Demokratiefördergesetz

Strukturen für Demokratie- und Jugendbildung im organisierten Sport langfristig stärken

Die Deutsche Sportjugend (dsj) begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, mit einem Demokratiefördergesetz im Rahmen von verfassungs- und haushaltsrechtlichen Vorgaben Projekte im Bereich der Demokratieförderung, der Vielfaltgestaltung und der Extremismusprävention verlässlich unterstützen zu wollen. Damit kommt die Bundesregierung einer seit Jahren formulierten Forderung vieler zivilgesellschaftlicher Träger nach. Die Deutsche Sportjugend hat im Rahmen des dazu einberufenen Konsultationsverfahrens eine Stellungnahme veröffentlicht.

29.03.2022

Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hat gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium (BMI) mit der Beteiligung der Zivilgesellschaft zum Demokratiefördergesetz begonnen. Mehr als 200 Dachverbände, Fachorganisationen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind eingeladen, in den nächsten Wochen ihre Ideen einzubringen. Grundlage ist ein von BMI und BMFSFJ gemeinsam erarbeitetes Diskussionspapier zu der geplanten Ausgestaltung des Gesetzentwurfs. Die Deutsche Sportjugend nimmt im Rahmen des Konsultationsverfahrens im Folgenden Stellung. Die Stellungnahme steht zum Download als PDF bereit. 

Stellungnahme der dsj im Wortlaut

Ein Demokratiefördergesetz bietet die Chance, Sportvereine und Zuschauersport als Orte der Begegnung und der konkreten Demokratiebildung durch Partizipation, Teilhabe und Vielfalt zu stärken – für Sport, Gesundheit, Bewegungsfreundlichkeit, Gemeinschaft, junges Engagement und eine starke Demokratie. Dafür sollten sich die Regelungsinhalte eines Demokratiefördergesetzes vor allem an folgenden Punkten orientieren:

  • Sportvereine und -verbände als Adressaten eines Demokratiefördergesetzes verstehen
  • Strukturen für Demokratie- und Jugendbildung im organisierten Sport langfristig stärken
  • Autonomie der Zivilgesellschaft wahren und vertrauensbasierte Zusammenarbeit vorsehen

Sportvereine und -verbände als Adressaten eines Demokratiefördergesetzes verstehen

Der gemeinnützige, organisierte Sport ist größter zivilgesellschaftlicher Akteur mit mehreren Millionen Engagierten und fußt auf demokratischen sowie kinder- und menschenrechtsbasierten Werten, die tagtäglich gelebt und innerhalb der Strukturen des organisierten Sports gelehrt werden. Die Kinder- und Jugendarbeit im Sport – und für das Arbeitsfeld insgesamt die Dachorganisation Deutsche Sportjugend mit ihren Mitgliedsorganisationen und deren Untergliederungen – setzt sich aktiv für eine vorurteilsarme Begegnung von jungen Menschen ein, stellt Beteiligungsräume zur Verfügung und tritt jeglicher Art von Hass, Gewalt, Hetze, Diskriminierung und Benachteiligung entgegen.

So sind Sportvereine nicht nur Orte der Bewegung, sondern sie gestalten Sozialräume und stärken die Zivilgesellschaft. Als elementarer Teil dieser widmet er sich idealerweise in seinen Strukturen vielfältigen Formen von Demokratiebildung. Es fehlt Sportvereinen und -verbänden bei ihrer demokratiestärkenden Arbeit allerdings häufig die professionelle Unterstützung, Begleitung und Vernetzung. Ein Demokratiefördergesetz, das hier unterstützende Grundlage bietet, sollte die existierenden Strukturen, die in weiten Teilen von ehrenamtlichem Engagement geprägt sind, nicht überfordern. Bestehende, gut funktionierende Förderstrukturen, auch im Sport, sollten durch die neue fördergesetzliche Regelung gestärkt werden. Der Ausbau bisheriger Förderaktivitäten sollte sich aus Sicht der Deutschen Sportjugend auch auf das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus im Sport erstrecken.

Strukturen für Demokratie- und Jugendbildung im organisierten Sport langfristig stärken

Der 16. Kinder- und Jugendbericht hat deutlich gemacht, dass junge Menschen ein Recht auf politische Bildung haben und dass auch Sportjugenden als Teil der Jugendverbandslandschaft diese politische Bildung umsetzen. Das neue Demokratiefördergesetz sollte sich – bei aller gebotenen Abgrenzung von ressortbezogenen Förderbereichen und facheigenen Systemlogiken – immer auch als Demokratiebildungsgesetz verstehen sowie ermöglichen, dass das Recht auf politische Bildung verbindlicher eingelöst und stärker verankert wird. Darüber hinaus kann und muss ein Demokratiefördergesetz einen wichtigen Beitrag zur verbindlichen und langfristig angelegten Stärkung dieser Arbeit leisten. Der strategische Ansatz muss weg von kurzer Projektförderung im Feld der Demokratie- und Jugendbildung im organisierten Sport hin zu langfristiger und dementsprechend nachhaltiger Förderung führen. Diese ist Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen Wirkung entfalten können, die an der Basis ankommen. Das gilt umso mehr, als dass häufig Ehrenamtliche vor Ort qualifiziert werden müssen. Für eine erfolgreiche Bildungs- und Präventionsarbeit sind ein langer Atem und Planungssicherheit in der Förderperspektive absolut essenziell und entscheidend.

Eine wichtige Funktion übernehmen hier die Jugendverbände von der Bundes- bis zur kommunalen Ebene. Als relevanter Teil der Zivilgesellschaft führen sie, gemeinsam mit den ihnen angeschlossenen Trägern, Angebote der politischen Bildung durch und bieten die Struktur dafür, demokratische Verfahren auszuprobieren und zu erlernen. Hiermit leisten sie bereits einen unmittelbaren Beitrag zur Demokratiestärkung. Ein Demokratiefördergesetz kann eine wichtige Säule zur Stärkung der Arbeit der verbandlichen Jugendorganisationen sowie entsprechender Förderpläne auf Landesebene und in Kommunen sein. Ein Zusammenspiel mit dem Kinder- und Jugendplan des Bundes als bewährtem Förderinstrument ist denkbar, darf aber keineswegs zu einem Ersatz führen.

Insbesondere die außerschulische Jugendbildung übernimmt zentrale Aspekte des angestrebten Engagements für demokratische Werte sowie einer gelebten Vielfalt. Die hier tätigen, häufig von Ehrenamtlichkeit geprägten Organisationen, benötigen fachliche Unterstützung, Fortbildungen und Schulungen, Vernetzungs- und Beratungsmöglichkeiten sowie ein bürokratiearmes Antragswesen. Die Deutsche Sportjugend hält vor dem Hintergrund dieser Bedarfslage an ihrer bereits vor der Bundestagswahl kommunizierten Forderung fest, eine aus Bundesmitteln geförderte Stabsstelle „Demokratiestärkung und Politische Bildung im Sport“ einzurichten. Gleichzeitig benötigen die Sportvereine und -verbände Vertrauen: Das Demokratiefördergesetz sollte ermöglichen, dass der Sport beispielsweise im Bundesfreiwilligendienst die politische Bildung seiner Freiwilligen selbst durchführen kann. Demokratiebildung muss Aufgabe der Jugendverbände bleiben bzw. werden. Die Sportjugenden als Sport- und Jugendverbände sind dabei schon jetzt Werkstätten der Demokratie.

Die Deutsche Sportjugend sieht die Stärkung von Demokratie an dieser Stelle ausdrücklich nicht auf Extremismusprävention reduziert. Es geht im Kern darum, insbesondere junge Menschen zu befähigen und in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken, damit sie ihr Recht auf Mitsprache und Mitgestaltung in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in ihren Sportvereinen, wahrnehmen können. Ziel muss es sein, Sportstrukturen so zu unterstützen, dass sie Teilhabe und demokratische Partizipation für alle ermöglichen können. Eine solche Stärkung zahlt auf gesamtgesellschaftliches Engagement ein und wirkt über das Handlungsfeld des Sports hinaus.

Autonomie der Zivilgesellschaft wahren und vertrauensbasierte Zusammenarbeit vorsehen

Die deutsche Zivilgesellschaft ist außerordentlich vielfältig und durch individuelle und gesellschaftliche Autonomie und Selbstorganisation gekennzeichnet. Diese gilt es zu wahren, da hierin gerade die Kraft der Zivilgesellschaft liegt. Mit dem Demokratiefördergesetz sollte eine rechtliche Grundlage für eine verbindliche, auf dem Subsidiaritätsprinzip fußende Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement in den Bereichen Demokratieförderung, Extremismusprävention und Vielfaltgestaltung geschaffen werden, um die Zivilgesellschaft handlungsfähig bzw. handlungsfähiger zu machen. Das Demokratiefördergesetz sollte dabei die Unterstützung solcher eigenständigen zivilgesellschaftlichen Verbände und Organisationen fokussieren, die bereits seit vielen Jahren bedeutende Arbeit im Themenfeld leisten. Diese greifen oft auf gewachsene Strukturen zurück, die auf Mitgliederengagement basieren und in der Breite wirken können.

Wesentlich ist zudem eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen. Ein Demokratiefördergesetz und seine abzuleitenden Förderrichtlinien darf die Arbeit von Verbänden – solange diese erkennbar auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung agieren – keinen weiteren Extremismus- und verfassungsschutzrechtlichen Prüfungen unterwerfen. Des Weiteren sollte sichergestellt sein, dass die Gemeinnützigkeit von Vereinen und Organisationen auch bei der Befassung mit politischen Projektthemen (Stellungnahmen, Fachveranstaltungen) stets ungefährdet bleibt, und mehr noch, dass ein solches Gesetz eine solche selbstständige Befassung mit gesellschaftspolitisch relevanten, aktuellen Themen wohlwollend fördert.

Abschließend unterstützt die Deutsche Sportjugend die im Diskussionspapier benannte Absicht zur Einrichtung einer wissenschaftlichen Begleitung mit einer Zentrierung auf die Wirksamkeit der Maßnahmen ausdrücklich. Aus vielseitiger Projekterfahrung ist bekannt, dass für eine erfolgreiche wissenschaftliche Begleitung ein unabhängiges Institut gewählt und Haushaltsmittel in entsprechender Höhe bereitgestellt werden müssen. Ziel sollte die Stärkung der geförderten Projekte sein und keine Kontrolle im Sinne einer reinen ökonomischen Nutzbarkeitsrechnung und unter Innovationsparadigma.

Die Deutsche Sportjugend steht für den weiteren Fachaustausch zur Verfügung und würde es begrüßen, als eine der Adressaten des Demokratiefördergesetzes und als Expertin in der eigenen Sache im weiteren Gesetzgebungsprozess eingebunden zu werden.

Quelle: Deutsche Sportjugend (dsj) vom 21.03.2022

Redaktion: Kerstin Boller

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