Förderung der Erziehung in der Familie

Bilanz 2011: Arbeit der Familienhebammen in Niedersachsen

Im vergangenen Jahr haben 42 niedersächsische Kommunen Familienhebammen eingesetzt, die von der Stiftung „Eine Chance für Kinder" qualifiziert wurden. Fast 700 Familien wurden von 67 Familienhebammen begleitet.

22.08.2012

„Die in Niedersachsen seit elf Jahren vorbildlich praktizierte aufsuchende Hilfe zur Vermeidung von Kindesvernachlässigung während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr hat sich erneut bewährt", betonten Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan und der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. Adolf Windorfer, am Mittwoch vor der Landespressekonferenz in Hannover. Im Jahr 2011 hätten die engagierten Familienhebammen erneut maßgeblich dazu beigetragen, dass Neugeborene regelmäßig und richtig ernährt würden und angemessene Zuwendung und Förderung durch ihre Eltern erführen. „Unser Ziel ist es, das Netz der Familienhebammen flächendeckend auszubauen." Die Stiftung schätzt, dass in Niedersachsen mindestens zehn Prozent aller Familien mit Neugeborenen und Säuglingen diese Frühe Hilfe benötigen.

Unterschiedliche Strukturen vor Ort

Seit 2001 wurden in Niedersachsen 220 Familienhebammen entsprechend qualifiziert. 2010 wurde die Qualifizierung zur Familienhebamme auf Initiative des Landes als Weiterbildung staatlich anerkannt und damit das Berufsbild „Familienhebamme" etabliert. Die Stiftung „Eine Chance für Kinder" wurde als einzige Weiterbildungsstätte zertifiziert. Das Niedersächsische Sozialministerium fördert die Stiftung „Eine Chance für Kinder" 2012 mit insgesamt 260.000 Euro, 90.000 Euro davon fließen in die Weiterbildung. Niedersachsen ist damit bundesweit Vorreiter bei einer hochwertigen Qualifizierung, die für diese anspruchsvolle Aufgabe erforderlich ist. Familienhebammen gehören heute in vielen niedersächsischen Kommunen zum „normalen" Konzept der Frühen Hilfen für Frauen in schwieriger physischer, psychischer oder sozialer Lage. „Mit der Etablierung dieses niedrig schwelligen Instruments ist es in Niedersachsen gelungen, Kindesvernachlässigung wirksam zu bekämpfen", betonte Sozialministerin Aygül Özkan.

Familienhebammen werden in den niedersächsischen Kommunen in unterschiedlichen Strukturen eingesetzt. Häufig stellt die zuständige Behörde - oftmals das Jugendamt - eine Koordinatorin zur Verfügung, die die Einsätze der Familienhebammen unabhängig steuern kann. Auch freie Träger können Vertragspartner für die freiberuflichen Familienhebammen und damit auch zuständig für deren fachliche und rechtliche Arbeit, ihre Fortbildung und die Supervision sein. Die Stiftung „Eine Chance für Kinder" selbst ist Trägerin des Einsatzes von Familienhebammen in zehn niedersächsischen Kommunen. In diesen sowie fünf weiteren Landkreisen und Städten wird im Rahmen des Qualitätsmanagements die standardisierte Dokumentation der Stiftung als Handlungsunterlage eingesetzt.

In 15 Kommunen haben 67 Hebammen rund 700 Familien begleitet

Die Stiftung hat die Arbeit der Familienhebammen in den Landkreisen Aurich, Goslar, Hameln-Pyrmont, Harburg, Holzminden, Leer, Northeim, Osnabrück, in der Stadt und Region Hannover sowie in den Städten Barsinghausen, Braunschweig, Langenhagen, Lehrte und Osnabrück ausgewertet: 2011 kamen hier 22.632 Kinder zur Welt. 693 Familien wurden von 67 Familienhebammen betreut. 464 Begleitungen sind mittlerweile abgeschlossen. Durchschnittlich haben in den 15 Kommunen 3,05 Prozent der Familien mit Neugeborenen das Hilfsangebot genutzt. Die örtliche Bandbreite reichte von 1,7 Prozent bis zu neun Prozent.

Klientel ist zumeist jung, ohne soziales Netz und Berufsperspektiven

Von den betreuten Müttern waren 53 Prozent jünger als 22 Jahre, zehn Prozent sogar jünger als 17 Jahre. 33 Prozent hatten keinen Schulabschluss, 70 Prozent keine berufliche Qualifizierung. 31 Prozent waren alleinstehende Schwangere/Mütter, 19 Prozent Schwangere/Mütter mit Migrationshintergrund. In mehr als der Hälfte der Fälle (53 Prozent) konnte mit der Betreuung bereits während der Schwangerschaft begonnen werden. Die Vermittlung der Klientinnen an die Familienhebamme erfolgte lediglich zu 30 Prozent durch das Jugendamt. In anderen Fällen erhielten die Frauen Hinweise von Ärzten, Jobcentern und Beratungsstellen. In zunehmendem Maße, nämlich zu 23 Prozent, haben sich Schwangere/junge Mütter selbst bei den Familienhebammen gemeldet. „Das ist ein großer Fortschritt, der zeigt, dass die Begleitung durch unabhängige, professionelle Beraterinnen zunehmend akzeptiert wird", betonte Windorfer.

Nach seinen Angaben haben die Familienhebammen in der Hälfte der Fälle die gesundheitliche Situation der Mütter nachhaltig positiv beeinflusst, etwa durch Ernährungsberatung oder angemessenes Reagieren bei psychischen Erkrankungen und mangelnder Selbstfürsorge. Auch die Gesundheit und Entwicklung der Kinder konnte stark verbessert werden: In 86 Prozent der Fälle nahmen die Säuglinge deutlich im richtigen Ausmaß zu. Zu 77 Prozent brachten die Eltern die Kinder zu den Vorsorgeuntersuchungen. 66 Prozent entwickelten eine engere Bindung an das Kind. Vor allem aber wurde die elterliche Kompetenz nachhaltig erhöht: Die Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse funktionierte bei 68 Prozent, die Zuwendung bei 70 Prozent wesentlich besser. Die Außenaktivitäten nahmen bei 50 Prozent der betreuten Fälle zu.

Familienhebammen sorgen für grundlegendes Umdenken in den Familien

Am Ende ihrer Einsätze stellten die betreuenden Familienhebammen fest, dass bei insgesamt 74 Prozent der Familien eine Lösung oder grundlegende Verbesserung der zu Beginn vorliegenden Problemsituationen erreicht werden konnte. 31 Prozent der Familien kamen ohne jede weitere Betreuung aus, bei 20 Prozent mussten nur noch in bestimmten Situationen Hilfemaßnahmen eingesetzt werden.

Hintergrundinformation

Schirmherrin der Stiftung "Eine Chance für Kinder" ist Bettina Wulff. Sie engagiert sich seit dem Jahr 2008 für die Arbeit und die Ziele der als gemeinnützig anerkannten Stiftung EINE CHANCE FÜR KINDER. Celia und Adolf Windorfer haben die Stiftung im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, Kindesvernachlässigung und -misshandlung zu verhindern. Dazu dienen vor allem eigene Projekte wie der Einsatz von Familienhebammen zur Betreuung von Familien während des gesamten ersten Lebensjahres eines Kindes. Weitere Maßnahmen sind unter anderem die Weiterbildung von Hebammen zu Familienhebammen, die Trägerschaft für den Einsatz von Familienhebammen, der Aufbau und die Trägerschaft von Familienhebammenzentralen, Schulprojekte zu den Themen „Sozialkompetenz" und „Sexualkunde", Akuthilfe für in sozialen Notlagen befindliche junge Familien (Nothilfefonds), die Unterstützung von Schwangeren durch Hebammenhilfe sowie von unehelich geborenen Säuglingen in Ländern der Dritten Welt. Die Stiftung ist als Trägerin der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII durch die Niedersächsische Landesregierung anerkannt.

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration vom 22.08.2012

Redaktion: Kerstin Boller

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