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Öffentlicher Dienst: Gewerkschaften fordern 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Gehalt für Beschäftigte

Berlin - Mit einer Forderung von 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Gehalt für die Beschäftigten gehen die Gewerkschaften in die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen. Von Arbeitgeberseite werden die Forderungen als "illusorisch" bezeichnet.

09.02.2012

Am 1. März beginnen in Potsdam die Verhandlungen über die Einkommenserhöhung im Bereich des Tarifvertrags für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen (TVöD). Der Tarifvertrag gilt für rund zwei Millionen Beschäftigte. 

"Es ist Zeit für eine ordentliche Gehaltserhöhung. Seit dem Jahr 2000 hat es im öffentlichen Dienst Reallohnverluste von rund fünf Prozent gegeben. Auch für die europäische Gesamtentwicklung darf ausgerechnet von Deutschland kein weiteres Lohndumping-Signal ausgehen. Die Binnenkonjunktur muss gestärkt werden", sagte GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad.

Von dem Mindestbetrag von 200 Euro würden nach Angaben der GEW vor allem Beschäftigte der unteren Entgeltgruppen profitieren. In der aktuellen Gehaltstabelle des TVöD würde eine Erhöhung um sieben Prozent diesen Betrag erst ab der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 übersteigen.

Die geringen Tarifsteigerungen bei hoher Inflation hätten, so die Gewerkschaft, in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass die Realeinkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst - wie auch in anderen Branchen - gesunken seien. Die Gewerkschaften haben es sich zum Ziel gesetzt, diesen Trend in der Tarifrunde 2012 umkehren und ein "echtes Plus" für die Beschäftigten zu erkämpfen.

„Die von den Gewerkschaften erhobenen Forderungen sind angesichts der Rekordverschuldung der Kommunen vollkommen illusorisch und inakzeptabel – bei allem Verständnis für den Wunsch nach mehr Geld“, so der Präsident und Verhandlungsführer der VKA, Dr. Thomas Böhle, zu den heute veröffentlichten Gewerkschaftsforderungen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bezeichnete die Forderungen der Beschäftigten nach Gehaltszuwächsen zwar als verständlich, jedoch müssten sie zur Gesamtsituation passen. Das Wirtschaftswachstum werde sich in 2012 nach allen Prognosen deutlich abkühlen. "Die Bundesregierung geht aktuell nur noch von einem Wachstum von 0,7 Prozent aus, im letzten Jahr waren es noch 3 Prozent. Gleichzeitig ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte noch immer hoch. Wir sind im Bund dabei, die Neuverschuldung zu reduzieren, noch nicht die Schulden. Und selbstverständlich sind die Anforderungen der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse einzuhalten“, so Friedrich. Diese Rahmenbedingungen spiegelten sich in den Gewerkschaftsforderungen nicht wider. Bei einem zu hohen Lohnabschluss werde der finanzielle Druck noch größer, den laufenden Stellenabbau längerfristig fortzusetzen. Dies gelte insbesondere für die Forderung nach einem Mindestbetrag von 200 Euro, der die Kosten in den unteren Entgeltgruppen deutlich anhebt. "Ich erwarte deshalb schwierige Verhandlungen", so der Bundesinnenminister abschließend.

"Die Forderungshöhe der Gewerkschaften ist völlig aus der Luft gegriffen. Sie steht in keinem Verhältnis zu den finanziellen Möglichkeiten der Kommunen", so Böhle weiter. "Unser Ziel für die Tarifrunde ist, in dem außerordentlich begrenzten Rahmen einen Kompromiss zu finden, der die Belange der Beschäftigten angemessen berücksichtigt. Jedoch sollten wir keine Erwartungen wecken, die wir nicht erfüllen können."

Die Gewerkschaftsforderungen – 6,5 Prozent, mindestens 200 Euro – würden die Kommunen insgesamt gut sechs Milliarden Euro kosten. Durch den geforderten Mindestbetrag von 200 Euro liegt das Gesamtvolumen bei 8 Prozent und somit noch höher als die Tarifforderung in der Metall- und Elektroindustrie. Dabei haben die Kommunen im vergangenen Jahr keine Gewinnsteigerungen verzeichnen können. Ihre "Finanzkrise" besteht unverändert fort. Der Schuldenstand der Kommunen hat 2011 einen neuen Rekord von 128,7 Milliarden Euro erreicht.

Die Darstellung der Gewerkschaften, es bestehe ein Nachholbedarf im öffentlichen Dienst weisen die Arbeitgeber als sachlich falsch zurück: "Ein Nachholbedarf würde bedeuten, dass die Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst geringer waren als in der Gesamtwirtschaft und dass nun genügend Geld da sei, einen Nachschlag zu finanzieren. Beides trifft nicht zu", so VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann. Seit Einführung des Tarifvertrages TVöD 2005 stiegen die Gehälter der Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Dienst um 10,2 Prozent, in den unteren Gehaltsgruppen war der Anstieg noch stärker (bis zu 12,66 Prozent). Zusätzlich gab es seit 2005 Einmalzahlungen in Höhe von 1.365 Euro. Die Bruttolöhne und gehälter je Arbeitnehmer sind nach dem Statistischen Bundesamt im gleichen Zeitraum um 9,6 Prozent gestiegen.

Quelle: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
 / Bundesministerium des Inneren / Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber

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