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Paritätischer fordert mehr Hilfe für Opfer sexualisierter Gewalt

Opfer sexualisierter Gewalt benötigen verläßliche Hilfe- und Beratungsstrukturen, und die Hilfeangebote und Beratungseinrichtungen brauchen entsprechende finanzielle Rahmenbedingungen, die nicht Jahr für Jahr als freiwillige Leistung zur Disposition gestellt werden, sondern dauerhaft und nachhaltig sind“, fasste Sebastian Böstel, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., die dringlichsten Forderungen zusammen, die erfüllt werden müssen, um von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen und Mädchen die erforderliche Hilfe zu bieten.

30.11.2010

Um das Thema sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen als eigenständige Gewaltform stärker in das öffentliche, fachöffentliche und politische Licht zu rücken, hatte der Verband am Montag gemeinsam mit dem Fachbereich Frauen und Familie zur Fachveranstaltung „Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen - Die Folgen der Gewalt als Anforderungen an das Hilfesystem“ nach Hannover geladen.

Rund 100 Gäste, darunter Vertreter und Vertreterinnen aus Organisationen, Institutionen und Einrichtungen aus ganz Niedersachsen ebenso wie PolitikerInnen und VetrerInnen des niedersächsischen Sozialministeriums bekamen anhand von fünf Fachvorträgen aufgezeigt, wie wichtig und nötig die Bedeutung eines adäquaten Hilfe- und Unterstützungsangebots ist. „Wir wollen das Thema erneut in den Mittelpunkt stellen und noch einmal auf unsere Position zur künftigen Finanzierung seitens des Landes von Frauenhäusern und Beratungsangeboten hinweisen“, erklärte Andrea Zerrath, Fachberaterin Frauen und Familien beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. . Mit dem Jahr 2011 tritt die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen von Maßnahmen für Mädchen und Frauen, die von Gewalt betroffen sind“ außer Kraft und stellt die Finanzierung der vorhandenen Hilfeleistungs- und Beratungsstrukturen im bisherigen Umfang in Frage. Der Fachbereich Frauen und Familie des Paritätischen Niedersachsen hatte vor kurzem ein Eckpunktepapier vorgelegt, mit dem er eine adäquate Finanzierung der Maßnahmen fordert.

Die fünf Referate der Fachveranstaltung klärten die ZuhörerInnen über Bedarfe, Anforderungen, Möglichkeiten und adäquate Hilfen im Umgang mit von sexualisierter Gewalt Betroffener auf. Prof. Dr. Barabara Kavemann vom Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstitut Freiburg machte in ihrem Vortrag „Sexuelle Gewalt - Entwicklung und Stadortbestimmung eines facettenreichen Themas“ deutlich, dass die Hilfeangebote fachlich gut sind, eine angemessene Versorgung jedoch nicht gewährleistet ist: „Wir müssen aufpassen, dass die Betroffenen nicht erst nach speziellen Angeboten suchen müssen, sondern überall jemand Kompetentes finden, der für sie da ist.“ Die Göttinger Diplompsychologin Michaela Huber erläuterte die Auswirkungen sexualisierter Gewalt und dadurch entstehende Traumatisierungen. „Trauma ist toxischer Stress, alle Ebenen des Wesens: Körper, Gehirn, Beziehungen, werden davon beeinflusst“, erklärte sie.

Einen Überblick über Anforderungen an Beratungsstellen und die Herausforderungen, mit denen sie umzugehen haben, gab Traumatherapeutin Katrin Hille vom Frauen-Notruf e.V. Göttingen. „Beratungsstellen bauen schnell und intensiv Kontakte zu gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen sehr unterschiedlicher Gruppen auf, erfassen zeitnah aktuelle Entwicklungen, reagieren schnell auf veränderte Problemfelder und suchen flexibel nach pragmatischen Lösungen“, beschrieb Katrin Hille die Arbeit der Beratungsstellen. Wo die Grenzen rechtlicher Intervention liegen, erklärte Sozialwissenschaftlerin Andrea Behrmann von der Fachberatungsstelle Violetta e.V. in Hannover. Sie stellte mögliche Opferschutzmaßnahmen wie die Nebenklage vor, erläuterte die Auswirkungen traumatischer Erlebnisse auf das Aussageverhalten und referierte ausführlich über psychosoziale Prozessbegleitung. Sozialpsychologin Petra Klecina vom Frauennotruf Hannover e.V. beendete die Vortragsreihe mit Ausführungen über den erforderlichen Bedarf der Unterstützungs- und Beratungsangebote und die sich daraus ergebenen Forderungen. „Angemessene Hilfe braucht Kontinuität, Sicherheit und Planbarkeit, es geht um eine verlässliche und verbindliche Grundlage der Finanzierung“, sagte sie.

Das Fazit der Fachtagung fiel bei Teilnehmern und Veranstaltern ob der hohen Qualität der Informationen und Vehemenz der Forderungen durchweg positiv aus. „Bei allen Vorträgen hat sich gezeigt, dass der Bedarf nach Hilfe sehr groß ist, und dass diese spezielle Hilfe langfristig angelegt sein muss“, sagte Fachberaterin Andrea Zerrath.

Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. steht außer Frage, dass der Schutz vor sexualisierter Gewalt eine staatliche Pflichtaufgabe ist. „Deshalb muss auch die Förderung dieser Strukturen eine gesetzliche Pflichtaufgabe werden“, erklärte Vorstand Sebastian Böstel. „Kommunen, Land und der Bund müssen eine gemeinsame Lösung für eine verlässliche Finanzierung finden. Der Ansatz im niedersächsischen Haushalt ist nicht ausreichend und muss entsprechend erhöht werden.“

Detaillierte Informationen unter:

http://www.paritaetischer.de/landesverband/top/presse/pressemeldungen/2010-11-30-PMS-46-10.html?time=1291127378648

 

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