Digitalisierung und Medien

Fachtagung zu Politainment: Wie sich Jugendliche heute ihre Meinung bilden

Im Informationskosmos Internet fällt es Jugendlichen nicht immer leicht, das Angebot an politischen Informationen richtig einzuordnen. Wie sie sich ihre Meinung bilden und welche Rolle Politainment und mediale Inszenierung dabei spielen, war Thema der 4. Fachtagung Nutzerkompetenz in der Bayerischen Landes­zentrale für neue Medien. Die Teilnehmenden forderten u.a. mehr politische Bildung und Medienerziehung.

22.05.2018

Wie stark sich die politische Meinungsbildung von Jugendlichen geändert hat, zeigte zum Auftakt der Fachtagung der Filmtrailer mit einer Umfrage im Münchner Asamgymnasium: erst googeln, dann auf Newsseiten im Internet gehen, Informationen über Freunde oder in sozialen Netzwerken beziehen, über das Handy lesen und in YouTube stöbern, aber auch die Quellen genau prüfen. Ein Mediennutzungsverhalten, das BLM-Geschäftsführer Martin Gebrande im Grußwort mit Zahlen aus der MedienGewichtungsStudie belegte. 43 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen demnach Google als relevantes Informationsmedium, gefolgt von Facebook und YouTube. Keine Frage, so Gebrande, die „Macht der vernetzten Vielen“ in den sozialen Netzwerken gewinne zunehmend an Einfluss auf die politische Meinungsbildung bei Jugendlichen.

Personalisierte Nachrichtenkanäle nehmen zu

Diese These bestätigte – auf alle Altersgruppen bezogen – auch der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim in seiner Keynote. Der „informierte Bürger im Netz“ könne auch schnell zum desinformierten Bürger werden, zeigte Schweiger, denn die Nutzung journalistischer Quellen gehe zurück, während die Nutzung „alternativer Medien“ im Internet, darunter zum Teil algorithmisch personalisierte Nachrichtenkanäle, zunehme. Dazu käme die steigende Relevanz von Quellen mit ähnlichen Meinungen, was zum Hochschaukeln auch extremer Meinungen führen könne. „Wir alle sind im Netz medienkompetenzmäßig überfordert“, warnte Schweiger.

Wahlkampfkommunikation wird auf die Zielgruppe zugeschnitten

Wie notwendig die Aufklärung über solche Mechanismen in der Schule wäre, zeigten die Beispiele von Dr. André Haller zum Wahlkampf im Netz – ein Vergleich des CDU- und des FDP-Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 2017. Der FDP-Spot zeigt laut Haller die neue Ästhetik der medialen Inszenierung postmoderner Wahlkämpfe im Netz: schnelle Schnitte und eine hektische Audiountermalung sollen vor allem bei der jungen Zielgruppe Aufmerksamkeit wecken. Die Wahlkampfkommunikation, so der Kommunikationswissenschaftler von der Universität Bamberg, sei mittlerweile zur „Targetkommunikation“ geworden, die spezifische Nachrichten für bestimmte Ziele und Zielgruppen aufbereite.

Mehr politische Bildung und Medienerziehung gefordert

Kein Wunder, dass der Ruf nach mehr politischer Bildung und Medienerziehung an den Schulen immer lauter wird, wie Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) bestätigte. Doch das allein reiche nicht: „Wenn es Demokraten in Zukunft braucht, muss man Demokratie in den Schulen leben“, so die BLLV-Präsidentin. Eine Forderung, die auch Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands und BLM-Medienrat, unterstützte. Neben dem effektiveren Einsatz neuer Medien und der inhaltlichen Vertiefung sei insbesondere die Lehrkraft ein starkes Element bei der Vermittlung politischer Bildung, betonte Schwägerl. Doch das Thema kommt in der Schule offenbar zu kurz genauso wie die Quellenprüfung. Facebook & Co sei ein großes Problem im Zusammenhang mit der Uninformiertheit in puncto politischer Bildung, sagte Filippos Papageorgiou, Landesschülersprecher der beruflichen Schulen in Bayern. Auch Florian Schwegler, Landesschülersprecher der Gymnasien, forderte, Bewusstsein für die Risiken „neuer Medien“ zu schaffen.

Hatespeech und Extremismus im Netz

Zu diesen Risiken gehört auch die Verbreitung politisch extremer Positionen, wie BLM-Referentin Maria Monninger aus Jugendschutzsicht und Dr. Miriam Heigl von der Fachstelle für Demokratie der Stadt München verdeutlichten. Monninger zeigte Beispiele für Jugendschutzverstöße aus der Prüfpraxis aus dem Spektrum des Rechtsextremismus. Dass im Netz ein Radikalisierungsprozess zu bemerken sei, verdeutlichte Heigl an „Hatespeech“-Beispielen. Der Online-Enthemmungseffekt verstärke diesen Prozess.

Jugen Zuschauer(inne)n die Chance geben, sich einzumischen

Aber wie lasse sich im Kindes- und Jugendalter gegensteuern, damit eine solche Radikalisierung erst gar nicht entstehe, fragte Moderatorin Judith Horchert in der Abschlussrunde. Zum Beispiel mit politischen Informationen auf YouTube, wie sie Mirko Drotschmann, „MrWissen2go“, anbietet. Der Journalist hält eine Haltung für generell wichtig, aber die eigene Meinung sollte in redaktionell aufbereiteten Videos draußen bleiben, außer sie sei als solche gekennzeichnet. Linda Joe Fuhrich, die Moderatorin der Kindernachrichtensendung „logo!“, setzt auf die Interaktion mit den jungen Zuschauern, zum Beispiel auf Instagram. Deren Kommentare und Anregungen sind ihr sehr wichtig: Man müsse den jungen Zuschauern auf ihren Plattformen die Chance geben sich einzumischen. Und das in medialer Hinsicht bitte nicht mit „erhobenem Zeigefinger“, wie Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, anmerkte. Der öffentlichen Kritik an der wenig engagierten Jugend konnte sie sich nicht anschließen: „Das Gerede, dass die Jugend unpolitisch ist, ist völliger Blödsinn.“

Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien vom 17.05.2018

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