EU-Jugendstrategie

Erkenntnisse müssen jetzt genutzt werden – transitions diskutiert und formuliert Empfehlungen

v.l.n.r.: Tina Jansen, Bärbel Lörcher-Straßburg, Anneli Starzinger, Thomas Verlage, Michael Fähndrich, Elke Moritz

Internationale Impulse für gelingende Übergänge in Ausbildung und Arbeit finden – mit dieser Zielsetzung hat sich eine Fachtagung in Bonn auseinandergesetzt, an der neben Mitarbeiter/-innen der Jugendsozialarbeit, der Jugendhilfe und der (internationalen) Jugendpolitik auch Wissenschaftler/-innen und Vertreter/-innen von Jobcentern sowie der Wirtschaft teilnahmen. Ziel der Konferenz war es, nationale Empfehlungen zu formulieren und Umsetzungsschritte zu beschreiben, deren Grundlage die Erkenntnisse aus vier Fachaustauschen und einem Study Visit bildeten. Sämtliche Schlussfolgerungen werden in einem Gesamtpapier zusammengefasst.

21.07.2014

Albert Klein-Reinhardt, Referent für europäische und internationale Jugendpolitik im Bundesjugendministerium, zeigte sich mit dem bisherigen Projektverlauf von „transitions“ zufrieden. „Die Ergebnisse werden in die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie einfließen und auch für eine Eigenständige Jugendpolitik in Deutschland sind die gemachten Erfahrungen wertvoll. Dafür möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die bei den Fachprogrammen in Deutschland, Luxemburg, Frankreich und Finnland sowie dem Study Visit in den Niederlanden mitgewirkt haben. Mein Dank gilt auch der begleitenden Expertengruppe.“ Er gab sich optimistisch, dass die nationalen Empfehlungen am Ende tatsächlich Einfluss haben werden. „Sie geben wichtige Hinweise, worüber wir nachdenken sollten. Und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich durch solche Fachdialoge auch Strukturen verändern können.“

„Nicht immer wieder bei null anfangen“

Während der Fachtagung wurde intensiv über den Mehrwert des Peer-Learning-Prozesses zur Weiterentwicklung des Übergangsbereichs diskutiert. „Ich würde mir wünschen, dass das Projekt ´transitions´ erweitert wird. Gute Ansatzpunkte sollten verstetigt werden. Wir sollten nicht jedes Mal bei null anfangen“, sagte Bärbel Lörcher-Straßburg, die als Referentin im Niedersächsischen Sozialministerium arbeitet und in der Bund-Länder-AG zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie mitwirkt. Wichtig sei es vor allem, den Partizipationsgedanken im Übergangsbereich zu stärken. Und auch bei der Fortbildung der Fachkräfte könne man noch eine Schippe drauf legen. „Mir geht es da vor allem um die Haltung“, so Lörcher-Straßburg. Michael Fähndrich von der BAG Evangelische Jugendsozialarbeit, Mitglied der begleitenden Expertengruppe zeigte sich schon jetzt davon überzeugt, dass „transitions“ die eigene Praxis stark beeinflussen wird. „Der Fachkräfteaustausch selbst ist von zentraler Bedeutung. Zudem ist die gemischte Zusammensetzung der Expertengruppe Garant für ein fortlaufendes kritisches Feedback des Projekts.“ Was nach wie vor aber fehle, sei die Einbeziehung anderer Bundesministerien. „Ich würde mir wünschen, dass auch das Bildungs- und das Arbeitsministerium bei ´transitions´ dabei sind“, so Fähndrich.

Bewusste Entscheidungen treffen

Tina Jansen, die als Referentin im Bundesjugendministerium für das Referat Chancengerechtigkeit, Integration und Jugendsozialarbeit arbeitet, betonte, dass es sich lohne, auch bei auf den ersten Blick ähnlich erscheinenden Ansätzen verschiedener Länder genauer hinzuschauen, da auch die Details der Umsetzung wichtig seien. „Das Projekt hat dazu beigetragen, dass es selbstverständlicher wird, neue Blickwinkel mit einzubeziehen – über Deutschland hinaus. Man muss die Praxis anderer Länder kennen, um manchmal bewusster entscheiden zu können: Das wollen wir oder das wollen wir nicht“, so Jansen. In jedem Fall habe „transitions“ gezeigt, dass es sich lohnt, den Peer-Ansatz zu stärken. „Diesen Impuls werden wir auch für hauseigene Programme mitnehmen“.
Ende des Jahres wollen die Wissenschaftler der Goethe Universität Frankfurt am Main ihren Abschlussbericht vorlegen und das Potenzial des internationalen Peer-Learning-Prozesses mit validen Ergebnissen unterfüttern. Mittels teilnehmender Beobachtung, Fragebögen und Experteninterviews haben sie das Projekt begleitet und unter die Lupe genommen. Und eins scheint dem Wissenschaftler Thomas Verlage jetzt schon klar: „Die Programme haben Spuren hinterlassen. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Spuren möglichst genau zu beschreiben.“
Elke Moritz merkt man die Begeisterung noch immer an. Neun Monate ist nun schon her, als sie im französischen Nanterre ein Bildungs- und Gesundheitszentrum besucht hat, das sich mit seinen Angeboten u.a. an Schulabbrecher richtet. Für die Dipl.-Sozialpädagogin, die in Hamburg als Projektleiterin für die Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. im Übergangsbereich Schule-Beruf sowie als Sprecherin des AK Übergangsmanagement der Bundesarbeitsgemeinschaft örtlich regionaler Träger der Jugendsozialarbeit (BAG ÖRT) tätig ist, war der Besuch ein Programmhighlight des Fachaustausches mit Frankreich. Seitdem sieht sie sich darin bestärkt, wie wichtig der ganzheitliche Ansatz insbesondere für die sogenannten „drop outs“ ist. „Wenn ich mir die Einbeziehung von Psychologen anschaue, dann können wir in dieser Hinsicht noch etwas von Frankreich lernen“, so Moritz. Und noch ein Thema liegt ihr am Herzen: die Betrachtung der Jugendphase. „Die Zeitspanne ist länger geworden und wir tun gut daran, den ganzen Zeitraum intensiv in den Blick zu nehmen.“

Vielzahl von Vorschlägen

In Arbeitsgruppen haben die Teilnehmenden darüber diskutiert, wie Kooperationen gestärkt werden können und Koordination im Übergangsbereich gefördert werden kann, welche Bedeutung die Beteiligung junger Menschen für die Stärkung ihrer Eigenverantwortung hat und wie Angebote ganzheitlich und langfristig gestaltet werden können.

Die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Betrieben wurde in allen Arbeitsgruppen besonders intensiv behandelt. Von vielen gewünscht ist eine strukturierte Dialogform mit der Wirtschaft, angepasst an die lokalen Bedingungen. Nur so könnten benachteiligte Jugendliche erfolgreich in die Berufswelt integriert werden. Die Zusammenarbeit sollte dabei langfristig angelegt, solide finanziert und auf verlässliche Rahmenbedingungen aufgebaut werden. Ebenfalls diskutiert wurde über die Errichtung zentraler Koordinierungsstellen auf regionaler Ebene, die für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zuständig sein sollen. Die erste Aufgabe einer solchen Koordinierungsstelle muss der gegenseitige Austausch zu Interessen und Bedarfen aller Beteiligten sein.
Oberbürgermeister könnten den Übergangsbereich zudem zur Chefsache erklären. Gemeinden hätten die Chance, mit dem Label „jugendfreundliche Kommune“ für sich zu werben. Umgekehrt müssten aber auch für Unternehmen Anreize geschaffen werden.
Auch die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der formalen Bildung wurde intensiv diskutiert. So besteht bei vielen Teilnehmenden der Wunsch, Schulsozialarbeit in Trägerschaft der Jugendhilfe als festen Bestandteil in allen Schulen zu verankern – mit einem gemeinsamen Schulkonzept und auch hier mit verlässlichen finanziellen Strukturen. Als feste Kooperationspartner sind hier die zuständigen Landesbehörden mit ins Boot zu holen.

Immer wieder hervorgehoben wurde das Prinzip der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit zwischen SGB II, III und VIII, das in Deutschland bislang noch nicht flächendeckend verwirklicht ist. Manche wünschen sich die gebündelten Hilfsleistungen – auch örtlich – unter einem Dach. Deutlich ist, dass die Frage abgestimmter Systeme im Übergangsbereich auch für Fragen der Kooperation von wichtiger Bedeutung ist.

Große Einigkeit bestand zur Frage der Beteiligung junger Menschen. Sie wird als zentrales Element angesehen, junge Menschen in ihrer Eigenverantwortung zu stärken. Der Jugendhilfeausschuss könnte auch in diesem Zusammenhang ein wichtiger Impulsgeber werden. Eine sinnvolle Ergänzung können in diesem Kontext auch flexiblere Wege in Ausbildung und Arbeit sein, damit Rückschlage auf diesem Weg nicht direkt zu einem kompletten Scheitern führen. Für die Begleitung von Peer-to-Peer-Beziehungen war den Expertinnen und Experten wichtig, dass feste Ansprechpersonen benannt werden. Der Unterstützer sollte von seiner Arbeit profitieren und die Institution, in der der Ansatz umgesetzt wird, muss genügend Zeit und Raum zur Verfügung stellen und einen klaren Rahmen sowie Ziele definieren. Auch das bislang als sehr kompliziert und komplex anmutende Förderwesen sollte reformiert werden. Eine zentrale Stelle zur Vergabe von Fördermitteln wurde von vielen gewünscht, ebenso wie Förderstrukturen, die ganzheitliche und bedarfsgerechte Angebote ermöglichen.

Wie geht es weiter?

Die Ergebnisse der Tagung werden nun mit den bisherigen Ergebnissen aus dem nationalen Begleitprozess bei transitions zusammengeführt und nach der Sommerpause veröffentlicht. Die Ergebnisse aus transitions werden nicht nur Eingang finden in die Arbeit der Bund-Länder-AG zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie oder Eigenständigen Jugendpolitik, sondern stehen allen interessierten Akteuren aus dem Übergangsbereich für die weitere Arbeit zur Verfügung.

Quelle: Marco Heuer

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