsetzen zu können. Eine Altersverifikation seitens der Anbieter gebe es nicht, hatten Sascha Neurohr und Jessika Rose von SchülerVZ in ihren Erfahrungsberichten bestätigt. 

Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien

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