„Shalom Deutschland“

Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus starten

Mit 80 Kooperationspartnern, rund 150 Veranstaltungen überall in Deutschland und der bundesweiten Kampagne „Shalom Deutschland“ machen die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus auf den alltäglichen Antisemitismus aufmerksam und fordern: Es reicht, Schluss mit den Sonntagsreden! Das gemeinsame Projekt der Amadeu Antonio Stiftung und des Anne Frank Zentrums fordert die gesamte Gesellschaft mit einer Kampagne zum entschlossenen Handeln gegen jede Form des Antisemitismus auf.

06.10.2021

Das Jahr 2021 ist ein Festjahr, in dem 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert wird. Doch zu jüdischem Leben gehört auch seit Jahrhunderten alltäglicher Antisemitismus. In diesem Jahr zeigte sich offener Judenhass und ein Hoch an antisemitischen Verschwörungsmythen im Kontext der Corona-Pandemie genauso wie antisemitische Eskalationen auf deutschen Straßen im Zuge des Nahostkonflikts. Auf israelfeindlichen Demonstrationen wurde Israel mit antisemitischen Bildern als Inbegriff des Bösen dargestellt und Juden der Tod gewünscht, vor Synagogen kam es zu Protesten und Ausschreitungen.

Kampagne will „Finger in die Wunde legen"

„Die diesjährige Kampagne will den Finger in die Wunde legen. Denn viel zu oft wird über Antisemitismus nur zaghaft gesprochen, wird er verharmlost oder umständlich beschrieben, obwohl er sich am Ende doch nur gegen jüdisches Leben richtet“, erklärt Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. „Deshalb sagen wir bewusst provokant und mit jüdischem Selbstbewusstsein: ‚Shalom, ihr Aufarbeitungsweltmeister, ihr Verharmloser, Augenwischer oder Phrasendrescher. Es reicht!‘“

Die Kampagne ruft aber auch den Verbündeten und Standhaften im Kampf gegen jeden Antisemitismus ein Shalom entgegen.

Politische Bildung muss besser aufgestellt sein gegen Antisemitismus

An die neue Bundesregierung richtet sich Anetta Kahane mit deutlichen Worten: „Wenn die Regierung es ernst meint mit dem Bekenntnis zu Jüdischem Leben, dann braucht es mehr als Festreden. Es braucht Schutz jüdischer Einrichtungen und Synagogen. Juden müssen wieder das Gefühl bekommen, dass sie sich nach antisemitischen Anfeindungen an die Polizei wenden können, weil diese ernst genommen und nicht ergebnislos eingestellt werden. Und es muss endlich eine gut aufgestellte politische Bildung gegen Antisemitismus in all seinen Formen geben, ob von rechts, links, von Islamisten oder in Form von Verschwörungserzählungen.“

150 Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne

Zum 19. Mal findet diese bundesweit größte Kampagne gegen Antisemitismus statt. Durchgeführt werden sie von den Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus, die Teil des Maßnahmenkatalogs des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus sind. Rund um den 9. Oktober, dem Jahrestag des Terroranschlags von Halle (Saale), und den 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, finden rund 150 Veranstaltungen statt, die für Antisemitismus sensibilisieren und über das Judentum aufklären. Darunter befinden sich Film- und Theatervorführungen, Stadtrundgänge und Zeitzeugengespräche sowie Vorträge und Workshops. In mehreren Städten werden Projektionen antisemitischer Vorfälle an öffentlichen Gebäuden durchgeführt, um sichtbar zu machen, was Juden tagtäglich ohne große Aufmerksamkeit und gesellschaftliche Empörung erleben.

„All die verschiedenen Veranstaltungs- und Bildungsformate sind Ausdruck einer gelebten demokratischen Kultur“, sagt Veronika Nahm, Geschäftsführerin des Anne Frank Zentrums. „Doch diese Kultur gibt es nicht ohne Grund, dahinter stecken zahlreiche Engagierte, die sich tagtäglich gegen Antisemitismus einsetzen. Die letzten Jahre zeigen uns, dass sich wirklich etwas ändern muss. Die Bildungsarbeit steht vor gigantischen Herausforderungen. Deswegen braucht es eine langfristig gedachte Perspektive und Finanzierung für die demokratische Zivilgesellschaft.“

Während der Bildungs- und Aktionswochen werden zwei Publikationen veröffentlicht, die auf aktuelle Diskussionen reagieren und über aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus aufklären:

  • Die Broschüre „Deconstruct antisemitism!“ entschlüsselt antisemitische Metaphern und Symbole und erklärt, was an ihnen antisemitisch ist. Denn Antisemitismus ist nicht immer leicht zu erkennen, manchmal versteckt er sich in Codes oder kommt unter dem Deckmantel der sogenannten Israelkritik daher.
  • Das zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus erscheint voraussichtlich zum 9. November. Es ordnet aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus und aktuelle Debatten ein. Interviews und Forderungen an Politik wie Zivilgesellschaft runden den Blick auf das vergangene Jahr ab. Ab dem Erscheinungsdatum steht es auf Seiten der Amadeu Antonio Stiftung zum Download bereit.

„Die neue Veröffentlichung zur Dekonstruktion von Antisemitismus schließt eine Lücke, weil immer wieder die Frage aufkommt, was der antisemitische Gehalt in bestimmten Codes oder Äußerungen genau ist“, so Dr. Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. „Judenhass muss als solcher erkannt und benannt werden, um ihn bekämpfen zu können. Die Publikationen bieten hier hilfreiche Wegweiser“, so Klein.

Mit Blick auf die rechtsterroristischen Anschläge in Halle und Hanau richtet er sich an die neue Bundesregierung: „Die Bildungs- und Aktionswochen sind wichtiger denn je. Auch von der künftigen Bundesregierung wünsche ich mir deutliche und parteiübergreifende Unterstützung aller, Standhaften und Verbündeten, die sich gegen Antisemitismus engagieren.“

Alle Infos zu den Bildungs- und Aktionswochen unter: www.shalom-deutschland.de.

Die „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“ sind ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung in Kooperation mit dem Anne Frank Zentrum und werden gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.

Quelle: Amadeu Antonio Stiftung vom 05.10.2021

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