Demokratie

Amadeu Antonio Stiftung: Demokratie in Gefahr – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD

Die Amadeu Antonio Stiftung warnt davor, die AfD als Partei zu verharmlosen. Sie habe mit ihren Angriffen auf die liberale Demokratie die Programmatik der NPD modernisiert und anschlussfähig gemacht. Sie höhle die Demokratie von innen aus, greife die Grundrechte an und versuche, Verteidiger der Demokratie gezielt unter Druck zu setzen.

19.08.2019

In ihrer Handreichung analysiert die Amadeu Antonio Stiftung auf knapp 80 Seiten Geschichte, Auftreten und  parlamentarische Praxis der AfD und setzt sich mit dem Verhältnis der Partei zu Zivilgesellschaft, Gleichstellungspolitk und politischer Bildung auseinander. Die AfD habe sich seit 2013 von einer „Professorenpartei“ radikalisiert und es geschafft, einen Schulterschluss zur rechtsextremen Szene herzustellen und deren Programmatik in die Parlamente zu tragen. Dabei nutze sie Anfragen und Debatten in den Parlamenten, sowie Gesetzentwürfe und Gremienarbeit, um die Demokratie von innen heraus anzugreifen. Viele Institutionen würden eine massive Einschränkung ihrer Arbeit erfahren. Zu diesem Ergebnis kommt die Handreichung „Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ (PDF 2,9 MB), welche die Amadeu Antonio Stiftung am 13. August 2019 der Öffentlichkeit vorstellte.

Die AfD als erfolgreiche NPD?

„Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm der extremen Rechten entwickelt, die die Demokratie wie nie zuvor in ihren Grundfesten angreift. Die AfD ist die erfolgreiche NPD. Sie hat üppige finanzielle Mittel und geschulte Kader, um ihren Feldzug gegen die Demokratie zu führen“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. „Die AfD macht längst keinen Hehl mehr aus ihrer Demokratiefeindlichkeit. Ob Politik, Medien, Schulen, Vereine, Kunstschaffende –  die AfD hat zum Rundumschlag gegen alle ausgeholt, die die Demokratie verkörpern.“

Angriff auf verfassungsgemäße Grundrechte

Neben der Migrationspolitik als zentralem Thema ihrer Propaganda, greife die AfD auch demokratische Grundsätze in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Bereichen an. Die AfD wolle die staatliche Förderung von politischer Bildung außerhalb von Parteien unter Strafe stellen, sie schließe Medien von Parteitagen aus und diffamiere Medienschaffende, sie lasse die Angehörigen von Minderheiten zählen, stelle Lehrerinnen und Lehrer an den Pranger und versuche in die Kunstfreiheit von Theatern einzugreifen.

Diffamierung demokratischer Akteure und Verächtlichmachung von Frauen

Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte würden von massiven Angriffen auf ihre Arbeit berichten: „In vielen Kommunalparlamenten und Kreistagen stellen AfD-Abgeordnete Gleichstellung und damit einen Verfassungsauftrag infrage“, erklärt Susanne Löb, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. „Wenn es sich anbietet, um gegen Migranten zu hetzen, bringt sich die AfD als Beschützerin der Frauen in Stellung. In Wahrheit verfolgt sie eine Politik, die sich gegen Gleichstellung und Emanzipation richtet und macht Frauen verächtlich.

Im Gegensatz zu Zielen und Werten der Jugendverbände

„Die AfD steht für eine zutiefst menschenfeindliche Agenda und ein völkisches und autoritäres Weltbild. Das steht im absoluten Gegensatz zu den Zielen und Werten der Jugendverbände.“, kritisiert Lisi Maier, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendring (DBJR). „Nicht nur die politischen Inhalte, auch der Politikstil der AfD ist aus unserer Sicht unvereinbar mit einer modernen, vielfältigen und jugendgerechten Gesellschaft.“

Wie Träger der politischen Bildung um ihre Zukunft bangen müssten, zeige das „Dorf der Jugend“ im sächsischen Grimma. Der Verein des von Jugendlichen selbst aufgebauten Projekts beantragte Ende 2018 die Anerkennung als freier Träger, um die Sozialarbeit ausbauen zu können. Weil der Verein aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung mit der AfD vermeintlich nicht neutral sei, wurde diese Anerkennung zunächst verwehrt und erst nach langem Ringen erteilt.

Arbeit von Trägern der politischen Bildung unmöglich machen

„Es ist einfach nur zynisch, wenn die Förderung von ganz praktischer Demokratiearbeit auf der Kippe steht, weil Ämter im vorauseilenden Gehorsam gegenüber einer Partei handeln, die die Demokratie selbst angreift“, sagt Tobias Burdukat, Sozialarbeiter und Projektinitiator. „Die AfD verfolgt die Strategie, die Arbeit von Trägern der politischen Bildung unmöglich zu machen. Sie setzt Träger unter Druck, will Gelder streichen, Engagierte mundtot machen und stellt politische Bildung grundsätzlich infrage. Wenn eine Partei Menschen, die politische Bildung betreiben, im Gefängnis sehen will, müssen alle Alarmglocken schrillen.“

Die sächsische AfD-Landtagsfraktion habe einen Gesetzentwurf formuliert, der die staatliche Förderung von politischer Bildung außerhalb von Parteien verbiete und bei Zuwiderhandlung Geld- bzw. Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vorsieht.

Amadeu Antonio Stiftung rät zu klarer Positionierung

„Wer die AfD jetzt immer noch als rechtspopulistische oder demokratische Partei bezeichnet, verharmlost, wie konkret die Demokratie in Gefahr ist. Viele Institutionen machen sich Gedanken, wie sie sich jetzt gegen die Rechtsradikalen und für die liberale Demokratie positionieren können. Es gibt eine große Solidarität der Betroffenen untereinander, doch das reicht nicht“, führt Timo Reinfrank aus. „Es ist höchste Zeit für einen gesamtgesellschaftlichen Konsens zur Ächtung der Rechtsradikalen. Dazu gehört auch das überparteiliche Einvernehmen, dass ein Anbiedern an die AfD sie nur stärkt.“

Mit ihrer neuen Handreichung zeigt die Amadeu Antonio Stiftung, wie sich Institutionen gegen Angriffe wehren können. Eine zentrale Empfehlung der Stiftung ist es, sich in der Satzung oder einem Leitbild zu demokratischen Grundwerten zu positionieren. Auf dieser Grundlage können Strategien gegen Anfeindungen und Versuche der Vereinnahmung entwickelt und begründet werden.

Handreichung der Amadeu Antonio Stiftung

In ihrer Handreichung analysiert die Amadeu Antonio Stiftung auf knapp 80 Seiten die Geschichte der AfD, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit und ihre parlamentarische Praxis im Deutschen Bundestag, in den Landtagen und den Kommunalparlamenten. In weiteren Kapiteln setzt sich die Veröffentlichung mit Angriffen der Partei auf die Zivilgesellschaft, die Gleichstellungspolitik und die politische Bildung an Schulen und in außerschulischen Kontexten auseinander. In einem eigenen Kapitel untersucht die Stiftung die Bedeutung der AfD für die Kinder- und Jugendarbeit. Am Beispiel von Hannover wird nachgezeichnet, welche Auswirkungen die Übernahme des Vorsitzes eines Jugendhilfeausschusses durch ein Mitglied der AfD-Fraktion hat. Die einzelnen Kapitel der Handreichung schließen jeweils mit Handlungsempfehlungen bzw. Interventionsstategien.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat seit ihrer Gründung im Jahr 1998 das Ziel, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

Weitere Informationen: www.amadeu-antonio-stiftung.de

Quelle: Amadeu Antonio Stiftung vom 13.08.2019

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