Digitalisierung und Medien
Deutscher Juristinnenbund fordert umfangreiche Maßnahmen gegen Hate Speech
Frauen sind mehr und anders von Gewalt im Netz betroffen als Männer. Darauf macht der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) aufmerksam und benennt in einem Policy Paper einen umfangreichen Forderungskatalog zur Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen. Der Verband sieht unterschiedliche Ansatzpunkte, mit rechtlichen Mitteln gegen Hate Speech vorzugehen, u.a. mit einer Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und einem digitalen Gewaltschutzgesetz.
05.11.2019
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert von der Bundesregierung unverzügliches und umfassendes Handeln, um Hass im Netz entgegen zu treten und stärker zu sanktionieren. Dabei müsse auch die lange vernachlässigte Geschlechterdimension in den Blick genommen werden. „Frauen sind mehr und anders von Hate Speech betroffen als Männer!“, so die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig. „Der Fall Renate Künast hat es noch einmal gezeigt: Frauen riskieren im Netz sexualisierte Angriffe – sexistische Anmache, pornografische Pöbeleien, die Androhung von Vergewaltigungen bis hin zu Morddrohungen. Dies ist nicht nur eine schwere Belastung für die Betroffenen, es verdrängt sie auch aus dem digitalen Raum. Das darf der Staat nicht hinnehmen, es geht um die Meinungsfreiheit, den Schutz vor Gewalt, die Grundfesten unserer Demokratie werden berührt!“
Dreiklang von Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus
Das von der Bundesregierung in der vergangenen Woche vorgelegte Maßnahmepaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität ist völlig unzureichend. Zwar gehen einige der noch wenig konkreten Eckpunkte in die richtige Richtung: so ist es begrüßenswert, wenn die strafrechtlichen Regelungen zu Hasskriminalität, insbesondere auch zu Beleidigung, den Besonderheiten des Netzes angepasst würden; auch wird der Ausbau der Präventionsprogramme befürwortet. „Es muss aber nicht nur gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sensibilisiert werden, ebenso notwendig ist es, dem massiven Antifeminismus der Täter Rechnung zu tragen! Der Anschlag in Halle/Saale, aber auch vergleichbare Terrorakte vorher haben gezeigt, dass in den diffusen Manifesten der Attentäter Frauenfeindlichkeit eine entscheidende Rolle spielt. Es gibt einen Dreiklang von Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus!“, so Wersig.
Maßnahmen zur Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen
In seinem aktuellen Policy Paper „Mit Recht gegen Hate Speech – Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen“ benennt der djb einen umfangreichen Forderungskatalog:
- Prioritär ist, wie vom djb bereits mehrfach gefordert, die Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Meldeverfahrens, gesetzliche Vorgaben für die Transparenzberichte, die Verankerung eines Put-Back-Verfahrens, eine normative Klarstellung zur sachlichen Zuständigkeit der Zustellungsbevollmächtigten, eine Prüfung der Erweiterung der bisher erfassten Plattformen, ein individueller Auskunftsanspruch gegenüber den Plattformbetreiber/-innen entsprechend dem Urheberrecht und ihre Pflicht, sämtliche Kopien von rechtswidrigen Äußerungen zu suchen, zu entfernen oder zu sperren. Unverzichtbar für eine geschlechtergerecht sachliche Evaluierung des Gesetzes ist eine geschlechtsspezifische Aufschlüsselung der Daten.
- Der djb begrüßt grundsätzlich die Idee eines digitalen Gewaltschutzgesetzes, das in einem richterlichen Verfahren die Löschung und/oder (zeitweilige) Sperrung von Accounts ohne Klarnamenpflicht ermöglicht. Unverzichtbar ist hier die Verbandsklage.
- Im Strafrecht fordert der djb, Hate Speech im digitalen Raum als Beleidigungsdelikt auch ohne Strafantrag der verletzten Person zu verfolgen, wenn dies den Interessen der verletzten Person nicht widerspricht. Dabei können auch für Beleidigungsdelikte eine Melde- und Beweissicherungspflicht sowie eine Speicherpflicht der Plattformbetreiber/-innen erforderlich sein. Die flächendeckende Einführung von Sonderstaatsanwaltschaften ist ebenso notwendig wie eine intensive Fortbildung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz. Außerdem muss die polizeiliche Definition von sogenannter „Hasskriminalität“ um das Merkmal „Geschlecht“ ergänzt werden. Im Übrigen verweist der djb auf seine schon bisher erhobene Forderung, das Opferentschädigungsgesetz auch auf Opfer psychischer Gewalt mit schweren Folgen auszuweiten. Dies ist für Betroffene von Hate Speech, die häufig mit erheblichen psychischen Folgen durch die Angriffe belastet sind, von großer Bedeutung.
Das djb-Policy Paper „Mit Recht gegen Hate Speech – Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen“ vom 4. November 2019 steht beim Deutschen Juristinnenbund e.V. zur Verfügung.
Quelle: Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 04.11.2019
Termine zum Thema
-
24.04.2024
Fortbildung: Umgang mit grenzüberschreitendem Verhalten im Team
-
10.06.2024
Inside JUGEND PRÄGT – Impulse für deine pädagogische Arbeit
-
17.06.2024
13. Baustelle Inklusion: "Entweder sind alle normal oder niemand!" - Diskriminierungskritische Perspektiven auf Inklusion und Ableismus in Kita und Grundschule
-
03.07.2024
„Ich bin doch nicht rassistisch, oder?!“ Perspektiven und Impulse zu kritischem Weißsein in der Jugendarbeit
-
04.11.2024
Betzavta – Demokratie erleben und lernen
Materialien zum Thema
-
Broschüre
Mitsprechen, mitbestimmen, mitgestalten – Praxiswissen zu Beteiligung in der Heimerziehung (SOS kompakt, Ausgabe 8)
-
Zeitschrift / Periodikum
Außerschulische Bildung 1/2024: Meinungsfreiheit und Protest
-
Broschüre
Broschüre „Politische Bildung und Jugendarbeit. Handreichung für eine verbindende Perspektive“
-
Zeitschrift / Periodikum
Außerschulische Bildung Nr. 4/2023: Gender und Diversity
-
Anleitung / Arbeitshilfe
Kartenset: Demokratie in Kita-Teams
Projekte zum Thema
-
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Kann Spuren von Rechts(populismus) enthalten – Zwischen modernen Mythen und radikalen Vereinnahmungen
-
Bund für Soziale Verteidigung e.V.
LOVE-Storm – Gemeinsam gegen Hass im Netz
-
BIG e.V.
BIG Prävention
-
EUROPAEISCHES JUGENDPARLAMENT IN DEUTSCHLAND EV
Facing Division, Finding Unity
-
mehr als lernen e.V.
Lebensunternehmer/-innen innovieren Schule
Institutionen zum Thema
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Landesverband Kinder- und Jugendfilm Berlin e.V.
-
Fort-/Weiterbildungsanbieter
Violetta - Fachberatungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
BellZett e.V.
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V.
-
Sonstige
Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.