Studie

Interaktionsrisiken im Internet – Kinder zwischen Schutz und Teilhabe

Kinder und Jugendliche brauchen Maßnahmen, die sie vor Interaktionsrisiken wie Mobbing und Cybergrooming schützen. Damit solche ihre Wirkung entfalten, müssen sie an die subjektiven Bewältigungsstrategien der Kinder und Jugendlichen angepasst sein. Um herauszufinden, wie Kinder und Jugendliche auf Interaktionsrisiken blicken und mit ihnen umgehen, hat das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes eine qualitative Studie durchgeführt.

02.11.2021

So wünschen sich Kinder Messenger als sichere Kommunikationswege vor allem mit Freundinnen und Freunden, Familie und Bekannten. Auf Social Media und besonders in Online-Spielen äußern sie eine größere Offenheit für Kontakte mit Unbekannten. Gleichzeitig haben sie hier ein hohes Schutzbedürfnis gegenüber aggressiven Interaktionen, unerwünschten Kontakten und negativen Kontakterfahrungen. Kinder kennen viele Möglichkeiten, um diese Risiken zu vermeiden, institutionelle Unterstützungswege wie Anlaufstellen in Schulen oder im Internet nennen sie selten. Zudem müssen sie teilweise abwägen, ob diese Unterstützungsmöglichkeiten nicht nur ihrem Schutz-, sondern auch ihrem Teilhabebedürfnis dienlich sind oder letzterem sogar entgegenstehen. Verschärft wird dies, wenn Schutzoptionen fehlen oder Handlungsbedingungen intransparent sind.

Das sind zentrale Ergebnisse der qualitativen Studie „Online-Interaktionsrisiken aus der Perspektive von Neun- bis Dreizehnjährigen“, die das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes erstellt hat.

Medienkompetenzförderung, Elternbildung und die Gestaltung der Medienangebote

„Die Studie zeigt auf, wie Kinder einerseits besser bei ihren Online-Interaktionen geschützt werden können, und andererseits ihre Teilhabebedürfnisse im digitalen Raum gewahrt bleiben. Dafür sind vor allem Medienkompetenzförderung und Elternbildung sowie die Gestaltung der Medienangebote und spezielle Kindermedienangebote wichtig. Dabei muss die Medienkompetenzförderung neben medienbezogenem Wissen eine von Kinderrechten geprägte Haltung vermitteln, die auch alle Erziehungsmaßnahmen der Eltern und anderer Unterstützungsangebote in Kita, Schule oder außerschulischen Orten prägen sollte. Kindern müssen das Spektrum der Interaktionsrisiken altersgerecht vermittelt und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Gleichzeitig erfordert eine Abschirmung vor Interaktionsrisiken durch technische Schutzeinstellungen ebenfalls pädagogische Begleitung. Eltern, die technische Jugendschutzeinstellungen nutzen, stellt sich die Aufgabe, den Übergang des Kindes zu einem eigenständigeren Umgang mit Interaktionsrisiken rechtzeitig vorzubereiten und ihm dadurch auch eine von den Eltern weniger kontrollierte Nutzung des Internets zu ermöglichen“, sagt Dr. Niels Brüggen, Leiter der Abteilung Forschung am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.

Das neue Jugendschutzgesetz bietet eine vielversprechende Grundlage

„Ein kinderrechtlich ausgewogener Kinder- und Jugendmedienschutz muss immer gleichermaßen Schutz und Teilhabe von Kindern gewährleisten und die Entwicklungsstände der Kinder berücksichtigen. Für eine gute Entwicklung brauchen Kinder ein sicheres Umfeld ebenso wie Freiräume zur persönlichen Entfaltung. Deshalb sollten alle Angebote, die von Kindern häufig genutzt werden, per Grundeinstellung ein hohes Schutzniveau bieten, auch wenn es sich nicht um ausgewiesene Kinderangebote handelt. Die Schutzniveaus von Medienangeboten sollten gleichzeitig stärker an die sich wandelnden Sicherheitsbedürfnisse anpassbar gestaltet werden, damit sie den Anforderungen unterschiedlicher Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. Um technische Möglichkeiten im Medienerziehungshandeln in Familien zu erleichtern, sollte die nach der Novellierung des Jugendschutzgesetzes neu geschaffene Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz entsprechende Standards und Lösungen im technischen Jugendmedienschutz gezielt fördern. Das neue Jugendschutzgesetz bietet eine vielversprechende Grundlage für eine stärkere Verantwortungsübernahme seitens der Medienanbieter. Diese Grundlage im Sinne von Kindern und Jugendlichen praktisch auszugestalten, liegt in der Verantwortung aller mit Jugendschutz befassten Akteure. Dabei sollten auch Medienangebote aktiv gefördert werden, die ausschließlich auf die Zielgruppe der Kinder ausgerichtet sind und ihnen ein geschütztes Experimentierfeld für eine kindgerechte Mediennutzung ermöglichen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Online-Interaktionsrisiken aus der Perspektive von Neun- bis Dreizehnjährigen

Die Studie „Online-Interaktionsrisiken aus der Perspektive von Neun- bis Dreizehnjährigen“ geht der Frage nach, wie Heranwachsende, die Social-Media-Angebote oder Online-Games nutzen, mit Risiken der Online-Interaktion umgehen. Erfragt wurde, mit wem sie in welchen Online-Umgebungen in Kontakt stehen, wie sie Interaktionsrisiken wahrnehmen und einschätzen, welche Erfahrungen sie diesbezüglich machen, welche Handlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ihnen präsent sind und wie sie diese bewerten. Die Studie bedient sich qualitativer Forschungsmethoden. Dafür wurden sowohl Einzelinterviews geführt, die durch kurze Elterngespräche ergänzt wurden, als auch Online-Erhebungsworkshops durchgeführt. Diese Workshops fokussierten auf die Bewertung von Handlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in Bezug auf potenziell riskante Online-Kontakte mit fremden Personen.

Die Studie erfolgte im Rahmen eines Projektes der Koordinierungsstelle Kinderrechte. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes begleitet die Umsetzung der aktuellen Strategie des Europarates für die Rechte des Kindes (Sofia-Strategie 2016–2021) und wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie kann unter www.dkhw.de/studie-online-interaktionsrisiken heruntergeladen werden.

Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Redaktion: Uwe Kamp

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