Demokratie

Meldestelle für antisemitische Vorfälle RIAS Bayern startet

Opfer und Zeugen antisemitischer Vorfälle können sich ab dem 1. April an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) wenden. Die Einrichtung registriert und analysiert Fälle von der Belästigung bis zu strafrechtlich relevanten Handlungen. Die Meldestelle stellt ein niedrigschwelliges Angebot für Betroffene und Zeugen dar und ist zunächst beim Bayerischen Jugendring angesiedelt.

01.04.2019

„Wir wollen das Ausmaß des Antisemitismus in Bayern abbilden. Sei es, dass ein jüdisches Kind in der Schule abfällige Kommentare zu hören bekommt oder Israel als Apartheidstaat bezeichnet wird, wir bieten einen Anlaufpunkt“, sagte Leiterin Annette Seidel-Arpacı bei der Vorstellung von RIAS Bayern.

Mit dieser niedrigschwelligen Meldestelle wird ein wichtiges Anliegen des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales und des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus erfüllt. Im Bayerischen Jugendring (BJR) haben sie einen wichtigen Partner gefunden. Unter dem Dach des BJR kann RIAS Bayern mit Mitteln des Bayerischen Sozialministeriums zunächst die Arbeit aufnehmen, ab 2020 soll ein zivilgesellschaftlicher Verein als Träger fungieren.

Veröffentlichung der Vorfälle auf Wunsch der Meldenden

Auf Wunsch der Betroffenen oder Zeugen veröffentlicht RIAS Bayern antisemitische Vorfälle und macht Behörden, Politik, Medien und Zivilgesellschaft auf diese aufmerksam. Zentrales Prinzip ist der Vertrauensschutz: Die Meldenden entscheiden, wie mit ihren Informationen umgegangen werden soll. Vorfälle können über die Online-Plattform www.rias-bayern.de und per Telefon gemeldet werden. Die Einrichtung vermittelt verschiedene Beratungsangebote, z.B. im juristischen oder psychosozialen Bereich.

Antisemitismus sichtbar machen

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales finanziert die Meldestelle RIAS Bayern mit 381.000 Euro. Sozialministerin Kerstin Schreyer betonte: „Antisemitismus ist ein Problem der gesamten Gesellschaft und in seinen unterschiedlichen Ausprägungen nicht immer leicht zu erkennen. Daher sehe ich in der Arbeit von RIAS Bayern die Möglichkeit, Antisemitismus sichtbar zu machen und dadurch für seine verschiedenen Gesichter zu sensibilisieren. RIAS Bayern ist ein wichtiger Baustein für die Prävention von Antisemitismus in Bayern.“

Vorfälle jenseits der Behörden melden

Für das Jahr 2019 ist RIAS Bayern beim BJR angesiedelt. „Seit seiner Gründung tritt der BJR für eine demokratische und weltoffene Gesellschaft ein. In unserer Verantwortung für das Max Mannheimer Haus in Dachau und auch im Rahmen unseres intensiven Jugendaustauschs mit Israel stellen wir fest: Antisemitismus wird stärker und lauter. Wir freuen uns daher, mit RIAS Bayern einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus leisten zu können“, sagte BJR-Präsident Matthias Fack.

Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, begrüßt die Einrichtung der Meldestelle. „Die Betroffenen haben manchmal eine Scheu, zur Polizei zu gehen, oder halten den Vorfall für nicht relevant genug, um ihn anzuzeigen. Dennoch leiden sie unter dem, was sie erlebt haben. Daher bietet RIAS eine sehr gute und niedrigschwellige Möglichkeit, jenseits der Behörden Vorfälle zu melden. Das hilft den Betroffenen sehr und verschafft uns ein realistisches Bild über Antisemitismus und seine Erscheinungsformen in Bayern“, sagte er.

Regionale Verankerung ist wichtig

RIAS Bayern arbeitet eng mit dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus zusammen. Dessen Vorstandsmitglied Benjamin Steinitz erklärte: „Wir begrüßen, dass RIAS Bayern ihre Arbeit aufnimmt, und freuen uns sehr auf die Kooperation. Aus der Arbeit von RIAS Berlin wissen wir, wie wichtig eine regionale Verankerung und eine Ansprechbarkeit vor Ort für Betroffene und ein funktionierendes Unterstützungsnetzwerk ist. Gleichzeitig bildet der Start von RIAS Bayern einen wichtigen Schritt hin zu einer flächendeckenden und bundesweit einheitlichen Dokumentation antisemitischer Vorfälle.“

Für die Einrichtung einer niedrigschwelligen Meldestelle eingesetzt hatte sich Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. „Die wachsende Zahl der Straftaten macht diese Meldestelle unverzichtbar. Das Melderegister kann aus meiner Sicht entscheidend dazu beitragen, Antisemitismus in seinen Ausprägungen im Alltag sichtbar zu machen, und liefert einen Ansatz, dagegen anzugehen. Über die Meldestelle hinaus muss es uns aber ein Anliegen sein, dass jüdisches Leben in seiner Vielfalt sichtbar wird“, so Spaenle.

Erfassung der Vorfälle anhand internationaler Antisemitismusdefinition

Die Erfassung der Vorfälle orientiert sich an der Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken, die Antisemitismus als „eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann“, beschreibt. Laut der Definition richtet sich Antisemitismus in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Personen, deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus könne auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.

Quelle: Bayerischen Jugendring vom 27.03.2019

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