Digitalisierung und Medien

Fachtagung zum Aufwachsen in mediatisierten Lebenswelten

Werden Meinungen im Netz nur proklamiert oder auch fundiert gebildet? Und welche Bedeutung kommt dabei netztypischen Diskursformen zu? Diese Fragen standen im Fokus der 15. Interdisziplinären Tagung „Meinung Netz Diskurs: Meinungsbildungsprozesse im Internet “ mit mehr als 130 Teilnehmenden in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).

09.12.2019

Heranwachsende bei Meinungsbildungsprozessen begleiten

„Politische Meinungsbildung erfolgt heute gerade bei den Jüngeren zum großen Teil im und über das Netz. Diese Verlagerung der Meinungs­macht hat auch die Art und Weise der politischen Kommunikation verändert – das sollte bei der Vermittlung politischer Bildung berück­sichtigt werden. Dabei gilt die Maxime: Meinungsfreiheit und Menschen­würde sind nicht verhandelbare Werte und müssen geschützt werden!“, sagte Siegfried Schneider, der Präsident der BLM, in seiner Begrüßung. Bayerns Staatssekretärin für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner betonte: „Der Einfluss von Social Media auf die politische Meinungsbildung von jungen Menschen ist heutzutage enorm. Unsere wichtigste Aufgabe ist es daher, Heranwachsenden Medien­kompetenz zu vermitteln und sie bei ihren Meinungsbildungsprozessen zu begleiten. Wir möchten jungen Menschen Handwerkszeug mit auf den Weg geben, damit sie kritisch und reflektiert mit den unterschiedlichen Quellen von Informationen aus dem Netz umzugehen lernen.“

Politische Meinungsbildung im Netz

Die Bedeutung der Chancen wie auch der Herausforderungen des Internets für die politische Meinungsbildung thematisierte Prof. Dr. Frank Fischer, der Vorsitzende des JFF – Institut für Medienpädagogik. Chancen böten Online-Diskurse, weil sie Individuen und Gruppen außerhalb der Massenmedien eine enorme Reichweite verschaffen könnten. Gesellschaftlich problematisch sei es jedoch, wenn Menschen im Internet nur noch Informationen suchten, die die eigene Meinung stützten und sich so vom öffentlichen Diskurs abkoppelten. Zudem stelle sich die Frage, welche Normen für den Diskurs und die Inhalte auf Online-Plattformen maßgeblich seien und welche Inhalte sanktioniert werden sollten.

Die Breite des Tagungsthemas zwischen individuellen Meinungsbildungsprozessen und der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung verdeutlichten Beispiele aus der medienpädagogischen Forschung von Dr. Niels Brüggen, Dr. Georg Materna und Eric Müller vom JFF. Bei Informationen zum Thema Flucht spielten beispielsweise gerade auch klassische Medien und deren Wechselwirkung mit Inhalten in sozialen Medien eine große Rolle. Bei politischen Diskursen würden Jugendlichen Kontroversen aus der Angst vor Shitstorms meiden und sich eher in semiprivaten Räumen, wie Gruppenchats, austauschen.

Über Prinzipien und Herausforderungen aktueller politischer Bildung sprach Dr. Christian Zimmermann von der Philosophischen Fakultät – Politikwissenschaft der Universität Siegen. Er skizzierte Möglichkeiten und Grenzen politischer Bildung und plädierte für eine kritische Auseinandersetzung mit der heutigen Auslegung und Praxis von Demokratie.

Memes in der Bildungsarbeit

Bilder und Memes als Bestandteile der Diskurskultur im Netz und ihre Bedeutung für die politische Meinungsbildung waren das Thema von Prof. Dr. Thomas Knieper und Michael Johann vom Lehrstuhl für Digitale und Strategische Kommunikation der Universität Passau. Politische Internet-Memes dienten dem Selbstausdruck, der Darstellung von Verbundenheit und wesentlich auch der Unterhaltung. Potenziale für die Meinungsbildung bestünden, da sie Informationen vermitteln, aber auch zur Mobilisierung genutzt werden können.

Mit seinem Vortrag zum Thema „Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Community-Standards – wer schützt was in Netzdiskursen?“ griff Rechtsanwalt Chan-jo Jun auf, dass Memes teils nicht den Anspruch hätten, Wirklichkeit abzubilden. Vielmehr enthielten Internet-Memes auch üble Nachrede und andere Verletzungen der Menschenwürde.

Anschließend diskutierten Uta Löhrer von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Dr. Christian Zimmermann, Chan-jo Jun und Michael Johann über das Thema „Das Netz als Gegenstand oder Ort für die politische Meinungsbildung?“ oder: „Wie kann das Netz ein konstruktiver Ort der demo­kratischen Meinungsbildung werden?“. Bessere Rechtsdurchsetzung auf der einen sowie mehr politische Bildung und Förderung von Medienkompetenz auf der anderen Seite seien in Zukunft unverzichtbar, so ein wesentliches Fazit der Runde.

Den inhaltlichen Schwerpunkt gab abschließend Canan Korucu, Co-Geschäfts­führerin von ufuq.de und Leiterin im Bund-Länder-Projekt bildmachen, mit einem Einblick in aktuelle Praxisentwicklungen und sprach über Erfahrungen mit Memes in der politischen Bildungsarbeit. Memes ließen sich sehr schnell und einfach erstellen und böten eine hohe Anschlussfähigkeit an jugendkulturelle visuelle Gewohnheiten. Im Prozess der Meme-Erstellung in den Workshops würden Diskurse und Reflexionsprozesse angestoßen, so Korucu, gerade auch wenn Memes kontrovers und mehrdeutig seien.

Weitere Informationen

Die Tagung endete mit einer Würdigung von 70 Jahren JFF. Kathrin Demmler, Direktorin des JFF, gab hierzu einen Rückblick mit den zentralen Meilensteinen des Vereins. In seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des JFF e.V. schnitt Klaus Lutz die Jubiläumstorte an.

Die Tagung wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) gefördert.

Links zu den vorgestellten Projekten:

Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien vom 02.12.2019

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