Corona-Pandemie

Die AGJ zieht Zwischenbilanz zu den Auswirkungen auf Jugendliche, junge Erwachsene und die Strukturen der Jugend(sozial)arbeit

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ äußert sich mit einem Positionspapier zu den Auswirkungen, die Corona auf junge Menschen und die Strukturen der Jugend(sozial)arbeit in den letzten Monaten hatte und weiterhin hat. Sie zieht eine Zwischenbilanz und erörtert die Frage der notwendigen Schritte und der Weiterentwicklung von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit.

27.10.2021

Die AGJ kritisiert die Corona-Zeit als Unzeit für die Jugend, da die gesellschaftliche Wahrnehmung der Jugend zu Anfang sehr negativ war und ihre Bedarfe und ihr Wohlbefinden erst spät mediale Aufmerksamkeit erfuhren.

Resümee einer „Unzeit“ für die Jugend

Psychische Belastungen, fehlender alltäglicher Austausch mit Gleichaltrigen und Zukunftsängste prägten die Corona-Zeit für junge Menschen. Insbesondere bei jungen Menschen in prekären Lebenslagen potenzierten sich diese Problemlagen. Zudem fühlten sich junge Menschen nicht vertreten und beteiligt; sie und ihre Strukturen wurden in der Krise nicht befragt und in Entscheidungen eingebunden. Der Wegfall sowie die Einschränkungen, die die Angebote der Jugend(sozial)arbeit in den letzten Monaten erfuhren, kamen für junge Menschen erschwerend hinzu. Obwohl es viele kreative Lösungen gab, um Angebote weiterhin offenzuhalten und den Kontakt zu jungen Menschen nicht zu verlieren, konnte die Jugend(sozial)arbeit in den letzten Monaten nur auf Sparflamme wirken. Zudem fehlt den Strukturen die (Planungs-)Sicherheit, wie es in den nächsten Monaten/Jahren weitergeht, da die Zusagen zur finanziellen Unterstützung bisher nur einen Förderzeitraum von 1,5 Jahren umfassen.

Gesellschaftliche Wahrnehmung junger Menschen in der Corona-Zeit und eine fehlende Lobby

Junge Menschen wurden insbesondere  zu Anfang der Corona-Krise stark auf ihre Rolle als Schüler/-innen reduziert und funktionalisiert. Konkrete Themen, Anliegen und Bedarfe junger Menschen gerieten kaum in den Blick. Während sich der Großteil junger Menschen verantwortungsvoll hinsichtlich der Beschränkungen und Home-Schooling-Regelung gegenüber Familie und Gesellschaft zeigte, obwohl die jungen Menschen größtenteils unter Vereinsamung litten, war das mediale Bild geprägt von vermeintlichen Corona-Party-Gänger(-inne)n, Regelbrecher(-inne)n, wurde Jugend in Verbindung mit Einzelereignissen wie in Stuttgart oder Frankfurt pauschal als kriminell abgewertet und stigmatisiert.

Die AGJ nimmt wahr, dass sich hier in den letzten Monaten einiges geändert und ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: Die Zahl der journalistischen Beiträge, die die Bedeutung der Jugendzeit als Entwicklungsnotwendigkeit oder die Bedeutung von gemeinsamen Aktivitäten für das Wohlfühlen hervorheben, ist ebenso gestiegen wie das Bestreben, auf verschiedenen politischen Ebenen und auf verschiedenen Wegen mit „der Jugend“ in Kontakt zu treten. Ebenso wurden in den Bundesländern und Kommunen Schutzschirme für die Jugend(sozial)arbeit eingerichtet und mit jungen Menschen direkt Kontakt aufgenommen. Dazu haben auch Studien, die sich dezidiert mit dem Wohlbefinden und der Situation junger Menschen befassen, beigetragen. Die Studien zeigen, dass junge Menschen sich psychisch stark belastet fühlen und ihnen Möglichkeiten des alltäglichen Ausgleichs fehlen. Zudem haben die meisten jungen Menschen große Zukunftsängste. Diese Ergebnisse wurden medial aufgegriffen und das Bild der Jugend änderte sich langsam.

Dennoch wurden junge Menschen in den letzten Monaten wenig und erst spät selbst von der Politik befragt, bei der Priorisierung zu den gängigen Corona-Verordnungen wurden die Forderungen ihrer Vertreter/-innen, aber auch die Eingaben der Jugendressorts in den entsprechenden Entscheidungsverläufen kaum mitgedacht – und das, obwohl die Beteiligung junger Menschen noch nie so stark gesetzlich verankert war wie heute.

Junge Menschen waren und sind also oftmals den Entscheidungen auf unterschiedlichen politischen Ebenen und letztlich dem Meinungsbild von (älteren) Erwachsenen ausgeliefert und nicht in den Entscheidungsgremien der Krisenpolitik vertreten. Dies ist aus jugendpolitischer Sicht nicht akzeptabel und zeigt, zweierlei, a) dass junge Menschen weiterhin zu wenig an den öffentlichen/politischen Debatten in die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse partizipieren können und b) dass jungen Menschen eine wirkungsvolle politische Lobby fehlt.

Junge Menschen und die Folgen der Corona-Krise

In der Zeit starker Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene massiv in ihren persönlichen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten beschnitten. Die Folgen wirken umso belastender auf junge Menschen, da diese Lebensphase im Übergang zum Erwachsenenalter von Umbrüchen und Unsicherheiten gekennzeichnet ist. Es fehlten die zur Bewältigung der zentralen Kernherausforderungen Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung erforderlichen Freiräume, sozialen und außerschulischen Kontakte. Zudem wirken die Einschränkungen umso einprägsamer für junge Menschen, da sie für diese Generation in Relation zu den älteren Erwachsenen bereits einen hohen Anteil ihrer Lebenszeit umfassen. Von der vier- bis fünfjährigen Pubertätszeit okkupiert Corona für viele schon mehr als ein Viertel – diese entwicklungspsychologisch zentrale Zeit des Ausprobierens und Abgrenzens gegenüber Erwachsenen in der Jugendphase fehlt für viele junge Menschen unwiederbringlich.

Dennoch sind und waren Gruppenbildungs-, Freizeit- und Sportangebote eingeschränkt bzw. geschlossen. Dies traf insbesondere die Angebote der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und das Vereinsleben, die im ersten Jahr der Corona-Pandemie stärker eingeschränkt waren als viele andere Lebensbereiche und insbesondere Kinder und Jugendliche in ihren Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten beschränkten. So fielen klassische Vereinsangebote, aber auch zahlreiche Jugenderholungsmaßnahmen und Ferienfreizeiten einschließlich der entsprechenden ehrenamtlichen Nachwuchsgewinnung und -förderung weg. Als sehr schwierig wurden somit neben der Trennung von Freund(-inn)en aufgrund des fehlenden Schulalltags, insbesondere der Mangel an Freizeitmöglichkeiten, geschlossene
Freizeiteinrichtungen sowie die Kontaktbeschränkungen empfunden.

Massive Einschnitte erlebten auch junge Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf – eine wesentliche Statuspassage für ein gelingendes Aufwachsen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und unabdingbar für die Emanzipation junger Menschen im Sinne eines selbstbestimmten Lebens und gesellschaftlicher Teilhabe. Die durch die pandemiebedingten Einschränkungen bei den Förderangeboten im Übergang Schule und Beruf haben gerade die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit besonderem Unterstützungsbedarf wieder stark auf die familiären Ressourcen zurückverwiesen. Die Anlaufstellen, die von außen eine Alltagsstruktur, Gruppenkontaktmöglichkeiten und eine intensive pädagogische Begleitung bieten sollten, konnten nur begrenzt ihre Arbeit mit den gegebenen Kontaktbeschränkungen umstellen.

Mit dem Wegfall gewohnter Tagesabläufe fühlten sich junge Menschen vermehrt psychischen Belastungen ausgesetzt, achteten weniger auf ihre Gesundheit in Bezug auf gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung und nahmen vermehrt Streit und Konflikte im familiären Kontext wahr. In der Copsy-Studie beklagten mehr als 70 Prozent der 11- bis 17-Jährigen Befragten eine seelische Belastung. Kinder- und Jugendpsychiater/-innen sowie Psychotherapeut(-inn)en sehen bei jugendlichen Patient(-inn)en vermehrt Aggressionen, Essstörungen, Depressionen und Drogenmissbrauch.

Sorgen um die eigene Zukunftsperspektive und große Unsicherheiten hinsichtlich möglicher Studienorte und Studienplätze, geeigneter Ausbildungsplätze oder Möglichkeiten des Freiwilligendienstes unter Pandemiebedingungen betreffen viele junge Menschen. Internationale Alternativen (Au-pair, Freiwilligendienste im Ausland, Work & Travel) stehen weiterhin kaum zur Verfügung. Dabei geriet insbesondere der Ausbildungsmarkt aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen mittelständischer Unternehmen unter Druck.

Infolgedessen gingen die Anzahl an gemeldeten Ausbildungsplätzen in 2020 um 8,8 % sowie die Anzahl der neu begründeten Ausbildungsverhältnisse um 11 %  deutlich zurück. Dazu kommt, dass junge Menschen, die sich im letzten Schuljahr befinden, in den letzten Monaten teilweise nicht alle Bildungsinhalte vermittelt bekommen haben sowie Berufs- und Studienwahlorientierung inklusive betrieblicher Praktika und Gruppenangeboten oftmals nicht gewohnt stattfinden konnte. Das hat insbesondere für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf erhebliche Folgen für die berufliche Orientierung, die Einmündung in ein Ausbildungsverhältnis und den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung.
 
Bei jungen Menschen in prekären Lebenslagen (beengter Wohnraum, mangelnde Rückzugsmöglichkeit, fehlende Tagesstruktur, finanzielle Notlagen etc.) potenzieren sich diese Problemlagen oftmals. Durch den Wegfall von Ressourcen sowie bekannten Unterstützungsstrukturen sind sozial benachteiligte und ausgegrenzte Menschen in erheblichem Maße gefordert. Die Corona-Pandemie bringt sie oftmals ganz besonders in Gefahr. Darüber hinaus zeigte sich, dass Formate für die Beteiligung an politischen Entscheidungen wegfielen. So waren Räume zur Selbstorganisation, zum Austausch und zur Selbstvertretung aufgrund der Einschränkungen nur schwer nutzbar; erst recht gab es in dieser Zeit für junge Menschen kaum Möglichkeiten zur Mitgestaltung beim Krisenmanagement.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Corona-Krise zum Wegfall jugendspezifischer Lebensstile und strukturierender Angebote und Gelegenheiten führt, die in der Jugendphase selbstverständlich und von zentraler Bedeutung sind. An der Jugend orientierte Politik muss daher ihren Fokus auf die Wiederherstellung und Ermöglichung dieser prägenden Erfahrungen legen.

Sicherheit in unsicheren Zeiten: Die Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit

Die Corona-Pandemie bestimmt das Leben junger Menschen sowie die Angebote, Inhalte und die Rahmenbedingungen der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit seit mehr als 1,5 Jahren. Dabei unterscheiden sich die Situation bei den Trägern, in Regionen und in den Bundesländern und somit auch die Bewältigungsstrategien und die mitunter kreativen Weiterentwicklungen, die in den Strukturen in dieser Zeit entwickelt wurden und weiterhin werden. So stellten sich Teams innerhalb sehr kurzer Zeit auf neue Kommunikationswege ein, waren für junge Menschen ansprechbar z. B. für Gespräche über die aktuelle Situation und damit verbundene Ängste oder für einfaches Quatschen. Dabei wurden Räume umgestaltet, um coronakonforme Beratungssettings zu schaffen und  Anlaufstellen aufrechtzuerhalten. Beratung wurde z. B. auf Spaziergänge in den öffentlichen Raum verlagert. Über Online-Plattformen wurden in der freien Zeit am Abend offene Angebote sowie Beschäftigungs- und Beteiligungsangebote gemacht.

Insgesamt zeigt sich, dass die einzelnen Arbeitsfelder kreativ auf die Herausforderungen reagierten. Die Zugänge und Beziehungsangebote gestalteten sich „intensiver, aufsuchender, digitaler und moderner“. Fachkräfte, Einrichtungen und Träger versuchten, den Wegfall strukturierender Erlebnisse bei den jungen Menschen aufzufangen und wichtige Angebote weiterzuführen. Einerseits leistete gerade die Offene Kinder- und Jugendarbeit in kürzester Zeit einen regelrechten Digitalisierungsschub, musste aber auch erkennen, dass die Beziehungsarbeit in diesem Medium nicht die gewohnte pädagogische Qualität der analogen Begegnungen erreichen konnte.

Trotz der Möglichkeiten in vielen Bundesländern, unter Einschränkung bestimmte Formate anzubieten, schränkten manche Träger selbst solche Angebote aus Sorge um entsprechende Ansteckungsdynamiken ein. In manchen Kommunen wurden deshalb Fachkräfte freigestellt, in Kurzarbeit geschickt oder für flankierende Tätigkeiten wie Notbetreuung, Nachverfolgung,etc. eingesetzt. Trotz einiger kreativer Lösungen und der zwischenzeitlichen Wiedereröffnung der Angebote sind die Strukturen weiterhin von einer geringen Planungssicherheit betroffen.

Letztlich gibt es seit Monaten keine Sicherheit für die Akteur/-innen in der Jugend(sozial)arbeit. Es konnten im Verhältnis zum regulären Betrieb kaum Ferienfreizeiten, Gruppenstunden und Zusammenkünfte junger Menschen und wenig Gruppenbildungsangebote stattfinden. Treffen, bei denen Gemeinschaft erlebt werden kann, Freiräume selbstständig gestaltet, Ideen entwickelt und Aktivitäten geplant werden, fielen aus. Der Charakter der Angebote und des Ortes der Jugendarbeit änderte sich somit in dieser Zeit. Damit wandelte sich auch ein Ort, der insbesondere in dieser verunsichernden Zeit für viele junge Menschen sehr relevant war und noch relevanter hätte sein können, um aktuelle Maßnahmen und Debatten mit den jungen Menschen aufzugreifen, somit einen Raum für Fragen zu öffnen und damit z. B. Verschwörungstheorien etc. entgegenzuwirken.

Politische Maßnahmen für die Jugend – Aufholen nach Corona?

Während der letzten Monate gab es verschiedene politische Maßnahmen, um die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe aufrechtzuerhalten und finanziell zu unterstützen. Dennoch ist festzustellen, dass die finanziellen Mittel, die für die Kinder- und Jugendhilfe geflossen sind, längst nicht ausreichen und im Vergleich zu  anderen (Wirtschafts-)Zweigen zu gering ausfallen. So erlebten viele Träger und Einrichtungen die letzten Monate als Monate der Unsicherheit und geringen Planbarkeit. Neben dem SodEG zu Anfang der Pandemie, wo es zunächst einige Verunsicherung gab, ob es auch für Träger und Einrichtungen der Jugendarbeit und Jugendbildung Anwendung findet, gab es auch größere Maßnahmenpakete in den Bundesländern. Große Programme wie „Aufholen nach Corona“ kommen im Jahr 2021 vergleichsweise spät. Zum ersten Mal hat die Bundesregierung mit „Aufholen nach Corona“ ein größeres Maßnahmenpaket von 2 Milliarden Euro geschnürt, das direkt die Kinder und Jugendlichen adressiert. Das Paket umfasst jedoch nur einen Förderzeitraum von 1,5 Jahren, obgleich das Aufholen absehbar noch länger andauern wird und viele Angebote noch gar nicht wiedereröffnet wurden bzw. weiterhin unter Einschränkungen stehen. Vor diesem Hintergrund stellt die Umsetzung des Aufholprogramms die Träger zusätzlich vor weitere Probleme: Wie sollen diese ergänzende Angebote durchführen, wenn diese teilweise die normalen Angebote (noch) nicht umsetzen dürfen oder können? Hinzu kommt die Problematik, dass aufgrund der Impfempfehlungen (oder deren Fehlen) ein  großer Teil der Zielgruppe nicht immunisiert werden kann und damit weiterhin unter Zugangsbeschränkungen leiden wird. 

Aus Sicht der Praxis von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit wäre es wünschenswert gewesen, wenn die im Aufholpaket ausgebrachten Mittel weniger kleinteilig und in unterschiedliche Förderstränge aufgespalten wären. Neben den Ländern sind hier noch das BMFSFJ sowie eine Reihe von Stiftungen und weitere Akteur/-innen in der Mittelverwaltung aktiv. Ein weniger aufgesplittertes Programm mit mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung wäre sicher effektiver und wahrscheinlich auch effizienter gewesen. Schließlich wissen die Träger – öffentliche wie freie – vor Ort am besten, welche Bedarfe dringlich sind und wo noch Lücken zu bereits zuvor aufgelegten Förderprogrammen bestehen.

Notwendige Schritte

Die AGJ formuliert Empfehlungen zu nun notwendigen Schritten: Sie fordert die Wiederherstellung, Absicherung und den Ausbau wichtiger sozialer Infrastruktur und einen Zukunftsplan Jugendarbeit mit 5-jähriger Laufzeit, um junge Menschen und die Orte ihres Aufwachsens zu unterstützen. Zudem fordert sie die Stärkung  der Jugendsozialarbeit und dass die Kommunen entsprechende Ressourcen für pandemiebedingte Herausforderungen hier zur Verfügung stellen. Die Vielfältigkeit digitaler (Sozial)Räume hat während der Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Die AGJ fordert eine notwendige Weiterentwicklung von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit hin zu digitalen Ansätzen und Methoden – dafür braucht es einen DigitalPakt Kinder- und Jugendhilfe. Ein weiterer notwendiger Schritt ist es, die Beteiligungsstrukturen junger Menschen krisenfest zu machen, auszubauen und zu sichern.

Beteiligung junger Menschen

Die Beteiligung junger Menschen und ihrer Selbstorganisationen an den Verhandlungen zu wichtigen politischen Maßnahmen muss sichergestellt und krisenfest gestaltet werden. Regelmäßige und fest verankerte Beteiligung muss für junge Menschen gewährleistet sein und auf Bundes-, Landes- sowie der kommunalen Ebene umgesetzt werden, um z. B. Öffnungsstrategien gemeinsam zu entwickeln.

Schaffung von Freiräumen

Daneben sieht die AGJ insbesondere die Schaffung von Freiräumen und Orten, wo junge Menschen „unverzweckte“ Zeit verbringen können, nach den strapaziösen Monaten der Pandemie als immens wichtig an. Zudem braucht es einen fachlichen, interdisziplinären Diskurs, wie die Kinder- und Jugendhilfe in gemeinsamer Verantwortung aller für junge Menschen relevanten Akteur/-innen auf die aktuellen Herausforderungen zukünftig organisatorisch, planerisch und konzeptionell reagieren kann.

Eine starke Lobby für junge Menschen aufbauen

Benötigt wird ein fachlicher, interdisziplinärer Diskurs, wie die Kinder- und Jugendhilfe in gemeinsamer Verantwortung aller für junge Menschen relevanten Akteur/-innen auf diese Herausforderungen zukünftig organisatorisch, planerisch und konzeptionell reagieren kann. Hierbei braucht es insbesondere auch Diskussionen in Jugendhilfeausschüssen und Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB III, um gemeinsam eine starke Lobby für junge Menschen zu bilden.

Die Corona-Krise macht deutlich, dass die Achtung und Gestaltung von jugendlichen Lebenslagen eine Verstärkung ressortübergreifender Ansätze sowie Verantwortung erforderlich machen. Dabei bleibt die Notwendigkeit und Forderung einer Eigenständigen Jugendpolitik und der Weiterentwicklung und Umsetzung einer kohärenten Politik, die gute Rahmenbedingungen für die Lebensphase Jugend schafft, für die AGJ bestehen.

Strukturen wiederherstellen und absichern

Die AGJ fordert, möglichst viele junge Menschen von dem Aufholpaket direkt profitieren zu lassen. Darüber hinaus fordert die AGJ, dass sich das Augenmerk auf junge Menschen nicht im „Aufholen nach Corona“ erschöpft, sondern dass vielmehr ein bundesweit geförderter Zukunftsplan Jugendarbeit mit 5-jähriger Laufzeit aufgelegt wird, um junge Menschen und die Orte ihres Aufwachsens zu unterstützen. Dieser muss vor allem auf den Erhalt und Ausbau wichtiger sozialer Infrastruktur setzen, Angebote vor Ort finanzieren, die Beteiligung junger Menschen unterstützen und außerschulischen Angeboten die notwendige (finanzielle) Ausstattung geben. Die Hauptverantwortung hierfür sieht die AGJ beim Bund, da es sich bei der Corona-Pandemie und ihren Folgen um eine Krise mit nationaler Tragweite handelt. Durch eine Abstimmung mit den Programmen der Länder und Kommunen sind Doppelstrukturen zu verhindern und Anstrengungen zu bündeln.

Maßnahmen auf dem Ausbildungsmarkt flexibilisieren/Jugendsozialarbeit stärken

Hier gilt es zum einen, die arbeits- und ausbildungsmarktpolitischen Maßnahmen innerhalb des SGB II und SGB III flexibel an die Bedarfe und pandemiebedingten Herausforderungen – insbesondere mit Blick auf die Ausbildungsplätze – anzupassen, sie auszuweiten und weiterzuentwickeln. Zum anderen steht auch die Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere die Jugendsozialarbeit, vor der Herausforderung, zusätzliche Unterstützungsangebote innerhalb des  § 13 SGB VIII bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass die Kommunen  entsprechende Ressourcen für pandemiebedingte Herausforderungen in der Jugendsozialarbeit zur Verfügung stellen. Kinder- und Jugendhilfeausschüsse sind gefordert, dieses Thema kontinuierlich auf ihre Agenda zu nehmen.

Demokratiebildung in der Jugend(sozial)arbeit stärken

Zukünftig braucht es eine transparente und partizipative gesellschaftspolitische Debatte, im Besonderen mit jungen Menschen selbst, als aktuell und zukünftig am stärksten betroffene Gruppe. Dies würde dazu beitragen, dass ihre Sicht besser zum Ausdruck kommt und sie ggf. notwendige, durch Krisen ausgelöste Einschränkungen (besser) mittragen können. Durch ihren niederschwelligen Zugang kann hier die Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit im Sinne einer Brücken- und Mittlerfunktion einen wesentlichen Beitrag zu solch einer Debattenkultur und somit Demokratiefähigkeit im Sinne der politischen Bildung/Demokratiebildung beitragen. Zur Jugendarbeit gehört außerdem, Lernort für Demokratie und aktiver Teil einer demokratisch organisierten Gesellschaft zu sein.

DigitalPakt Kinder- und Jugendhilfe schaffen

Der Digitalisierungsschub in verschiedenen Handlungsfeldern, aber auch schon Entwicklungen im Vorfeld haben zur Aufweichung der Einhaltung von fachlichen Standards (z. B. Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, gleiche Teilhabe für alle etc.) geführt. Vor diesem Hintergrund gilt es, auf Ebene der Träger und der Fachkräfte die Sicherung der Standards durch entsprechende Konzepte und Qualifizierungsmaßnahmen weiterzuentwickeln und systematisch zu verankern. Dazu braucht die Kinder- und Jugendhilfe dauerhaft die notwendigen Ressourcen und Strategien. Die AGJ schließt sich der Forderung des Bundesjugendkuratoriums nach einem DigitalPakt Kinder- und Jugendhilfe an, um eine eigenständige Digitalstrategie für die Handlungsfelder weiterzuentwickeln.

Starke Jugendforschung und evidenzbasiertes politisches Handeln

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden uns alle noch lange beschäftigen. Insbesondere junge Menschen werden ihre Folgen in den nächsten Jahrzehnten noch stark zu spüren bekommen. Deshalb gilt es jetzt umso mehr, gemeinsam für eine starke Jugend und eine starke Jugendpolitik einzutreten. Die gleichberechtigte Teilhabe junger  Menschen und die Stärkung ihrer Rechte ist und bleibt ein Auftrag für Jugendpolitiker/-innen und letztlich für die kommende Bundesregierung. Die AGJ fordert ähnlich wie das Bundesjugendkuratorium in seiner aktuellen Stellungnahme, dass Kinder- und Jugendpolitik einen höheren Stellenwert als bisher eingeräumt wird, junge Menschen beteiligt werden und mit ihren Bedarfen geachtet werden. Die AGJ bietet sich in diesen zukünftigen Prozessen als Gesprächspartnerin an und bekräftigt ihre Bereitschaft, sich weiterhin in einer starken Lobby für die Jugend einzusetzen.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Redaktion: Pia Kamratzki

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