Im Gespräch

Schulzeit und Corona – Wie junge Menschen Schulzeit on- und offline meistern

Im Schuljahr 2020/2021 mussten Schülerinnen und Schüler viele Monate zuhause lernen, die Zeiten schienen unsicher und improvisiert. Lehrkräfte waren mit dem Kontakthalten oder mit der digitalen Kontaktaufnahme oft überfordert, Freunde treffen war kaum möglich. Im Rahmen unserer Interviewreihe „Jugend und Corona“ haben wir exemplarische Gespräche mit einer Gymnasiastin und einem Grundschüler aus Berlin geführt. Welche Herausforderungen und Themen beschäftigen sie im Homeschooling und in der Rückkehr zur Schule am meisten?

11.10.2021

Berliner Schüler/-innen sind seit dem Schuljahr 2021/2022 verpflichtet, am Präsenzunterricht teilzunehmen und alle Schutz- und Hygienemaßnahmen einzuhalten. Wenn sie der Präsenzpflicht nicht nachgekommen, liegt unentschuldigtes Fehlen vor. Angebote des Homeschoolings stehen nicht zur Wahl und sind nicht mehr vorgesehen. Ab dem 3. Oktober 2021 werden im Corona-Stufenplan des Landes Berlin die Regelungen für Hygienemaßnahmen und die Durchführung von Präsenzunterricht sowie Homeschooling ausgeführt. Der Stufenplan orientiert sich am Infektionsgeschehen in der Schule und im Land. Grundsätzlich werden rund die Hälfte der Klassenräume in Berlin mit Luftfiltergeräten versorgt. Außerdem machen mobile Impfteams allen Schülerinnen und Schülern ab 16 Jahren ein Impfangebot. Insgesamt sollen knapp 70.000 junge Erwachsene erreicht werden. 

Die 16-Jährige Schülerin Tina Kreyling* hat uns ausführlich geschildert, welche Eindrücke sie in ihrer Berliner Schule vom Homeschooling hatte und wie der Wiedereinstieg in den Präsenzunterricht gelingt. 

Es hat alles mit der Aussage angefangen, dass die Schule für zwei Wochen geschlossen bleibt und irgendwann wurden daraus Monate

Wie ging es dir bisher mit Corona in deiner Schule? Wie hast du die letzten 1,5 Jahre erlebt?

Die letzten 1,5 Jahre waren sehr wechselhaft. Es hat mit der Aussage angefangen, dass die Schule für zwei Wochen geschlossen bleibt und irgendwann wurden daraus Monate. Der Anfang war ziemlich lustig. Man konnte nicht begreifen, welche Auswirkungen das alles haben wird. Zu dem Zeitpunkt hatte meine Schule noch keinerlei digitales Netzwerk aufgebaut und somit bekam man täglich von allen Lehrer(inne)n drei bis vier Mails am Tag mit unterschiedlichen Ideen, Aufgaben, Fragen und Links zu Online-Lernplattformen. Je länger das Homeschooling anhielt, desto gestresster wurden auch die Lehrkräfte. Einige waren regelrecht verzweifelt.

Woran hast du die Verzweiflung bei den Lehrer(inne)n gemerkt?

Ich hatte das Gefühl, dass die Lehrer/-innen ihr komplettes Zeitgefühl verloren hatten, die Aufgaben waren in der vorgegebenen Zeit gar nicht mehr lösbar. Dieses Aufgabenpensum war das Schlimmste am Homeschooling. Es war auch so unausgewogen. Einige Lehrer/-innen haben viel zu wenige Aufgaben gegeben, sodass man, wenn man sich an den Stundenplan gehalten hat, nur rumsaß. Oder man musste sechs Stunden am Stück nur für ein Fach lernen.

Wie hast du es geschafft, die Schwierigkeiten in der Schule zu bewältigen? Was hat dir geholfen?

Schwierigkeiten hatte ich nur, wenn ich ein Thema nicht verstanden habe, dann habe ich entweder mit Simple Club Videos weiter gemacht oder Freunde im selben Kurs gefragt.

Besonders schlimm war die Unwissenheit darüber, wann der Präsenzunterricht zurückkommt. Außerdem waren nicht nur die Lehrkräfte spürbar überlastet, sondern auch die digitale Ausstattung, insbesondere die Server, nicht auf diese Belastungen ausgelegt. Es kam immer wieder zu Ausfällen. 

„Die Möglichkeit, meine Tage komplett selbst zu planen und zu organisieren, hat mir zu besseren Noten und mehr Spaß an den Schulthemen verholfen“

Wurde es irgendwann einfacher im Homeschooling?

Als die Schul-Cloud eingerichtet wurde, wurde es ein wenig besser. Die Lehrkräfte hatten einen besseren Überblick über die gegebenen Aufgaben, es konnten Videokonferenzen stattfinden und für mich als Schülerin wurde es einfacher, da ich nur noch mit der Cloud und meinen E-Mails arbeiten musste und nicht mehr mit drei verschiedenen Lernplattformen, Mails und der Schul-Webseite.

Hatten die digitalen Verbesserungen Auswirkungen auf deine Leistungen?

Nachdem die Organisation der Lehrer/-innen ebenfalls besser wurde, konnte ich meine Tage sehr gut planen. Ich erzielte in Arbeiten sogar bessere Noten als im Präsenzunterricht. Ich vermute, dass es vor allem daran lag, dass ich zu 100 % freie Hand hatte, wann ich etwas machen und wie ich es machen wollte. Wirkliche Motivationsprobleme hatte ich dadurch nie. Zusammenfassend kann ich sagen, dass es für mich so einfacher war, den Stoff zu erarbeiten und die Aufgaben innerhalb der Frist abzugeben. Die Möglichkeit, meine Tage komplett selbst zu planen und zu organisieren, hat mir zu besseren Noten und mehr Spaß an den Schulthemen verholfen.

Konntest du mit deinen Freunden in der Schule in Kontakt bleiben? Wie hat das funktioniert?

Mit meinen Freunden bin ich über Social Media in Kontakt geblieben, man hat sich über Aufgaben ausgetauscht oder sich über Lehrer/-innen beschwert. Wir haben als Freundeskreis auch öfters mal „gemeinsam“ gelernt und uns per Video zusammengeschaltet. Insgesamt war es ungewohnt, aber auch nicht weiter problematisch.

Jetzt hast du wieder Unterricht in der Schule. Wie ist das für dich?

Es besteht die Pflicht zum Tragen einer Maske. Außerdem muss man sich drei Mal die Woche testen. Nur die, die geimpft oder genesen sind, haben nicht mehr die Pflicht, sich zu testen. Dazu gehöre auch ich. Das macht die Schulwoche etwas entspannter, weil man sich nicht ständig ein Stäbchen gefühlt bis zum Kleinhirn schieben muss. Der Unterricht ist wieder so wie vor Corona.

Weiterhin auch online zu lernen, wäre für mich angenehmer. Seit April merke ich verstärkt, wie sehr mich diese vorgegebene Struktur unter Druck setzt. Ich kann dabei nicht meine Bestleistung erzielen. Ich sehe auch Vorteile im Präsenzunterricht, weil man sich eben auch live begegnen kann, doch trotzdem muss ich sagen, dass ich während der Hochzeiten von Corona effektiver gelernt habe. Ich habe vor allem einzelne Themen schneller verstanden. Einfach, weil ich meine eigenen Techniken und Strukturen anwenden konnte.

„Ich würde sagen, dass das Verständnis für die digitale Welt vor allem bei den Lehrkräften zugenommen hat“

Denkst du, aus der Corona-Zeit ist auch etwas für die Zukunft hängen geblieben?

Was die Erwachsenen auf jeden Fall gelernt haben, ist, dass wir jungen Menschen meistens mehr Ahnung von Technik haben. Mehr Technik zu nutzen, stört uns nicht. Wir finden es lustig, wenn sie uns um Hilfe bitten. Unsere Cloud wird trotz Präsenzunterricht weiter genutzt. Die Cloud ist neben unserem Jahrgangs-Chat der Ort, wo immer noch die meisten Aufgaben, Dateien, Präsentationen und Infoblätter ausgetauscht werden. Ich würde sagen, dass das Verständnis für die digitale Welt vor allem bei den Lehrkräften zugenommen hat.

Wir fragen außerdem Oskar Kolumbus*, einen 9-jährigen Viertklässler einer Grundschule:

Oskar, wie war das Homeschooling für dich und wie ist es, wieder zur Schule gehen zu können?

„Ich bin lieber in der Schule als zuhause zu lernen. Vor allem wegen der Pausen. Da kann ich meine Freunde sehen! Einer meiner Mitschüler wohnt direkt nebenan, deshalb konnte ich wenigstens mit einem Freund in Kontakt bleiben. Die anderen Schüler konnte ich nicht sehen, außer in Videokonferenzen. Ich fand nicht gut, dass ich nicht mit meinen Mitschülern zusammen sein konnte und dass es viel zu viele Hausaufgaben gab.

Das Lernen zuhause fiel mir schwer. Es fällt mir leichter, wenn es direkt erklärt wird und man auch nachfragen kann. Am Ende habe ich es meistens ganz knapp geschafft. Dafür musste ich manchmal von früh bis spät lernen. Das musste ich auch allein schaffen, weil meine Eltern gearbeitet haben. Wenn wir irgendwann wieder nur noch zuhause lernen sollen, dann wünsche ich mir, dass es nicht mehr so viel Lernstoff gibt. Ich fand zu viel was uns aufgegeben wurde. Einer aus meiner Klasse ist sogar wegen der Corona-Krise durchgefallen!“

Die Interviews führte Nadine Salihi.

* Nachnamen wurden von der Redaktion geändert.

Redaktion: Iva Wagner

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