Demokratie

100 Jahre Grundschule: Würdigung einer demokratischen Institution

Am 31. Juli 2019 feiert die Grundschule ihren 100. Geburtstag. Mit Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung vor 100 Jahren entwickelte sich die erste demokratische Schule in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte.

09.08.2019

„Klare Maxime der Grundschule war damals wie heute, die eine Schule für alle zu sein. Keine andere Schule verwirklicht den Anspruch auf ein inklusives Bildungssystem derart wie die Grundschule. Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen, mit und ohne Migrations- oder Fluchthintergrund, mit Elternhäusern, die ihnen schlechtere oder bessere sozio-ökonomische Bedingungen bieten können, sie alle lernen hier zusammen“, betont der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann.

Grundschullehrkräfte übernehmen eine enorme Verantwortung

Beckmann weiter: „Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer nehmen Kinder in besonderem Maße in ihrer Verschiedenartigkeit an. Sie begegnen unterschiedlichen Bildungsständen, Erziehungserfahrungen sowie physischen und psychischen Voraussetzungen, immer mit dem Ziel, jedes Kind individuell und bestmöglich mit Blick auf dessen weiteren Bildungsweg zu fördern.“

Insbesondere in Anbetracht der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit würdigt der Bundesvorsitzende die enorme Verantwortung, die Grundschullehrkräfte übernehmen: „Die Grundschule ist die erste schulische Institution, die Antworten auf drängende und wichtige gesellschaftliche Fragen finden und leben muss. Das, was Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in puncto Adaptionsfähigkeit leisten, sei es im Hinblick auf Integration, Inklusion oder bei der Vermittlung demokratischer Werte und Normen in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft, all das kann gar nicht hoch genug gewertschätzt werden.“

Forderung des VBE: Unterfinanzierung der Grundschulen beenden

Zwischen Ansprüchen und Aufgaben, die an Grundschule herangetragen werden und Anerkennung und Gelingensbedingungen, auf die Grundschule zurückgreifen kann, sieht Beckmann dagegen ein eklatantes Missverhältnis: „Die Grundschule ist im internationalen Vergleich unterfinanziert – und das in einem so reichen Land wie Deutschland. Das muss sich ändern. Um Grundschulen in die Lage zu versetzen, die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen zu können, müssen Lerngruppengrößen möglichst klein gehalten werden. Kinder mit Förderbedarfen verlangen nach einer intensiveren Betreuung. Dies muss Lehrkräften entsprechend angerechnet werden. Es müssen Unterstützungssysteme etabliert werden, etwa durch den Aufbau multiprofessioneller Teams sowie durch administrative Entlastung und einen technischen Support im Zuge der Digitalisierung. Auch Schulgebäude müssen in einen Zustand versetzt werden, der zukunftsgerechtes Lernen und Lehren erst ermöglicht. Zudem gibt es keine tragfähige Begründung, warum Grundschulkräfte immer noch schlechter bezahlt werden, als Lehrerinnen und Lehrer anderer Schulformen. Die Eingangsbesoldung A 13 muss für Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer bundesweiter Standard werden. Hier ist die Politik gefordert, endlich entsprechende Grundlagen zu schaffen.“

Quelle: Verband Bildung und Erziehung e.V. vom 24.07.2019

Der Internationaler Bund (IB) zum Jubiläum

Auch der Internationale Bund (IB) würdigt das Jubiläum in besonderer Weise und sieht darin einen historischen Tag:

Das deutsche Kaiserreich war bis zu seinem Ende im Jahr 1918 ein Ständestaat. Die Herkunft des Einzelnen entschied in hohem Maße über die private und berufliche Zukunft. Diesen ungerechten Zustand sollte die Verfassung der Weimarer Republik beenden. Mit deren Verabschiedung vor hundert Jahren wurde eine einheitliche Grundschule geschaffen, die für alle verbindlich war, unabhängig vom Wohlstand der Eltern. Erst nach vier Jahren gemeinsamen Schulbesuchs trennten sich die Wege der Kinder wieder.

Mit der gemeinsamen Grundschule wurde eine demokratische Institution ins Leben gerufen, die bis heute weiter existiert und deren Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann. Kinder aus allen sozialen Schichten und mit unterschiedlichster Herkunft bekommen zumindest in den ersten vier, in Berlin und Brandenburg in den ersten sechs Jahren gemeinsam die Grundlagen für ihr weiteres Leben vermittelt, lernen einander kennen und verstehen. Idealerweise entscheidet bei gleichem Unterricht ausschließlich die persönliche Begabung über den weiteren schulischen Weg. Auch wenn diese Vorstellung natürlich idealisiert ist: Vor der Einführung der allgemeinen Grundschule gingen Kinder wohlhabender Eltern meist auf private Schulen. So waren oft bereits nach den ersten vier Jahren die Unterschiede der sozialen Schichten für die nächste Generation verfestigt.

Die Grundschule machte damit Schluss und war ein wichtiger Baustein für die Demokratie, auch wenn die Weimarer Republik bereits nach 14 Jahren schon wieder Geschichte war. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Bedeutung der gemeinsamen Grundschule zu schätzen gewusst und sie in die Verfassung der Bundesrepublik aufgenommen. Dasselbe galt für die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, die ebenfalls eine obligatorische gemeinsame Grundschule vorsah.

Aktuell wird oft befürchtet, dass die soziale Herkunft wieder stärker über die Zukunft jedes Einzelnen entscheidet. "Dem wirken wir als IB mit unseren Schulen in privater Trägerschaft entgegen, in denen wir das Grundrecht auf Bildung umfassend realisieren. Mit integrativen und inklusiven Projekten geben wir jedem eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Wir tragen so zu einer sozialen Gesellschaft bei. Die Chancengerechtigkeit steht dabei im Mittelpunkt, die durch die Einführung eines gemeinsamen Grundschulbesuchs aller Kinder schon in der Weimarer Verfassung vorgesehen war. Für diese Chancengleichheit setzen wir uns ein und werden allen Bestrebungen, sie zu unterlaufen, beherzt entgegentreten", verspricht der IB-Vorstandsvorsitzende Thiemo Fojkar.

Quelle: Internationaler Bund (IB) vom 31.07.2019

Redaktion: Kerstin Boller

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