Digitalisierung und Medien

Herausragende Medienpädagogik – Dieter Baacke Preisträger 2018

Mit dem Dieter Baacke Preis haben das Bundesfamilienministerium und die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) Projekte ausgezeichnet, die zeigen, wie aktuell, vielseitig, visionär oder auch gut vernetzt Medienbildung heute sein kann. Herausragende Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen stehen dabei im Mittelpunkt.

19.11.2018

Wo und wie würden Sie gern Roboter einsetzen? Als Babysitter und Pflegekräfte? Als Haushaltshilfe? Im Alternate Reality Game Reise nach Utopia, einem medienpädagogischen Planspiel für 10 bis 13-Jährige, geht es sehr aktiv und kreativ zu. Kinder programmieren kleine Roboter und lernen dabei zugleich über die Folgen digitaler Technologie zu reflektieren. Hochkonzentriert und mit viel Spaß und Verve gehen sie dabei vor. Und die Methode und App #stadtsache regt Kinder dazu an, ihre Umgebung kritisch unter die Lupe zu nehmen: Was sollte verändert werden, damit wir Kinder uns wohl fühlen? Oder auch: Was gefällt uns? Medienpädagogik ist mehr als technische Bildung, es geht ums Ganze: Kultur, Politik, Gesellschaft, Individuum.

Weitere ausgezeichnete Projekte beschäftigen sich mit der kreativen und auch Kritik fördernden Zusammenarbeit von Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen vielfältiger Voraussetzungen und Hintergründe. In #rootsnvisions gestalten geflüchtete und nicht geflüchtete Jugendliche aus Bremen zusammen beeindruckende Medienkunst. In NeoEnkel beschäftigen sich Alt und Jung in Hamm über Generationen und Kulturen hinweg mit Fotografie und auch mit dem Thema Flucht. Oder Menschen mit Behinderung drehen in Berlin eigene Filmbeiträge zum Thema Wahl inklusiv. In der Öffentlichkeit und an Schulen finden die Filme großen Anklang. Mit Cybermobbing und mit Games, Themen, die fast alle Jugendlichen betreffen, setzen sich weitere Preisträger-Projekte sehr intensiv und aktiv auseinander. Und das Projekt Living Legends begibt sich auf mehreren Erdteilen medienpädagogisch auf Spurensuche: Jugendliche suchen und dokumentieren alte Legenden, setzen diese in Animationsfilmen um und präsentieren sie auch digital.

Mehr Bewerbungen als im Vorjahr

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verleihen seit 2001 gemeinsam die bundesweite Auszeichnung für herausragende medienpädagogische Arbeit. In diesem Jahr wurden noch mehr Projekte eingereicht als im Vorjahr: 168 Bewerbungen lagen der Jury vor, acht herausragende Projekte wurden prämiert, eines erhielt zudem eine „Besondere Anerkennung“.

Der Dieter Baacke Preis zeigt Beispiele und Methoden, wie aktuell, vielseitig, visionär oder auch gut vernetzt Medienbildung heute sein kann. Und wie Medienpädagogik bald überall aussehen sollte. Herausragende Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt des mit 12.000 € ausgezeichneten Preises.

„Der Preis inspiriert!“

„Hinter den herausragenden Projekten stehen Pädagoginnen und Pädagogen mit ihren kreativen Ideen und Methoden“, so Prof. Dr. Dorothee Meister, Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Die ausgezeichneten Projekte zeigten besonders gut, wie Medienpädagogik Menschen unterschiedlicher Voraussetzungen erreicht und anregt. Dies sei vor dem Hintergrund der GMK-Jahrestagung „Medienbildung für alle. Digitalisierung. Teilhabe. Vielfalt.“, die derzeit in Bremen stattfindet, besonders hervorzuheben. Die herausragenden Methoden gelte es weiter zu verbreiten und zu vermitteln. „Der Preis inspiriert! Die GMK wird sich weiterhin für eine breite Medienbildung stark machen, dies betrifft alle Menschen und alle Bildungsbereiche“, so Meister in ihrem Grußwort.

Der Dieter Baacke Preis wird in sechs verschiedenen Kategorien verliehen. Acht Projekte wurden in diesem Jahr ausgezeichnet. Ein Projekt wurde mit einer „Besonderen Anerkennung“ versehen. GMK-Kuratoriumsmitglied Ralph Caspers, bekannt unter anderem aus „Wissen macht Ah!“ und „Quarks“, hat die Preisverleihung moderiert.

Die Preisträger 2018

Kategorie A „Projekte von und mit Kindern“ (2.000 €)

Flucht nach Utopia – Kritisch kreatives Projekt zu Robotik und den Folgen
(Metaversa e.V. Berlin)
Programmieren lernen und gleichzeitig altersgemäß und mit viel Verve über ethische und gesellschaftliche Technikfolgen reflektieren: Dieser pädagogische Coup gelingt Metaversa mit ihrem Projekt.
Im Mittelpunkt steht ein Alternate Reality Game, bei dem sich die Schüler/-innen als Folge der Umweltzerstörung auf die Flucht zum Planeten Utopia begeben. Hier erwartet sie eine vollautomatisierte Welt. Um eine Panne des Raumschiffs zu beheben, benötigen sie einen Code. Den erhalten sie, wenn es ihnen gelingt, kleine Roboter zu programmieren. Im weiteren Prozess des Planspiels geraten sie durch abweichende Informationen in ein Dilemma: Wie ist es tatsächlich in einer vollautomatisierten Zukunft? Was möchte ich selbst tun, was will ich den Maschinen überlassen? Das medienpädagogische Projekt vermittelt den 10- bis 13-jährigen Schüler/-innen nicht nur technische Kenntnisse, es ermutigt sie zugleich, eine aktive Rolle bei der Gestaltung der zukünftigen Gesellschaft zu spielen.

Kategorie B „Projekte von und mit Jugendlichen“ (geteilt, je 1.000 €)

Sag was – eine polyperspektivische und multimediale Arbeitshilfe zum Thema Mobbing/Cybermobbing
(ZDS Berufsinternat, Solingen)
Ein dramatisches Cybermobbing-Setting regt Jugendliche an, aktiv und kreativ verschiedene Rollen anzunehmen und dieses medial umzusetzen. Als Mobbende, als Gemobbte, als Unterstützer/-innen der einen oder anderen Seite begeben sie sich spielerisch in Situationen, entwickeln Lösungen und erfahren Empathie.
Das von Jugendlichen und jungen Erwachsenen einer Berufsfachschule selbst entwickelte Projekt kombiniert technische, kulturelle und politische Aspekte: Inhaltlich zeigt es Handlungsalternativen im Fall von Cybermobbing/Cybergrooming auf, sensibilisiert für das Thema und lässt die Jugendlichen aktiv Lösungsansätze entwickeln. Technisch erwerben sie vielfältige Kenntnisse über digitale Medien, sie gestalten u.a. Podcasts, YouTube-Videos, Social Media-Fakes, Comics und Hörspiele zu dem Thema. Vor allem erfahren die Jugendlichen etwas über den kulturellen Kontext und die Wirkungsweisen medialen Handelns. Entstanden ist eine umfassende Medien-Box mit Methoden zur intensiven kreativen Reflexion von Cybermobbing und Cybergrooming und Fake News. Die Medien-Box mit viel Material und einem Begleitbuch für Lehrkräfte oder Sozialarbeiter/-innen lädt zur Adaption der Methoden ein.

#rootsnvisions – Wurzeln und Visionen
Geflüchtete und Bremer Jugendliche gestalten gemeinsam eine Videoprojektion

(Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V., Bremen)
„Wo komme ich her, wo will ich hin?“ zu diesem Thema entwickelten Jugendliche eine faszinierende audiovisuelle Fassadeninstallation.
Für das Projekt kamen Bremer Jugendliche aus verschiedenen Stadtteilen zusammen. Auch viele Jugendliche mit Fluchterfahrungen wirkten mit und brachten ihre Empfindungen und Erfahrungen zum Ausdruck. Die Jugendlichen arbeiteten über mehrere Monate sehr intensiv zusammen, erfuhren dabei auch viel über die Ähnlichkeiten von Träumen, Wünschen und Hoffnungen, über vermeintliche kulturelle Grenzen hinweg. Und sie erstellten für das Projekt Filme, Fotos, Slow-Motion-Videos, Zeichnungen, Animationen, Musik und Tanzchoreografien. Entstanden ist ein beeindruckendes Medienkunstprojekt im öffentlichen Raum, das auch als Methode medienpädagogischen Wirkens inspirierend wirkt.

Kategorie C „Interkulturelle und internationale Projekte“ (geteilt, je 1.000 €)

Living Legends – memory in motion
(Moviemiento e.V., Berlin)
Storytelling-International – Mythen sammeln, gestalten und digital verbreiten. Klassische Erzähltradition und digitale Kultur verbinden: In Filmwerkstätten, die in verschiedenen Ländern der Welt stattfinden, sammeln Jugendliche per Videodokumentation Legenden, die Ältere ihnen erzählen. Die aufgezeichneten Geschichten setzen sie in Storyboards und dann in künstlerisch gestalteten Animationsfilmen um.
Das Sammeln kultureller Spuren und mündlicher Erzähltradition wird so mit dem Erwerb vielfältiger Kompetenzen in Storytelling und Filmgestaltung verbunden. Die digitale Plattform von Living Legends trägt dazu bei, Kulturgut zu erhalten, Wissen zu teilen und dabei gleichzeitig den Dialog zwischen verschiedenen Generationen zu fördern. Ein Methodenhandbuch regt zu weiterer ethnographischer und kultureller Spurensuche an.

NeoEnkel – Ein intergeneratives und transkulturelles Fotoprojekt
(LAG Kunst und Medien NRW e.V., Dortmund)
Alte Fotoalben treffen auf Handy-Displays: In einer Einrichtung in Hamm leben geflüchtete junge Männer mit Senior(inn)en unter einem Dach. Diese heterogene Gruppe hat über mehrere Monate hinweg wöchentlich in einem Fotografie-Projekt zusammengearbeitet.
Die jungen Geflüchteten vermittelten den Senior(inn)en dabei Kenntnisse der digitalen Handyfotografie und sie erfuhren anhand der Fotoalben der Senior(inn)en auch vieles über deren Lebens-, teils auch Fluchtgeschichten. Generell experimentierten die beteiligten Bewohner(inn)en mit vielfältigen Möglichkeiten der Fotografie, tauschten sich aus und hielten auch nach dem Auszug einiger NeoEnkel Kontakt. Ein inspirierendes und gut übertragbares Modell für andere intergenerative oder transkulturelle Begegnungen.

Kategorie D „Intergenerative und integrative Projekte“ (2.000 €)

Wahl inklusiv – Menschen mit und ohne Behinderungen machen Filme
(Medienprojekt Berlin e.V.)
Gesichter, Stimmen, Ideen und Forderungen von Menschen mit Handicaps durch sie selbst in die Öffentlichkeit bringen: Video als Instrument der politischen Äußerung und gesellschaftlichen Teilhabe zu nutzen, das gelingt dem Projekt Wahl inklusiv auf herausragende Weise.
In den intergenerativen und inklusiven Workshops haben Menschen mit und ohne Behinderungen im Alter von 17 bis 63 Jahren unter medienpädagogischer Anleitung 18 kurze Filme rund um das Thema „Politik und Inklusion“ gedreht. Die Beiträge und filmischen Portraits wurden vielfach öffentlich in Berlin präsentiert und erzeugten sehr positive Nachwirkungen. Sie liefen zudem an Schulen und sind auf sozialen Netzwerken veröffentlicht.

Kategorie E „Projekte mit besonderem Netzwerkcharakter“ (2.000 €)

Spieleratgeber NRW – Computerspielkultur kreativ und kritisch im Netzwerk reflektieren
(Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW, Köln)
Kinder und Jugendliche als Expert(inn)en: Junge Spieletestergruppen in ganz NRW testen und beurteilen unter medienpädagogischer Anleitung aktuelle und interessante Games. Sie entwickeln zudem Projekte zum Thema „Coding“, „Let`s Play“, „Machinima“, „Making“ und reflektieren digitale Lebenswelten.
Die Medienpädagog(inn)en vom Spieletester gestalten gemeinsam mit Jugendlichen hierzu auch inklusive und intergenerative Settings. Zusätzlich arbeiten 20 Jugendliche an einer Jugendredaktion mit. An dem bereits 2005 gegründeten Netzwerk beteiligen sich über 30 Institutionen aus NRW mit eigenen Gruppen. Darunter sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Bibliotheken und Schulen. Ein herausragendes Netzwerk, das die Kritikfähigkeit von jungen Gamer(inn)en weiter ausbildet und sie zugleich in redaktionelle Prozesse und aktive Medienarbeit einbezieht. Beurteilungen, Video-Rezensionen und auch Informationen für Eltern und Pädagog(inn)en auf www.spieleratgeber-nrw.de.

Kategorie F „Projekte zum jährlichen Sonderthema 2018 – Kinderrechte in der digitalen Welt (2.000 €)

#stadtsache. Crossmediale Teilhabe an der Stadt.
(Anne Lachmuth, Lohmar)
Stadtentwicklung aus Kindersicht fördern: Die App und die Methode #stadtsache ermöglichen genau das. Und zwar ganz einfach. Mit der von Medienpädagogin Anne Lachmuth entwickelten App können Kinder überall und jederzeit ihre Umgebung und ihre Stadt unter die Lupe nehmen: Was gefällt mir, was sollte schnell mal geändert werden, wo sollte etwas für uns Kinder geplant werden?
Fotos, Sounds und Videos lassen sich mit Aussagen und Wünschen der Kinder kombinieren. Ein schönes niederschwelliges Modell digitaler Teilhabe, mit dem Kinder ihre Perspektiven einbringen und für ihre Rechte eintreten können.

Besondere Anerkennung

Zusätzlich wurde das Projekt Trickmisch mit einer Besonderen Anerkennung ausgezeichnet. Es kombiniert Sprachlernen mit digitalem Storytelling und einer sich weiterentwickelnden Plattform, die niederschwellig die kreative Gestaltung von Trickfilmen in vielfältigen Bildungskontexten ermöglicht.

Über den Dieter Baacke Preis

Der Dieter Baacke Preis richtet sich an Projekte außerschulischer Träger (z.B. Jugendzentren, Kindergärten, Träger der Jugendhilfe oder Familienbildung, Medienzentren und Medieninitiativen) und Kooperationsprojekte zwischen schulischen und außerschulischen Trägern. Die Projekte sollten im Vorjahr entstanden sein oder im laufenden Jahr bis zur Bewerbungsfrist beendet sein. Bewerben können sich Institutionen, Initiativen oder Einzelpersonen mit innovativen, originellen oder mutigen Projekten zur Förderung einer pädagogisch orientierten Medienkompetenz. Bewerbungsschluss ist der 31. Juli des laufenden Jahres. Ausführliche Informationen und Bewerbung: www.dieter-baacke-preis.de

Dieter Baacke (1934-1999) war Professor für Pädagogik an der Universität Bielefeld. Von 1984 bis 1999 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Sein pädagogisch begründeter Begriff der Medienkompetenz inspiriert dauerhaft Wissenschaft, Praxis und Politik.

Quelle: GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. vom 17.11.2018

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