Jugendsozialarbeit

Auf Online-Streife mit „fobba“

Ein junger Polizist ist Ansprechpartner für Jugendliche in Finnlands größtem sozialem Online-Netzwerk.

17.12.2009

Marko Forss
Bild: Niels Meggers, IJAB

Marko Forss ist Polizist in Helsinki und User „fobba“ in Finnlands größtem sozialen Netzwerk IRC-Galleria. Er ist Ansprechpartner für Jugendliche im Netzwerk. 

„fobba“ im Netzwerk IRC-Galleria: 
>> irc-galleria.net/user/-fobba- 

Marko Forss Seite bei der finnischen Polizei: 
>> www.poliisi.fi/irc-galleria 

Präsentation von Marko Forss zum Hintergrund seiner Arbeit:
>> Download im PDF-Format

Marko Forss hat seine Arbeit auf der trilateralen Konferenz "Challenges of the digital world – Innovations of media literacy and youth work", die vom 13. – 15. Dezember 2009 in Tallinn stattfand, vorgestellt. Mehr Informationen zu dieser Konferenz finden Sie hier:
>> zum Konferenz-Blog

Marko Forss ist Ermittler bei der finnischen Polizei in Helsinki. Er ist ein kräftiger Typ mit breitem Rücken und muskulösen Armen, dem man ansieht, dass er viel Sport treibt. Ein typischer „Bulle“ ist er nicht, eher jemand, den heranwachsende Jungen als Vorbild akzeptieren würden, als eine Art großer Bruder. Wenn Marko Forss auf Streife geht, dann nicht auf Helsinkis Straßen, sondern in IRC-Galleria, dem größten sozialen Online-Netzwerk für junge Leute – vergleichbar dem deutschen SchülerVZ. Allerdings ist er dort kein Ermittler, sondern einfach Ansprechpartner für Jugendliche. Wer Fragen zur Sicherheit seines Mopeds hat, gemobbt wird, über illegale Inhalte im Internet gestolpert ist, Zeuge oder Opfer einer Straftat geworden ist, der kann ihn ansprechen. In IRC-Galleria hat Marko Forss ein Profil, dort nennt er sich „fobba“. Seit „fobba“ vor etwas mehr als einem Jahr seine Arbeit begonnen hat, hat er etwa 50.000 Mails innerhalb des Netzwerkes bekommen. Zusätzlich diskutiert er gerne in den zahlreichen Gruppen von IRC-Galleria. Zum Beispiel bei der Gruppe „Anarchisten“, in denen sich jugendliche Autonome treffen. „Das waren mit die interessantesten Diskussionen“, sagt er. „fobba“ erreicht auch Jugendliche, die sich sonst nie an die Polizei wenden würden, junge Leute aus somalischen Flüchtlingsfamilien beispielsweise. 

Als „fobba“ in Aktion trat, war das die private Initiative von Marko Forss. Seine Vorgesetzten haben nicht genau verstanden, was er da tat, aber sie haben ihm freie Hand gelassen und ihm ein paar Stunden seiner wöchentlichen Arbeitszeit für die Online-Arbeit zugestanden. Inzwischen mach Forss fast nichts anderes mehr. Erst kam die große Resonanz der Jugendlich und dann ein sehr positives Medienecho. Da fingen seine Vorgesetzten an zu verstehen, dass Forss auf dem richtigen Weg ist. Inzwischen verstärken ihn ein Kollege und eine Kollegin, künftig werden sie eine eigenständige Einheit bilden. 

Wie können Jugendliche sicher sein, dass sie tatsächlich mit einem Polizisten sprechen und nicht mit irgendwem? „Von meinem Profil bei IRC-Galleria geht ein direkter Link zur Webseite der finnischen Polizei“, sagt Marko Forss, „und dort ist auch ein Foto von mir, das die Jugendlichen wieder erkennen. Zwischen den Jugendlichen und mir stellt sich schnell ein Vertrauensverhältnis her. Ich weiß nicht, ob das überall funktionieren würde, aber in Finnland hat die Polizei ein hohes Ansehen.“ Nicht immer geht es um Verbrechen, wenn sich Jugendliche an „fobba“ wenden, oft geht es um Ärger zuhause oder in der Schule. „Das Internet braucht definitiv Erwachsene, denen Jugendliche vertrauen können, die ihnen zuhören und die auch etwas tun können, wenn es nötig ist.“ Wann ist etwas nötig und was kann „fobba“ tatsächlich tun? „Ich hatte letztens einen Fall von Mobbing. Ein Mädchen hatte sich Schnittverletzungen an den Armen zugefügt, das fotografiert und in ihr Profil gestellt. Vielleicht war das eine Art Hilferuf, aber das Ergebnis war, dass sie in hunderten von Nachrichten an ihrer Pinnwand beschimpft wurde. Sie hat sich dann an mich gewandt. Ich habe ihr geschrieben, sie solle die Mobber wissen lassen, dass ich herausfinden könne, wer sie sind. Dass hat zuerst für große Heiterkeit auf der Pinnwand des Mädchens gesorgt. Dann habe ich dort selbst einen Eintrag gemacht und es war sofort Ruhe.“ 
„Es ist wichtig, dass Jugendliche merken, dass die Polizei für ihre Sicherheit da ist und dass es richtig war, mit mir zu sprechen“, sagt Forss. 

Marko Forss sieht seine Arbeit als einen Anfang. „Für manche Fragen, die an uns herangetragen werden, sind wir gar nicht ausgebildet. Wir verweisen dann an Psychologen oder Sozialarbeiter, aber es wäre gut, wenn man die direkt in den Online-Netzwerken finden könnte.“ Forss weiß, wovon er spricht. „Ich habe natürlich auch eine eigene Seite bei der finnischen Polizei, aber da gehen die Jugendlichen nicht hin. Stattdessen gehe ich dorthin, wo die Jugendlichen sind. Es wäre gut, wenn andere das auch täten.“ 

Forss Beobachtung deckt sich mit der von Medienpädagogen und -wissenschaftlern. Das Internet ist längst kein „virtueller“ Raum mehr, der sich scharf von der Lebenswirklichkeit seiner Benutzer trennen lässt. Gerade die sozialen Online-Netzwerke sind integraler Bestandteil der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen, in denen sie täglich Stunden ihrer Freizeit verbringen. Die Frage, warum es in dieser Lebenswelt keine Streetworker, Sozialarbeiter und Berater gibt, drängt sich auf. Braucht man für „Online-Streetwork“ besondere Kenntnisse? „Nein“, meint Marko Forss, „alles, was man wissen muss, lässt sich sehr leicht lernen. Soziale Online-Netzwerke wären nicht so erfolgreich, wenn sie schwer zu bedienen wären.“ 

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