Förderung der Erziehung in der Familie

Paritätischer BW fordert Vorrang des Kindeswohls bei Betreuungsregelung

Für Kinder ist die Trennung der leiblichen Eltern ein kritisches Lebensereignis. Ob und wie Kinder diese Krise bewältigen, hängt wesentlich davon ab, wie die Eltern die künftige Betreuung regeln. Die überwiegende Mehrheit der Kinder lebt im klassischen Residenzmodell mit einem festen Wohnsitz bei einem Elternteil. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigten allerdings, dass Familien flexible Modelle brauchen.

11.10.2019

Vor diesem Hintergrund fordert der PARITÄTISCHE eine Familienpolitik, die Eltern dabei unterstützt, die beste Lösung für sich und ihre Kinder zu finden und auch leben zu können. Hierzu sei der Ausbau eines niederschwelligen, flächendeckenden Beratungsangebots sowie finanzieller Hilfen für Scheidungsfamilien erforderlich. Laut dem statistischen Bundesamt sind ungefähr 200.000 Kinder und Jugendliche jedes Jahr von einer Trennung ihrer Eltern betroffen.

Eltern behalten in der Regel gemeinsames Sorgerecht

„Die meisten Eltern behalten nach der Trennung das gemeinsame Sorgerecht. Die Klärung der künftigen Betreuungsregelung für ihre Kinder gehört dabei zu den größten Herausforderungen“, erklärt Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Leider gehe jede dritte Trennungsfamilie wegen unlösbaren Streitigkeiten in punkto Betreuung, Umgang und Unterhalt vor das Familiengericht, so die Vorstandsvorsitzende.

„Für Eltern und bei richterlichen Entscheidungen muss immer das Kindeswohl an erster Stelle stehen. Die meisten Kinder wünschen sich weiterhin Kontakt und ungehinderten Zugang zu beiden Eltern. Dem wird das Residenzmodell häufig nicht gerecht. Die Fokussierung auf das Residenzmodell ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Wolfgramm. Das sogenannte Wechselmodell, bei dem die Kinder abwechselnd bei den Eltern lebten und den Alltag gleichermaßen mit Mutter und Vater teilten sei bei uns selten. In anderen europäischen Ländern wie in Schweden und der Schweiz hingegen hätte sich das Modell bereits bewährt.

Kindeswohl muss an erster Stelle stehen

Bei Familien mit häuslicher Gewalt müsse immer der Schutz und die Sicherheit der Frauen und Kinder Vorrang haben. Sie seien bei Trennungsphasen besonders gefährdet, erläutert der Verband. Knapp drei Viertel der gewaltbetroffenen Frauen würden bei der Übergabe der Kinder erneut angegriffen. Ihr Gewalt- und Tötungsrisiko liege um ein Fünffaches höher. „Die Kinder werden immer Zeugen und oft auch selbst Opfer der Gewalt“, ergänzt Wolfgramm.
 
Aus Sicht des Verbandes kann es bei Trennung der Eltern kein Regelmodell bei der Betreuung geben. An erster Stelle müsse immer das Kindeswohl stehen. Bei Familien mit häuslicher Gewalt habe Sicherheit und Schutz vor Gewalt und Bedrohung Vorrang vor Umgangsrechten.

Hintergrundinformation

Laut statistischem Bundesamt sind ungefähr 200.000 Kinder und Jugendliche jedes Jahr von der Scheidung ihrer Eltern betroffen, davon 14.600 Kinder in Baden-Württemberg. Die Scheidungen erfolgten mehrheitlich zwischen dem sechsten und neunten Ehejahr. Aufgrund der einjährigen Trennungszeit zerbrachen diese Ehen jedoch mindestens ein Jahr früher. Je jünger der Heiratsjahrgang desto häufiger werden diese Ehen geschieden. Jede vierte Ehe, die zwischen 1995 und 2000 geschlossen wurde, ist zwischenzeitlich geschieden. Jede dritte Trennungsfamilie landet wegen unlösbaren Streitigkeiten in punkto Betreuung, Umgang und Unterhalt vor dem Familiengericht. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2018)
 
Verschiedene Forschungen belegen, dass eine anteilig geteilte Betreuung nach Trennung den Kindern bessere Chancen bietet als wenn sie ausschließlich/überwiegend bei einem Elternteil leben. Ihr Wohlbefinden im Bereich Schule/Lernen, emotionales Erleben, soziales Verhalten, körperliche Gesundheit und Qualität der Eltern-Kind-Beziehung ist in der Regel höher als bei Kindern im Residenzmodell. Der größte Gewinn für Kinder in der anteiligen Betreuung ist der engere und kommunikativere Kontakt zu beiden Elternteilen nach Trennung (Quelle: Nielsen in Sozialmagazin 44. Jg.)

Quelle: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Baden-Württemberg e.V vom 08.10.2019

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