EU-Jugendstrategie

Neun Jahre EU-Jugendstrategie – Auf ein Neues?

Dr. Frederike Hofmann-van de Poll (DJI) im Gespräch mit Matthias Hoffmann (MBJS Brandenburg), Axel Stammberger (BMFSFJ), Christoph Röttgers (DBJR) und Hans-Georg Wicke (JfE)

Das 14. Forum zu Perspektiven Europäischer Jugendpolitik bildete den Abschluss der Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland. Viele Akteure aus der Jugendhilfe, den Jugendverbänden, begleitende Jugendforscher und Vertreter von Bund und Ländern würdigten das Erreichte und wagten einen Ausblick auf die nächste Phase ab 2019.

22.11.2018

JUGEND für Europa, das Deutsche Jugendinstitut (DJI) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hatten für den 8. November nach Berlin eingeladen, um in 8 Workshops Beispiele guter Praxis aus der Umsetzung vorzustellen und mit den Teilnehmer/-innen über Erfolge, Herausforderungen und die Zukunft der jugendpolitischen Zusammenarbeit in der EU zu diskutieren. Das DJI stellte dazu seine Ergebnisse aus der begleitenden Evaluation vor und sorgte so für eine faktenbasierte Einschätzung der wesentlichen Prozesse: die Governance der Umsetzung und der Strukturierte Dialog mit der Jugend.

Europäische Impulse für die Weiterentwicklung fachlicher Themen

Bund und Länder hatten gemeinsam, in Form eines Arbeitsprogramms für die Jahre 2014–2018, europäische Impulse für die Weiterentwicklung fachlicher Themen der Jugendhilfe aufbereitet und Anregungen für die Praxis entwickelt. Dabei standen drei inhaltliche Zielsetzungen im Mittelpunkt, um zentrale Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe für eine Auseinandersetzung mit europäischen Themen und Debatten zu öffnen, europäische Impulse für ihre fachliche Weiterentwicklung zu nutzen und die kommunale Ebene verstärkt in die Umsetzungsaktivitäten einzubeziehen:

  • Übergänge Schule / Ausbildung in Beruf
    Integration sozial benachteiligter junger Menschen in das Regelsystem von Bildung, Ausbildung und Arbeit durch die Ermöglichung neuer Lernfelder und Kompetenzen für Jugendliche und Fachkräfte
  • Partizipation
    Wirksame Beteiligung Jugendlicher durch die Ansprache neuer Zielgruppen und die Einführung neuer Formate
  • Anerkennung non-formales Lernen
    Aufwertung und Anerkennung informeller und nicht formaler Bildung unter Wahrung der Standards und Konzepte der Jugendarbeit

Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, eröffnete das Forum und unterstrich die Bedeutung der EU-Jugendstrategie in den letzten Jahren als Motor für eine europäische Öffnung der Kinder- und Jugendhilfe und für die Vielfalt der entstandenen Initiativen. Das Forum sei von Beginn an eine verlässliche Plattform für den nationalen Dialog und den fachlichen Austausch zu den zahlreichen Inhalten und Fragstellungen in der Umsetzung gewesen.

In seiner Rede betonte Thomas Thomer, Unterabteilungsleiter in der Abteilung Jugend des BMFSFJ, die Bedeutung der EU-Jugendstrategie für die fachliche Weiterentwicklung in der Jugendhilfe in Deutschland. Er wertschätzte die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Nationalen Dialog, der sich u. a. in der Reihe der Foren, aber auch mit den europäischen Programmen bei den Deutschen Jugendhilfetagen ausdrückte.

Dr. Herbert Wiedermann vom Landesjugendamt Hamburg, der die Teilnehmer als Vertreter der Bundesländer begrüßte, wies darauf hin, dass die Länder sich von Beginn an maßgeblich an der Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland beteiligt und die Bund-Länder-Zusammenarbeit aktiv mitgestaltet hätten. Das Engagement habe nicht nur zu einer Reihe von Länderinitiativen zur Stärkung der Jugendarbeit und europäischem Engagement der Jugendhilfe vor Ort sowie zu mehr grenzüberschreitender Mobilität beigetragen, sondern in einem Dialog mit dem Bund auf Augenhöhe für die Relevanz europäischer Jugendpolitik im eigenen Handeln sensibilisiert.

Ergebnisse aus dem Arbeitsprogramm der Bund-Länder AG

In der anschließenden Workshoprunde wurden Ergebnisse aus dem Arbeitsprogramm der Bund-Länder AG vorgestellt und Anregungen für die weitere Anwendung in Politik und Praxis der Jugendhilfe gesammelt. Außerdem konnten die Teilnehmer ihre konkreten Erfahrungen mit den Umsetzungsinstrumenten – wie Peer-Learning, kommunale Verankerung, Information und Kommunikation sowie Jugendforschung - teilen und ihre Empfehlungen für die Zukunft formulieren.

Insgesamt wurden die Ergebnisse als praxistauglich eingestuft und der Anregungscharakter durch die Praxisbeispiele sehr begrüßt. Es wird erwartet, dass die inhaltliche Arbeit nicht abbricht, sondern weiter Aufmerksamkeit erhält. So wurde empfohlen, für den Ausbau von Angeboten europäischer und internationaler Lernerfahrungen für benachteiligte junge Menschen weiter den Weg zu gehen, die Akteure am Übergang aus der Grundsicherung, Arbeitsmarktpolitik und Jugendhilfe vor Ort zu gewinnen und die ressortübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Die Erfahrungen mit dem Strukturierten Dialog sollten in die kommunalen und regionalen Partizipationsgewohnheiten eingebacht werden, wobei insbesondere der Dialog zwischen Jugend und Politik/Entscheidungsträgern als eigenes Qualitätskriterium ausgebaut werden sollte. Um in den Anerkennungsbemühungen für die Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit als nicht formale Bildung weiter zu kommen, müsse eine gesellschaftliche Debatte angestoßen werden, um Dritte außerhalb der Jugendhilfe zu sensibilisieren.

Unabhängig von der fachlichen Fragestellung wurde deutlich, dass für eine Weiterarbeit und weitere Verankerung der Themen in der Jugendhilfe auch zukünftig wesentlich sein wird: die politische Rückendeckung durch die obersten Jugendbehörden von Bund und Ländern, deren europaorientierte Unterstützung durch Information und Beratung der Kommunen, durch Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für Fachkräfte, durch Modellprogramme und last but not least durch die Absicherung struktureller Grundlagen, wie Fach- und Servicestellen.

Perspektiven der zukünftigen Phase

Mit besonderem Interesse verfolgten die Teilnehmenden die Diskussion um die nächste Phase der EU-Jugendstrategie ab 2019. Derzeit verhandelt die österreichische EU-Präsidentschaft einen Ratsbeschluss, der am 26.11.2018 in Brüssel verabschiedet werden soll. Pia Schulte, Junge Europäische Föderalisten (JEF) Deutschland e. V., betonte die aktive Involvierung von JEF Europe und JEF Deutschland in die EU-Jugendstrategie (2010-2018). Im Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung sagte sie: „Für die Umsetzung von Vorhaben, die sich aus der EU-Jugendstrategie ergeben, bietet Erasmus+ ein großes Potenzial, mehr mediale Präsenz wäre gut. Dann ist es leichter für Gliederungsvereine. Konkret könnte man aktiver werden, zusammen mit anderen Organisationen (z. B. Europavereinen wie JEF).“

Karin Baresel, Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern e.V. wünschte sich für die zukünftige Strategie: „Es wäre schön, wenn mehr Potenzial junger Leute von Anfang an ausgeschöpft würde. Bottom-up statt top-down, mehr Initiative von jungen Menschen und mehr Befähigung.“.

Ohne der Entscheidung der Jugendminister und Jugendministerinnen vorgreifen zu wollen, wurde  in den Verhandlungen bereits klar, was eine europäische Jugendpolitik in den nächsten Jahren in den Blick nehmen muss. So diskutieren die Mitgliedstaaten als übergreifende Ziele der neuen EU-Jugendstrategie für die nächsten Jahre folgende Anliegen:

  • Junge Menschen dazu befähigen, Architekten ihres eigenen Lebens zu sein, ihre persönliche Entwicklung und ihren Weg in die Autonomie und die Entwicklung von Widerstandsfähigkeit zu unterstützen, sie mit Kompetenzen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, sich in einer sich verändernden Welt zu behaupten;
  • Junge Menschen dazu ermutigen und mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, aktive Bürger zu werden, solidarisch zu handeln und positive Veränderungen in ihren Lebenswelten zu gestalten, inspiriert durch die europäischen Werte und eine europäische Identität;
  • Verbesserung von Politikentscheidungen in Bezug auf die Auswirkungen für junge Menschen in allen Sektoren, besonders in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und soziale Integration;
  • Beitrag zur Beseitigung von Jugendarmut und allen Formen von Diskriminierung beitragen und Förderung der soziale Inklusion junger Menschen
  • die Beteiligung der Jugendlichen am demokratischen Leben zu fördern und das soziale und gesellschaftliche Engagement zu unterstützen.

Die Mitgliedstaaten werden sich hierfür voraussichtlich auf drei Aktionsbereiche verständigen, die insbesondere eine sinnvolle gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Partizipation junger Menschen voranbringen, die Möglichkeiten europäische Begegnungen, Beziehungen und Austausch von jungen Menschen und Fachkräfte ausbauen und die weitere europaweite Stärkung und Profilierung von Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit verfolgen.

Vieles sei in den letzten Jahren erreicht worden, stellte Hans-Georg Wicke in seinem abschließenden Statement fest. Die EU-Jugendstrategie habe ganz wesentlich dazu beigetragen, dass Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik auf der Agenda der EU ganz oben stünde und wesentlich stärker als früher mitbedacht würde, wenn es um Fragen zur grundsätzlichen Zukunftsausrichtungen der EU geht. Die Einsicht, dass Europa inzwischen zur Lebensrealität junger Menschen gehört und deren aktive Teilhabe an der Gestaltung eine politische Notwendigkeit ist, habe sich ebenfalls mehr und mehr durchgesetzt.

Es sei, so Wicke, die Verantwortung jeder Institution, jeder Ebene, jedes Verbandes, jedes Einzelnen, Europa auf die Tagesordnung zu bringen und daran mitzuwirken, die EU-Jugendstrategie erfolgreich fortzuführen.

Eine Übersicht der Fachpublikationen aus der ersten Phase der EU-Jugendstrategie (2010-2018) steht bei JUGEND für Europa zur Verfügung. Dort finden sich auch Fotos der Veranstaltung und weitere Veröffentlichungen.  

Weitere Nachrichten, Hintergrundinformationen, Projekte und Materialien stehen außerdem auf dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung: www.jugendhilfeportal.de/eu-jugendstrategie 

Quelle: JUGEND für Europa 

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