EU-Jugendstrategie
Jede Stimme ist gleich laut
Über 160 Teilnehmer/-innen informierten sich am 12. November in Münster in einer Kooperationsveranstaltung des nordrhein-westfälischen Jugendministeriums, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, der Landesanstalt für Medien und IJAB über "Partizipation und Medien" und die Einstiegsmöglichkeiten in eigene E-Partizipationsprojekte. Die technischen Hürden sind weiter gesunken, erste Praxisbeispiele machen Mut.
14.11.2013
Am politischen Willen mangelt es nicht. Christina Rhode, Hans Meyer, Daniel Poli und Uwe Schulz verwiesen stellvertretend für die Veranstalter auf die vielfältigen Anstrengungen, die von den Kommunen, Ländern und Bund bis hin zu einer europäischen Dimension reichen. Uwe Schulz erinnerte auf die von der Bundesregierung initiierte Eigenständige Jugendpolitik, die man in Nordrhein-Westfalen aufgegriffen habe und mit einem Schwerpunkt auf Partizipation mitentwickle, Daniel Poli an beispielhafte Projekte zur Jugendbeteiligung in europäischen Nachbarländern – besonders in Finnland –, Christina Rhode an die Qualifizierungsangebote der Landesanstalt für Medien, die auf die kommunale Ebene abzielen. Woran liegt es also dann, dass nicht erheblich mehr internetgestützte Partizipationsprojekte vorzufinden sind? Hans Meyer, Dezernent für Jugend und Schule beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, gibt eine der möglichen Antworten: Eine wesentliche Bedingung für die Bereitschaft von Jugendlichen, sich in Partizipationsprojekten zu engagieren, sei, dass sie auch etwas bewirken. Dies aber bedeute, dass Politiker/-innen Macht abgeben müssten.
Auch Referent Jürgen Ertelt sieht die Angst vor Kontrollverlust und die Gefahr von Alibi-Projekten mit „handverlesenen Jugendlichen, mit denen Fragen und Antworten abgesprochen“ seien. Ertelt zieht daraus jedoch nicht den Schluss, Politiker/-innen sollten sich aus Partizipationsprozessen heraushalten. Im Gegenteil. Nötig sei ein Kommunikationskreislauf von Beteiligung mit festen und transparenten Spielregeln, in den Politik und Verwaltung verbindlich eingebunden sein müssten. Gerade was Transparenz und Verbindlichkeit von Prozessen betrifft, sieht Ertelt die Chancen der neuen elektronischen Beteiligungswege. Jugendarbeiter/-innen müssten in diesem Prozess Begleiter, Vermittler und Bereitsteller valider Information sein.
Mit den unterschiedlichen Rollen im Online-Beteiligungsprozess haben sich Referent Jörg Eisfeld-Reschke und sein Institut ikosom beschäftigt. Auch Eisfeld-Reschke sieht den bereits von Christina Rhode angesprochenen Qualifizierungsbedarf um auf diese Rollen und ihre unterschiedlichen Herausforderungen vorzubereiten. Qualifizierungsmodule müssten sich am „Blended Learning“ orientieren, einer Mischung aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning. „Es reicht nicht, dem Referenten zuzuschauen, wie er eine Software bedient, man muss es selber tun.“ Nur so könne man die eigene Rolle und die der anderen in einem Prozess verstehen lernen und Grundlagen digitaler Kollaboration erlernen.
Mit der „digitalen Kollaboration“ tut sich ein Teil des Publikums jedoch schwer. Zwischen Teilen der Pädagogik und den Anforderungen des digitalen Zeitalters klafft weiterhin eine kulturelle Kluft. Es lohnte daher besonders, den Praktiker(inne)n bereits bestehender Modellprojekte zuzuhören, um sich den Nutzen elektronischer Partizipationsverfahren vor Augen zu führen. Referent Mike Bourquin, Jugendpfleger der kleinen Gemeinde Offenbach an der Queich, kann von missglückten Beteiligungsprojekten ein Lied singen. In seinem kurzweiligen Beitrag schilderte er anschaulich, wie Jugendbeteiligung früher von oben eingefädelt wurde, wie die Ergebnisse bereits im Vorfeld feststanden und wie gering das Interesse von Kindern und Jugendlichen daran gewesen sei. Für die erfolgreichen neuen Projekte seien mehrere Faktoren maßgeblich gewesen: Die Offenheit des neuen Bürgermeisters, die Kooperation von Jugendarbeit und örtlichen Schulen sowie der Einsatz digitaler Werkzeuge. „Wir sind jetzt nicht mehr zeitlich und räumlich begrenzt“ sagt Bourquin. Jugendliche müssen nicht mehr an einem Treffen teilnehmen, sie kommen zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu Wort. „Das schöne ist“, findet Bourquin, „dass im Internet jede Stimme gleich laut ist. Wir hören jetzt auch die Jugendlichen, die sich sonst nicht trauen“.
Die vielen Praxisbeispiele aus der offenen Jugendarbeit, Schule und Jugendverbandsarbeit, die Softwarepräsentationen, die verdeutlichen, wie niedrig die technischen Hürden geworden sind, sind die überzeugendsten Argument dafür, neue Wege in der Jugendbeteiligung zu gehen. Die jugendlichen Beobachter/-innen der Tagung scheint das jedenfalls überzeugt zu haben. Die jungen Medientrainer/-innen des Bennohauses Münster waren den ganzen Tag über dabei und berichteten aus den einzelnen Sessions, in denen die Praxisbeispiele vorgestellt wurden, per Twitter. Zum Ende der Veranstaltung gaben sie nochmal eine Einschätzung auf der Bühne ab. Da sprudelten die Ideen, Meinungen, Lob und Kritik nur so. Beste Voraussetzungen für E-Partizipation.
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