Digitalisierung und Medien

Hate speech und digitale Gewalt haben eine Geschlechterdimension – djb sieht Handlungsbedarf

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert eine zügige Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dabei nimmt der Verband die digitale Gewalt gegenüber Frauen besonders in den Blick. Es gehe offenbar darum, dass Frauen, die sich politisch äußern, den öffentlichen Raum verlassen. Dies müsse mit wirkungsvollen Instrumenten bekämpft werden.

22.05.2019

Anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) am 15. Mai 2019 fordert der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) eine zügige Weiterentwicklung des Gesetzes. „Wir können es uns nicht leisten, tatenlos die für spätestens 2020 geplante Evaluierung abzuwarten!“, so djb-Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig. „Zu offensichtlich sind die Mängel des Gesetzes, und zu groß ist der Handlungsbedarf gerade auch im Hinblick auf digitale Gewalt gegenüber Frauen!“

Digitale Gewalt insbesondere gegenüber Frauen

Wersig wies darauf hin, dass insbesondere Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen und sich politisch äußern, im Netz Diskriminierung riskieren. „Offenbar geht es darum, Frauen zu zwingen, sich aus der Debatte zurückzuziehen, den öffentlichen Raum zu verlassen. Sie sind Pöbeleien, sexistischer Anmache, der Androhung von Vergewaltigung bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. Der Fall der österreichischen ehemaligen Politikerin Sigi Maurer ist ein prominentes und typisches Beispiel. Hate speech und digitale Gewalt haben eine Geschlechterdimension, und es ist höchste Zeit, dies zur Kenntnis zu nehmen und mit wirkungsvollen Instrumenten zu bekämpfen!“, so Professorin Wersig.

Vordringlicher Handlungsbedarf in drei Punkten

Das seit Oktober 2017 geltende NetzDG stellt für den djb dabei einen grundsätzlich notwendigen und sinnvollen rechtlichen Ansatz dar; allerdings haben sich bereits nach der kurzen Zeit seiner Anwendung Mängel und Schwachstellen gezeigt, deren Beseitigung keinen Aufschub duldet. Vordringlichen Handlungsbedarf sieht der djb in drei Punkten:

1. Einfaches an Verbraucherschutzmaßstäben orientiertes Meldeverfahren

Die rechtlichen Vorgaben in § 3 Abs. 1 NetzDG zur Vorhaltung eines leicht erkennbaren, unmittelbar erreichbaren und ständig verfügbaren Beschwerdeverfahrens werden von den Sozialen Netzwerken höchst unterschiedlich umgesetzt, teils so, dass Betroffene von Meldungen abgeschreckt werden. Teilweise wird verlangt, die einschlägigen Straftatbestände zu benennen, was suggeriert, es seien für die Beschwerde juristische Vorkenntnisse erforderlich; oder aber die angebotenen Möglichkeiten sind kaum auffindbar. Hier kann und muss der Gesetzgeber durch eindeutige gesetzliche Vorgabe eines einfachen, an Verbraucherschutzmaßstäben orientierten Meldeverfahrens rasch Abhilfe schaffen.

2. Transparenzberichte mit geschlechtsspezifischer Aufschlüsselung der Daten

Die in § 2 NetzDG verankerte Pflicht der sozialen Netzwerke zur regelmäßigen Erstellung von Transparenzberichten hat sich in ihrer derzeitigen Ausgestaltung bereits jetzt als ungenügend erwiesen. Die bisher vorgelegten Berichte sind aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben uneinheitlich und unverständlich. Dies hat zur Folge, dass die Berichte nicht miteinander vergleichbar und auch insofern wenig aussagekräftig sind. Der djb hält gesetzgeberische Vorgaben für unabdingbar, um zu einem Berichtswesen zu gelangen, das eine realistische Analyse der Wirksamkeit des Gesetzes ermöglicht. In diesem Kontext plädiert der djb auch für eine geschlechtsspezifische Aufschlüsselung der erhobenen Daten.

3. Zuständigkeitsbereich der zustellungsbevollmächtigten Person

Die Pflicht der sozialen Netzwerke zur Benennung einer inländischen zustellungsbevollmächtigten Person nach § 5 NetzDG ist ein notwendiges Kernelement für einen effektiven Rechtsschutz der Betroffenen. Es wird in der Praxis aber unterschiedlich interpretiert. Insbesondere wird der Zuständigkeitsbereich der benannten Zustellungsbevollmächtigten eng ausgelegt. Es müsste klargestellt werden, dass deren Zuständigkeitsbereich zivilrechtliche Ansprüche einschließt. Hier muss rasch nachgebessert werden.

Der djb hält zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Frauen im Netz und zur Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen ein Gesamtpaket von Maßnahmen für dringend erforderlich. Das NetzDG ist dabei nur ein Baustein. Deutschland hat sich im Februar 2019 mit der Ratifizierung der „Istanbul-Konvention“ verpflichtet, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen“.

Studien über Formen und Ausmaß digitaler Gewalt gegen Frauen

Bereits 2014 kam die Europäische Grundrechte Agentur zu dem Ergebnis, dass ein Zehntel aller Mädchen und Frauen über 15 Jahren mit Formen digitaler Gewalt konfrontiert war. Die Forschungslage ist insgesamt unbefriedigend, insbesondere fehlen für Deutschland aussagekräftige Studien über Formen und Ausmaß digitaler Gewalt gegen Frauen. Die Bundesregierung zitiert in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag verschiedene  internationale Untersuchungsergebnisse, die die besondere Betroffenheit von Frauen belegen; sie geht davon aus, dass sich mit der stetigen Zunahme der digitalen Kommunikation die Zahlen weiter erhöhen werden (BT-Drs.19/6174, PDF, 190 KB). Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe verzeichnet eine signifikante Steigerung der Beratungsanfragen zu digitaler Gewalt.

Die Frage, welche zusätzlichen rechtlichen Instrumente zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Frauen im Netz erforderlich sind, und wie die Abwehr und Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen wirkungsvoll gelingen kann, wird ein Schwerpunkt beim 43. Bundeskongress des djb am 13. September 2019 in Halle/Saale sein. Unter dem Titel „Digitaler Wandel: frauen- und rechtspolitische Herausforderungen“ werden unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung beleuchtet.

Quelle: Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 15.05.2019

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