Digitalisierung und Medien

Wie können Medien die politische Beteiligung Jugendlicher fördern?

In Zeiten von Fake News, Politikverdrossenheit und wachsendem Rechtspopulismus entstehen zahlreiche Initiativen, um eine demokratische Grundhaltung von Jugendlichen zu fördern. Oft werden diese Initiativen durch digitale Medien gestützt. Anhand von vier Beispielen illustrieren Studierende der TH Köln, wie medienpädagogische Angebote die politische Beteiligung von Jugendlichen fördern können.

06.07.2018

Medien stellen für Jugendliche eine Möglichkeit dar, sich mit der Welt verbunden zu fühlen, an ihr teilzuhaben, sich zu bilden und kreativ einzubringen. Insbesondere das Internet eröffnet vielfältige Gelegenheiten zur Partizipation und Interaktion: Inhalte können direkt und viral gepostet und kommuniziert werden. Die Besonderheit ist, dass Jugendliche selbst Einfluss auf Inhalte nehmen. Sie können sich somit sowohl für den Frieden und die Umwelt als auch für populistische und rechtsradikale Positionen einsetzen.

Politische Bildung und Medienbildung sind also eng miteinander verknüpft. Die Förderung von Medienkompetenz im Sinne einer kritisch-reflexiven, sozialverantwortlichen und kreativen Auseinandersetzung mit Normen, Werten und Ideologien sowohl im Mediensystem als auch in der Medienkommunikation stellt daher eine grundlegende Aufgabe politischer Bildung dar.

Potentiale digitaler Medien für die politische Beteiligung

Legt man die Wahlbeteiligung oder Mitgliedschaft in Parteien als Maßstab zugrunde, interessieren sich Jugendliche heute nur bedingt für politische Prozesse (Deutscher Bundestag 2017, S. 234). Das dieser Blick zu kurz greift, darauf weist allerdings der 15. Kinder- und Jugendbericht hin. Demnach engagieren sich Jugendliche sehr wohl, ehrenamtlich und in eher lokalen Zusammenhängen, sozialen Bewegungen und Protestszenen (ebd., S. 235ff.). Dabei wird dem Internet gemeinhin gern eine besondere Rolle zugesprochen. So erhoffte man sich die Wiederbelebung und Etablierung einer politischen Protestkultur auch, da das Netz sehr niedrigschwellige Möglichkeiten zur Partizipation bietet: E-Petitionen, Protestmailaktionen, Online-Diskussionen. Wenngleich tatsächlich gern und schnell Meinungen per Click geäußert werden, zeigt sich doch auch, dass das Internet derzeit von den meisten Jugendlichen in Bezug auf politische Inhalte und Aktionen weiterhin eher rezeptiv als Quelle für Informationen genutzt wird (Wagner u. a. 2015).

Aus Sicht  der politischen Medienbildung gilt es daher verstärkt die Partizipation von Jugendlichen auch online zu fördern Die folgenden Beispiele zeigen auf, wie medienpädagogische Angebote die Potentiale von digitalen Medien für die Förderung politischer Beteiligung nutzen können.

Young Refugees TV

Das Projekt ‚Young Refugees TV‘ des Offenen TV-Kanals Bielefeld e.V. eröffnet jungen geflüchteten Menschen in Deutschland Möglichkeiten, ihre Perspektive dazulegen. Die Jugendlichen produzieren Videos, persönliche Interviews mit Betroffenen und audiovisuelle Tutorials, die sie als mediale Sprachrohre nutzen, um ihre Erfahrungen und Positionen aufzuzeigen. Da die Flüchtlinge immer auch in der Stadt unterwegs sind, fördert das Projekt neben politischer Teilhabe auch die Erkundung des Sozialraums und die Interaktion mit Menschen vor Ort. Dabei spielen auch die Weiterentwicklung deutscher Sprachkenntnisse sowie die Wertschätzung kultureller Vielfalt eine Rolle. (Kanal 21 2017)

Ein solches Engagement wird manchmal auch belohnt. So wurde Young Refugees TV im November 2017 mit dem  Dieter-Baacke-Preis geehrt. Mit diesem Preis zeichnen die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und das Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend herausragende medienpädagogische Projekte aus, die einen kritischen Umgang mit Medien vermitteln und die Medienkompetenz der Beteiligten fördern. Dieter Baake verstand sich selbst als politisch agierender Mensch und betonte unter anderem eine proaktive Nutzung als Ausdruck der subjektiv-politischen Befindlichkeit. Gerade für junge Menschen gilt es, die digitalen Kommunikationsangebote sowohl für ihre individuellen als auch kollektiven Interessen zu nutzen.

TRUMP IT! Medienwahlkampf macht Schule

Auch das Projekt ‚Trump it!' des Instituts für Jugend Film Fernsehen Berlin-Brandenburg e.V. und der Aktiven Naturschule Prenzlau wurde mit dem Dieter-Baacke-Preis 2017 ausgezeichnet. Die Ausgangsfrage des Projekts ist: ‚Welche Rolle spielen Populismus, Fake News und Gerüchte für Wahlen in einer Mediendemokratie?‘ Sieben Tage lang simulierten Schüler/-innen einen Wahlkampf mit allen Facetten. Sie erstellten Werbeplakate, sendeten Twitter- und Facebook-Nachrichten und veranstalteten aktuelle Umfragen und Pressekonferenzen, in denen die Kandidat/-innen politische Reden hielten. Die Schule wurde zu einer „mediendemokratischen Bühne“ (JFF Berlin Brandenburg 2017), auf der politische Themen medial inszeniert und diskutiert wurden. Deutlich gemacht hat das Projekt: Wer sich interaktiv aufbereiteten Fragestellungen zur Nachrichten-Produktion oder Politik stellt, ist wie von selbst mitten im Thema, versteht Zusammenhänge und entwickelt Verständnis (JFF Berlin Brandenburg 2017).

Das Projekt: Politisches Berlin

Neben Fernsehen und Sozialen Medien gehören auch Computerspiele zur Lebensrealität von Jugendlichen. Auch sie können für die Förderung politischer Partizipation genutzt werden. Dies zeigt das Projekt ‚Politisches Berlin' von der Bundeszentrale für politische Bildung, in dem sich Spieler/-innen Wissen über politische Prozesse aneignen und das politische Berlin mit gestalten (bpb 2016). Das Spielfeld des Projekts ist das Computerspiel ‚Minecraft‘. Dabei handelt es sich um eine Art virtuelles Legospiel, bei dem Spieler/-innen online gemeinsam ein Haus, eine Stadt oder eine Landschaft bauen. Dank seiner einfachen Bedienung ist Minecraft für alle Jugendlichen gleichermaßen geeignet.

Im Projekt „Politisches Berlin“ erschließen sich die Spieler/-innen mit Minecraft zentrale Gebäude wie das Kanzleramt, den Bundestag oder die Ministerien und setzen sich mit den Funktionen der dort tätigen Personen auseinander. Bei einer anschließenden Exkursion nach Berlin tritt dann der persönliche Austausch mit politischen Entscheidungsträger/-innen in den Vordergrund. Die Annäherung an die Politik und politische Institutionen wird somit zu einem spielerischen und gestalterischen Erlebnis.

Jugend im Land 3.0 –

Digitale Demokratie- und Engagementförderung im ländlichen Raum

Das gestalterische Potential von Minecraft wird auch in dem Projekt ‚Jugend im Land 3.0‘ genutzt, das vom Verein KinderStärken e.V. durchgeführt wurde. In diesem Projekt steht nicht nur die reine Wissensvermittlung im Vordergrund, Jugendliche sollen sich vielmehr als politisch handelnde Individuen erleben – und zwar, indem sie sich mit Hilfe von Onlineanwendungen wie WhatsApp oder Minecraft aktiv in die Kommunalpolitik einbringen. So haben sie in dem Projekt mit Hilfe von Minecraft beispielsweise den Bahnhof der Gemeinde gestaltet und mitgeplant. Eine regelmäßig stattfindende Jugendkonferenz stellte sicher, dass ihre Wünsche und Bedüfnisse gehört wurden. Das Projekt zeigt, wie sich Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft konkret mit den Problemlagen in ihrem Lebensumfeld auseinander setzen und so das Zusammenleben in ihren Heimatgemeinden mitgestalten. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war auch, dass gegenseitige Vorurteile abgebaut werden konnten, sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Politiker/-innen (KinderStärken e.V. 2017).

Anforderungen an mediengestützte Angebote zur politischen Teilhabe

Die vorgestellten Projekte waren allesamt sehr erfolgreich – wurden sogar ausgezeichnet. Damit es keine Eintagsfliegen bleiben, sind nach den Erfahrungen des JFF München folgende Aspekte bei der Konzipierung von Medienbildungsangeboten für Jugendliche zu beachten (Wagner/Brüggen 2012, S. 29):  

  • Zunächst sind Begrifflichkeiten zu klären, denn die Frage ist: Was ist politisch? Ist Demokratieförderung gleichzusetzen mit der Förderung politischer Partizipation? Wie direkt oder indirekt kann Partizipation sein? Wie viel Teilhabe ist sinnvoll? Ist das Unterschreiben einer Online-Petition genauso partizipativ wie eine aktive Teilnahme an einer Demonstration?
  • Desweiteren sind mediale Räume zur politischen Partizipation zu öffnen und Projekte zu initiieren. Hier sind  zahlreiche Akteur/-innen aufgefordert sich zu beteiligen.
  • Angebote benötigen Anleitung und Unterstützung, denn erst mit einem fundierten Verständnis für Medien und deren Wirkung können diese von Jugendlichen reflektiert und als eigenständiges Sprachrohr genutzt werden.
  • Zur Lebenswelt von Jugendlichen gehören schulische wie außerschulische Räume. Deshalb sollten Angebote der schulischen wie außerschulischen Jugendbildung kooperieren und sich bestenfalls ergänzen, um möglichst viele Chancen zu politischer Partizipation anzubieten und Jugendliche mit ungleichen Teilhabevoraussetzungen zu erreichen.  
  • Die Angebote sollten Jugendlichen nicht nur Wissen vermitteln, sondern sie immer auch dazu motivieren, ihre eigene Meinung zu formulieren und sie in Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Politische Partizipation frühzeitig in den Blick nehmen

Politische Bildung beginnt bereits in Kindesjahren, das Interesse an Politik nimmt dann laut der 17. Shell-Jugendstudie aber insbesondere im Alter von zwölf bis 25 Jahren zu (2015, S. 4-5). Dieses Interesse lässt sich mit partizipativen Angeboten nutzen und fördern. Auf diese Weise können bereits früh Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht werden. Die bereits im Jugendalter gesammelten positiven Erfahrungen von Mitsprache, Mitbestimmung und Selbstbestimmung motivieren dann möglicherweise dazu, sich auch in Zukunft bürgerschaftlich zu engagieren.  Ausgangspunkt der politischen Partizipation sollte die Lebenswelt der Jugendlichen sein – und diese ist heute medial durchdrungen. Medienbildung und politische Kommunikation sind somit eng miteinander verwoben. Die Projekte Jugend im Land 3.0, Politisches Berlin, Trump it! und Young Refugees TV zeigen eindrucksvoll, welche Chancen in der Verknüpfung von Medienpädagogik und Politischer Bildung liegen können.

Autorinnen: Carina Frost, Mareike Mels und Viktoria Wierschem

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Köln im  Studiengang Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit (Master) entstanden. Die Studierenden haben sich über ein Semester mit den Herausforderungen der Digitalisierung für die Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt und fassen ihre Ergebnisse in verschiedenen Beiträgen auf dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe zusammen.

Literatur

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