EU-Jugendstrategie

Expert(inn)en diskutierten Übergänge in Ausbildung und Arbeit im internationalen Vergleich

Expert(inn)entreffen begleiten die Entwicklung des multilateralen Kooperationsprojektes „tranistions. Gelingende Übergänge in Ausbildung und Arbeit“. Sie sollen inhaltliche Schwerpunkte herausarbeiten, die in internationalen Fachprogrammen und Tagungen vertieft werden. 25 Expert(inn)en waren am 5. November der Einladung von IJAB nach Köln gefolgt und wurden selbst Teil des internationalen Austauschs.

07.11.2012

Kernpunkte der Veranstaltung waren Präsentationen der Übergangssysteme in Frankreich und Finnland, die Diskussion möglicher sich daraus ergebender Fragestellungen und die wissenschaftliche Begleitung des Projektes transitions. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Jugendsozialarbeit, Berufsbildung, Wissenschaft und Verwaltung bot Projektkoordinatorin Claudia Mierzowski zunächst einen Überblick über den Status des Projektes, das Kooperationsinteresse aus der Türkei, den Niederlanden und Luxemburg, sowie die anstehenden Fachprogramme. <link http: www.ijab.de aktivitaeten internationale-zusammenarbeit uebergaenge-in-arbeit-transitions uebergaenge-in-arbeit a show ausschreibung-neue-kooperationen-zwischen-bildung-und-arbeitswelt _blank external-link-new-window external link in new>Das erste wird bereits im Dezember in Deutschland stattfinden. Drei weitere Fachprogramme sind im Projektverlauf vorgesehen, dazu ein Study Visit und vor- und nachbereitende Seminare, die den Transfer der Erkenntnisse unterstützen sollen. Eine nationale und eine internationale Fachtagung markieren die Höhepunkte im Projektverlauf.
Begleitforschung bot Anlass zur Diskussion

Einen ersten Anlass zur Diskussion bot die Vorstellung der geplanten wissenschaftlichen Begleitforschung durch Prof. Dr. Andreas Walther vom Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Universität Frankfurt. Untersuchungsgegenstand sind sowohl der Prozess des Peer-Learning als auch die inhaltlichen Ziele des Projekts. Er führte aus, dass  die Annahmen über die Effekte von Peer-Learning in internationalen Kontexten häufig Anlass zu falschen Erwartungen gäben. Seine bisherigen Forschungen ließen nicht erwarten, dass sich positive Beispiele aus anderen Ländern problemlos nach Deutschland übertragen ließen. Ihr Wert liege vielmehr in der kritischen Reflexion des eigenen Arbeitsfeldes unter den spezifischen Bedingungen in Deutschland. Albert Klein-Reinhardt, der für das fördernde Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) an der Veranstaltung teilnahm, betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig seinem Haus der internationale Austausch sei. Kein Arbeitsfeld könne mehr ausschließlich national gedacht werden, zu bedeutend seien inzwischen die Wirkung Europas und internationaler Faktoren. Der Beschluss der Bund-Länder-Kommission von 2001, internationalen Austausch stärker für die Ausgestaltung des eigenen Handels einzubeziehen, beginne nun Früchte zu tragen. Dies schlage sich auch in der Ausgestaltung einer Eigenständigen Jugendpolitik nieder, in der der internationale Blickwinkel eine wesentliche Rolle spiele. Auch die Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland müsse im Kontext der Internationalisierung genannt werden. Das Projekt transitions leistet einen Beitrag zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland.
Zwei Länder, zwei Beispiele

Heidi Elo, Jugendarbeiterin in der finnischen Stadt Lieto, stellte das System der finnischen Jugendwerkstätten (Workshop Kisällikellari) vor, die flächendeckend im ganzen Land vorhanden sind. Trotz guter Noten für das finnische Schulsystem in allen internationalen Vergleichsstudien ist die Jugendarbeitslosigkeit mit 17 % hoch. Hintergrund sind schwierige Situationen in der Familie, Migration sowie der Wunsch nach persönlicher Freiheit in einer stark durch Arbeitsethik geprägten Gesellschaft. Hinzu kommen Jugendliche mit guten Bildungsabschlüssen, die keine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitsstelle finden. Die Werkstätten bieten berufliche Qualifizierung in klassischen Handwerksberufen, darüber hinaus jedoch auch einen „individual trainer“, der mit den Jugendlichen in einem dauernden Dialog nicht nur über ihre berufliche Zukunft steht, sondern über ihre gesamte Lebensplanung und dabei auch Freizeitaktivitäten durchführt. Unter bestimmten Bedingungen kann Jugendlichen sogar ein Gehalt gezahlt werden, was wesentlich zur Motivation beiträgt. 73 % der Jugendlichen, die durch die Werkstatt in Lieto betreut wurden, waren zwei Jahre später nicht mehr arbeitslos.

In Frankreich liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 23 %, wie in Finnland mit steigender Tendenz. Dort sind die „mission locales“ für die Unterstützung von Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen zuständig, Jugendliche ohne Schulabschluss oder Berufsabschluss. Auch hierbei handelt es sich um ein flächendeckendes System, das zwar mit den örtlichen Arbeitsagenturen kooperiert, aber auf dem Prinzip der Freiwilligkeit fußt. Auch dieses 1982 gegründete Netzwerk verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Nicht ausschließlich die Integration eines Jugendlichen in den Arbeitsmarkt steht im Vordergrund, auch familiäre Probleme oder Straffälligkeit werden im Beratungsprozess einbezogen. Karine Brard-Guillet vom „Conseil national des missions locales“, die ihre Institution vorstellte, bezeichnete sie als „Berufsinformationsstruktur der besonderen Art“. Besonders deshalb, weil die Beraterinnen und Berater zwar dieselben Zugänge zu Beschäftigungsmaßnahmen und Qualifizierungsangeboten haben, wie die Arbeitsagenturen, die Beratung jedoch freiwillig und ganzheitlich erfolgt. Der Einstieg ins Berufsleben geht einher mit Qualifikation, Förderung von Mobilität und Gesundheit oder Beschaffung einer Unterkunft.
Raum zum fachlichen Austausch

Arbeitsgruppen und ein Abschlussplenum boten reichlich Raum die gewonnenen Eindrücke zu diskutieren. Beeindruckt zeigten sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Prinzip der Freiwilligkeit in Frankreich und dem hohen Maß an Flexibilität der Maßnahmen in Finnland. Weitere Diskussionsbeiträge bezogen sich auf den freizügigen Austausch von Personendaten zwischen am Übergangsprozess beteiligten Institutionen in beiden Ländern, auf das Prinzip eines einzigen Ansprechpartners für Jugendliche, auf die Niederschwelligkeit der Angebote, auf die durch den Föderalismus bedingte Vielfalt der Angebote in Deutschland und auf den Umstand, dass die finnischen Werkstätten nicht in Konkurrenz zu lokalen Unternehmen treten, sondern lokale Angebote bereichern. Die kollegiale Hochachtung galt dem Eindruck, dass Jugendliche mit ihrer ganzen Persönlichkeit in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden und nicht nur auf ihre Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt überprüft werden.

Quelle: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland

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