EU-Jugendstrategie

DBJR äußert sich zur neuen EU-Jugendstrategie 2019 bis 2027

In seiner ausführlichen Stellungnahme bewertet der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) den Vorschlag der Europäischen Kommission und macht konkrete Verbesserungsvorschläge. Aus Sicht der Jugendverbände spiegelt er wesentliche Elemente von Jugendpolitik und Jugendarbeit.

08.08.2018

Der aktuelle Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa – die EU-Jugendstrategie – läuft Ende 2018 aus. Dieser Rahmen legt fest, wie die EU-Mitgliedstaaten im Jugendbereich zusammenarbeiten. Die Europäische Kommission hat am 22. Mai 2018 ihren Vorschlag für eine neue EU-Jugendstrategie präsentiert. Dieser Vorschlag bildet die Grundlage für die Verhandlungen unter den EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten. Es ist geplant, dass der EU-Jugendministerrat die neue EU-Jugendstrategie Ende November 2018 verabschiedet.

Mit dieser Stellungnahme bewertet der Deutsche Bundesjugendring den Vorschlag der Europäischen Kommission aus Sicht der Jugendverbandsarbeit und möchte sich damit mit konkreten Verbesserungsvorschlägen in den Diskurs über die neue EU-Jugendstrategie einbringen.

Das Ziel einer EU-Jugendstrategie muss sein, die Jugendpolitik auf EU-Ebene strukturell und ressortübergreifend zu stärken. Als strategischen Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa muss die EU-Jugendstrategie in Verbindung mit den Förderprogrammen die Lebenssituation junger Menschen in Europa verbessern. Jugendliche sollen nicht nur als Risikogruppe und Humankapital angesehen werden, ihre Stärken und Interessen müssen anerkannt und unterstützt werden. Junge Menschen sind Expert/-innen ihres eigenen Lebens und wollen Europa heute und zukünftig mitgestalten.

Ein erneuter Rahmen der jugendpolitischen Zusammenarbeit 

Der DBJR begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für die neue EU-Jugendstrategie. Wir finden den Ansatz der Strategie gut, sich auf wenige jugendspezifische Aktionsbereiche zu fokussieren und die Jugendpolitik ressortübergreifend anzulegen. Die vorgeschlagenen drei Aktionsbereiche Beteiligung, Begegnung und Befähigung spiegeln wesentliche Elemente von Jugendpolitik und Jugendarbeit wider und bilden somit eine gute Grundlage für die EU-Jugendstrategie. Wir befürworten auch den Fokus auf das Erreichen aller jungen Menschen, die Ebenen übergreifende Zusammenarbeit sowie die Berücksichtigung der Digitalisierung. Zudem scheinen die notwendigen Freiräume für und die Qualität von Jugendarbeit einen wichtigen Stellenwert zu erhalten.

Die Europäische Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, festgelegte und flexible Aktionsbereiche zu definieren. Der DBJR begrüßt diesen zweistufigen Ansatz. Während die festgelegten Aktionsbereiche wichtige Kernthemen der Jugendverbandsarbeit ansprechen, muss die Liste der flexiblen Handlungsfelder in klar strukturierte Prioritäten transformiert werden. Besonders positiv bewerten wir in diesem Zusammenhang die Idee der nationalen Aktionspläne, mit denen die Mitgliedstaaten ihre Ziele und Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie festlegen können. Dies soll dazu beitragen, die Wirksamkeit der Strategie zu verbessern und die Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten zu erhöhen.

Die EU-Jugendstrategie soll an die Dauer des Mehrjährigen Finanzrahmens (2021-2027) angepasst werden und somit von 2019 bis 2027 gelten. Der DBJR begrüßt diese Anpassung, weil sie eine bessere Koordination zwischen der politischen Strategie und den EU-Förderprogrammen ermöglicht. Da die neue EU-Jugendstrategie aber bereits 2019 beginnen soll, muss der Übergang für die Jahre 2019 und 2020 geregelt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die dadurch entstehenden Synergien von Anfang an der Umsetzung der EU-Jugendstrategie dienen.

Bei allen positiven Ansätzen ist nicht zu übersehen, dass viele Punkte in dem Vorschlag noch sehr vage gehalten sind. An vielen Stellen bleibt unklar, wie der eine oder andere Punkt konkret umgesetzt werden soll, was eine vollständige Bewertung erschwert. Auf einige dieser Punkte gehen wir im Folgenden ein und konkretisieren unsere Forderungen dazu. Es liegt in der Hand der EU-Mitgliedstaaten, wie wirksam und durchschlagkräftig die EU-Jugendstrategie verhandelt, interpretiert und umgesetzt wird.

Im vorliegenden Vorschlag werden die Aktivitäten und die Rolle der Jugendverbände leider nicht angemessen wertgeschätzt. Dabei haben sie sich in den letzten Jahren aktiv in die Umsetzung der aktuellen EU-Jugendstrategie eingebracht und sind wichtige Mittler, insbesondere wenn es um die Zusammenarbeit mit der regionalen und lokalen Ebene geht.

Enttäuschend ist zudem, dass die Europäischen Jugendziele (EU Youth Goals), die im April 2018 bei der EU-Jugendkonferenz in Sofia entwickelt wurden, nirgends erkennbar im Vorschlag berücksichtigt werden. Dabei wurde dieser EU-weite Jugendbeteiligungsprozess im Sommer 2017 mit dem expliziten Ziel gestartet, junge Menschen in die Entwicklung der neuen EU-Jugendstrategie einzubeziehen. Dass die Europäische Kommission die Ergebnisse nicht sichtbar aufgreift, konterkariert, was sie selbst im Vorschlag zur Bedeutung von Beteiligung schreibt und ist für die Zehntausenden junge Menschen, die sich an dem Prozess beteiligt haben, eine herbe Enttäuschung. Wir plädieren an die EU-Mitgliedstaaten, die Europäischen Jugendziele bei ihren Verhandlungen aufzugreifen und dafür Sorge zu tragen, dass sich die Beiträge junger Menschen sichtbar in der neuen EU-Jugendstrategie wiederfinden.

Ressortübergreifende Jugendpolitik und ihre Umsetzung

Zur besseren Koordinierung schlägt die Europäische Kommission die Einführung eines/-einer EU-Jugendkoordinator/-in vor. Als Ausdruck dafür, dass die (europäische) Jugendpolitik als Querschnittthema anerkannt wird, ist dies ein richtiges Zeichen und bedeutet einen konkreten Fortschritt für eine ressortübergreifende Jugendpolitik. Wenig sinnvoll erscheint aber, die Aufgabe der institutionellen Koordination und eine Anlaufstelle für junge Menschen in einer Stelle zu vereinen. Der DBJR stellt deshalb folgende Anforderungen an eine/n EU-Jugendkoordinator/-in:

  • Die Stelle darf weder auf der symbolischen und repräsentativen Ebene bleiben noch darf sie alle anderen Akteure aus der Verantwortung entlassen.
  • Die Koordination der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa kann nicht einer Person überlassen werden. Die/der EU-Jugendkoordinator/-in braucht dafür Unterstützung in Form eines Sekretariats oder eines Stabs.
  • Die Stelle darf nicht in der Generaldirektion für Bildung, Jugend und Sport angesiedelt sein, sondern muss möglichst hoch angesiedelt sein und mit den entsprechenden Kompetenzen zur Koordination der Jugendpolitik in Europa ausgestattet sein.
  • Die/ der EU-Jugendkoordinator/-in darf nicht gleichzeitig als „Anlaufstelle für junge Menschen“ dienen. Denn junge Menschen haben genau wie alle anderen Menschen vielfältige Anliegen, die thematisch nicht von einer Person alleine abgedeckt werden können.

Das Beispiel des ressortübergreifenden Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung in Deutschland zeigt, wie die Stelle der/des EU-Jugendkoordinator/-in ausgestaltet bzw. ergänzt werden könnte. Nachhaltigkeitspolitik wird in Deutschland federführend im Bundeskanzleramt bearbeitet. Zudem ist in allen Bundesministerien eine Person für Nachhaltigkeitspolitik zuständig. Zur ressortübergreifenden Koordinierung findet regelmäßig ein Ausschuss der Staatsekretär/-innen aus den Bundesministerien statt. Verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure sind mittels einer Dialoggruppe im Rahmen der Tagung der Staatsekretär/-innen eingebunden.

Mit dem Staatssekretär/-innen-Ausschuss ist die ressortübergreifende Politik möglichst hoch angesiedelt. Darüber hinaus ermöglicht die thematische Zuordnung im Kanzleramt eine bessere ressortübergreifende Koordination und stärkt deren Bedeutung. Auf europäischer Ebene könnte die Stelle im Kabinett des Kommissionspräsidenten angesiedelt werden. Zusammen mit den Personen, die in den Generaldirektionen inhaltlich für das Thema zuständig sind, könnten sie die regelmäßigen Treffen der Generaldirektor/-innen zur Jugendpolitik begleiten.

Jugendpolitische Prioritäten in Europa

Die Jugendverbandsarbeit

Die festgelegten Aktionsbereiche im Vorschlag der Kommission greifen Kernthemen der Jugendverbandsarbeit auf, wie beispielsweise Beteiligung, Jugendarbeit und Solidarität. Auch wenn die Hinweise zur Instrumentalisierung der Jugendarbeit im Vergleich zu anderen Dokumenten gering sind, ist die Tendenz zur Verzweckung für den Arbeitsmarkt dennoch problematisch. Zudem wird Solidarität nicht nur im Europäischen Solidaritätskorps gelebt, sondern ist tägliche Praxis in Jugendverbänden und Jugendgruppen. Deshalb finden wir den starken Fokus auf das europäische Solidaritätskorps im vorliegenden Vorschlag problematisch.

Der DBJR begrüßt den inklusiven Ansatz: Die neue EU-Jugendstrategie muss alle jungen Menschen erreichen, auch die jungen Geflüchteten und junge Menschen mit Migrationshintergrund, Jugendliche mit Behinderung und ohne Behinderung, bildungsnahe- und bildungsferne junge Menschen, junge Menschen aus unterschiedlichsten sozioökonomischen Umfeldern sowie Jugendliche, die im ländlichen Raum leben oder in der Stadt. Dies entspricht dem Menschenbild bzw. den Grundwerten der Selbstorganisationen junger Menschen in den Jugendverbänden. Bei ihnen steht die Einzigartigkeit der/des Einzelnen im Vordergrund, unabhängig von den o.g. Kriterien. In Jugendverbänden wird kein junger Mensch z. B. wegen sozialer und individueller Umstände benachteiligt.

Leider wird genau diese Rolle der Jugendverbände als inklusive und lokal verankerte Mittler im Vorschlag der Europäischen Kommission nicht ausreichend anerkannt. Jugendliche engagieren sich freiwillig und selbstorganisiert in Jugendverbänden und können die Entwicklung der Gesellschaft so konkret beeinflussen. Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie und basieren auf Vielfalt, Pluralität und Selbstorganisation. Vor Ort gewachsene Strukturen sowie demokratisch organisierte Jugendverbände wie im Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, sind deshalb strukturell und finanziell zu fördern.

Das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) befasst sich mit den gesetzlichen Regelungen, die die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland betreffen. Unter Paragraph 12 findet sich die unbedingte Förderverpflichtung für Jugendverbandsarbeit:

(1) Die eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände und Jugendgruppen ist unter Wahrung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens nach Maßgabe des § 74 zu fördern.

(2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegt und in der Regel auf die eigenen Mitglieder ausgerichtet, sie kann sich aber auch an junge Menschen wenden, die nicht Mitglieder sind. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.

Das Thema der Jugendarbeit wird im aktuellen Vorschlag als eigenständiger Bereich mit dem Fokus auf Qualität, Innovation und Anerkennung des Ehrenamts gut verankert. Allerdings sehen wir die Fokussierung auf die Anerkennung der Bildungsleistung bzw. der erworbenen Kompetenzen kritisch, da diese Anerkennung das Ehrenamt auf Bildungsoutcomes reduziert. Jugend(verbands)arbeit ist mehr als Bildung: Sie braucht Freiräume und kann dementsprechend nicht validiert werden. Ein gutes Beispiel der Qualitätssicherung ohne Validierung von Bildungsoutcomes ist die Jugendleiter/-in-Card in Deutschland:

Die Jugendleiter/-in-Card (Juleica) ist ein bundesweit einheitlicher, amtlich bestätigter Ausweis für die regelmäßige qualifizierte ehrenamtliche Tätigkeit in der Jugendarbeit. Die Juleica steht vor allem für Qualität und Qualifizierung in der Jugendarbeit, die gesellschaftliche Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement sowie der Legitimation gegenüber Teilnehmenden. In gemeinsamer Verantwortung von öffentlichen und freien Trägern – also der staatlichen und nicht-staatlichen Stellen gemeinsam – verbindet die Juleica die notwendige Verbindlichkeit mit der ebenso notwendigen Flexibilität und föderalen Vielfalt. Bundesweite verbindliche Mindeststandards werden mit darauf aufbauenden Regelungen in den 16 Bundesländern und einer verbandsspezifischen Umsetzung der Standards bei der Ausbildung kombiniert.

Die thematische Verbindung der Jugendarbeit zum Europarat finden wir wichtig und richtig, da wir dessen gemeinsame Entscheidungsstrukturen zwischen Regierung und Zivilgesellschaft, das Co-Management, als Vorbild sehen. Die Möglichkeiten des Co-Managements bei der Erarbeitung und Beurteilung der jugendpolitischen Zusammenarbeit auf EU-Ebene sowie bei der Vergabe von Fördermittel sollte auf europäischer Ebene zeitnah getestet werden.

Weitere Prioritäten der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa

Der DBJR begrüßt die Flexibilisierung der Strategie, so dass die Mitgliedstaaten neben den festgelegten Handlungsfeldern auch flexible Aktionsfelder bestimmen und ihre Jugendpolitik an aktuelle Entwicklungen anpassen können.

Im aktuellen Vorschlag sind die flexiblen Themen als offene Liste formuliert. Viele dieser Themen finden wir aus Sicht der Jugendverbände wichtig; ergänzend und vertiefend dazu schlagen wir folgende Themen vor:

  • Zugang zu formaler und non-formaler Bildung ermöglichen und sichern als Grundvoraussetzung dafür, Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft zu garantieren und das Engagement junger Menschen als aktive Bürger/innen zu fördern.
  • Aktiv gegen Diskriminierung auf allen Ebenen angehen und Diversität fördern: Denn Vielfalt bereichert und prägt das Zusammenleben in der Gesellschaft und muss deshalb als Chance gesehen werden.
  • Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigungsverhältnisse als europäische Aufgabe: Es muss ein gemeinsames Ziel der Mitgliedstaaten sein, qualifizierte Arbeitsplätze für alle jungen Menschen zu schaffen und die sozialen Rechte für junge Menschen in Europa zu sichern.
  • Digitalisierung und Netzpolitik jugendgerecht gestalten: Denn die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und betrifft insbesondere junge Menschen, die sich selbstverständlich in digitalen Lebenswelten bewegen.
  • Politische Bildung und Demokratiebildung intensivieren, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller demokratiepolitischer und populistischer Entwicklungen in Europa.

Die Instrumente der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa

Beteiligungsprozesse und die Rolle der Jugendverbände

Soll das europäische Projekt gestärkt und eine solidarische demokratische Gesellschaft gefördert werden, müssen Jugendliche in allen Phasen der Politikgestaltung einbezogen und Zugänge dazu erleichtert werden. Nicht nur, um „sie zu befähigen, ihre Träume zu verwirklichen“, sondern um die Gesellschaft aktiv mitgestalten zu können. Dies verstärkt nicht nur ihr Zugehörigkeitsgefühl, sondern führt letztlich zu einer besseren Politik, die den Bedürfnissen aller am Prozess beteiligten Akteure entspricht.

Der vergangene Strukturierte Dialog hat oft zu Frustrationen bei jungen Menschen und Jugendverbänden geführt, weil der Prozess häufig als reines Abfragen von Meinungen ohne Wirkung auf die aktuelle Jugendpolitik organisiert war. Der DBJR begrüßt deshalb, dass die Europäische Kommission mit dem neuen EU-Jugenddialog den Jugendbeteiligungsprozess im Rahmen der EU-Jugendstrategie weiterentwickeln möchte. Diesen Neustart mit einer Änderung des eher unattraktiven Begriffs „Strukturierter Dialog“ zu verbinden, finden wir gut.

Über den EU-Jugenddialog sollen junge Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zu politischen Entscheidungen auf EU-Ebene Stellung nehmen können. Zudem soll die Beteiligung lokal besser verankert, Monitoringmechanismen verbessert sowie mehr Fokus auf Transparenz, Sichtbarkeit und Verwendung der Ergebnisse gelegt werden. Diese allgemeinen Zielsetzungen begrüßen wird.

Doch was sich im Abschnitt „Beteiligung“ in der Mitteilung weitgehend gut anhört, spiegelt sich im detaillierten Ablaufplan, der im Staff Working Paper beschrieben wird, unserer Meinung nach nicht wirklich wider. Wir fordern deshalb die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die folgenden Punkte nachzubessern:

  • Den Dialog zwischen jungen Menschen und politisch Verantwortlichen ausbauen. Denn im bislang geplanten Ablauf sind breitere Diskussionen nur im Rahmen der ersten Phase und während der EU-Jugendkonferenzen vorgesehen. Vor allem darf im neuen EU-Jugenddialog die breite Beteiligung nicht auf quantitative Umfragen reduziert werden.
  • Klare Beteiligungsgegenstände und anlassbezogene Partizipation schaffen. Die Jugendbeteiligung sollte über die strategische Agenda der Ratsarbeitspläne für Jugend hinausgehen. In der EU-Jugendstrategie sollte festgeschrieben werden, dass junge Menschen auch in die Entwicklung und Umsetzung von EU-Programmen, -initiativen oder sonstigen Regelungen, die sie betreffen, einbezogen werden (z.B. EU-Förderprogramme oder europäischen Initiativen wie das Europäische Solidaritätskorps oder #DiscoverEU).
  • Offenheit für die Themen junger Menschen gewährleisten. Auch beim EU-Jugenddialog sollen die Schwerpunktthemen wieder zentral vorgegeben werden und sich aus der strategischen Agenda der Ratsarbeitspläne für Jugend speisen. Junge Menschen sollten ihre eigenen Themen in Dialogprozess auf EU-Ebene einbringen und somit die Jugendagenda aktiv mitgestalten können.
  • Sicherstellen, dass junge Menschen wirklich in allen Phasen des Beteiligungsprozesses einbezogen werden. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass die Vertreter/-innen, die die Nationalen Arbeitsgruppen zu den EU-Jugendkonferenzen entsenden, Jugendvertreter/-innen sein müssen.
  • Die lokale und regionale Ebene stärker anbinden. Auch wenn der Fokus der ersten Dialogphase auf lokalen Diskussionen liegt, fehlt deren konsequente Einbindung in die beiden folgenden Phasen. Darüber hinaus sollte das neue Erasmus-Programm stärker als bisher vorgesehen mit dem EU-Jugenddialog verknüpft werden. Nachdem die Projekte zum Strukturierten Dialog der jetzigen Leitaktion 3 eine gute Möglichkeit bieten, die europäischen und nationalen Prozesse zu erden und über unterschiedliche Formate und Methoden vielfältige Zielgruppen anzusprechen, könnte die gewünschte lokale und regionale Anbindung des EU-Jugenddialogs darüber gefördert werden. Im neuen Erasmus-Programm ist bislang keine spezifische Förderung von Projekten zum EU-Jugenddialog vorgesehen. Statt noch sehr vage formulierten Jugendbeteiligungsaktivitäten sollten Prioritäten auf Projekte zum EU-Jugenddialog gesetzt und eine rein nationale Förderung möglich sein. Als Beispiel guter Praxis, wie eine inhaltliche Verknüpfung gestaltet werden kann, sei hier auf die Förderstrategie der deutschen Nationalagentur für die Leitaktion 37 verwiesen, deren Vorgängerversion gemeinsam mit dem DBJR entwickelt wurde.
  • Die Wirksamkeit der Beteiligung stärken. Auch wenn gemäß Kommissionsvorschlag die dritte Dialogphase dem Follow-up gewidmet ist, scheint das Feedback und Follow-up auf EU-Ebene dem/der EU-Jugendkoordinator/-in überlassen zu werden. Das ist unserer Meinung nach zu wenig. Wir erwarten ein stärkeres Committment von alle relevanten europäischen Akteuren.

Bedauerlich ist, dass die EU-Kommission die Rolle und Arbeit, die die Jugendverbände und die Nationalen Jugendringe in den vergangenen Jahren im Strukturierten Dialog geleistet haben, nicht anerkennt. Sie unterstellt, dass sich überwiegend Jugendorganisationen beteiligt haben, die in EU-Angelegenheiten aktiv sind. Dies gilt zumindest nicht für Deutschland.

Eine vergrößerte Reichweite des Prozesses und das Erreichen mehr junger Menschen sind wünschenswert. Aber die Motivation von Jugendlichen und jungen Menschen zur Beteiligung steht und fällt mit der Wirksamkeit des Beteiligungsprozesses: Wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Beiträge ernst genommen und nachvollziehbar in politische Prozesse einfließen, steigt auch die Motivation der Teilnehmenden.

Der DBJR begrüßt, dass der neue EU-Jugenddialog stärker auf junge Menschen mit Benachteiligungen eingehen soll, auch wenn wir uns wünschen würden, dass der Fokus darauf liegt, ALLE jungen Menschen zu erreichen. Kritisch sehen wir die Idee, dabei stark auf Online-Beteiligung (z.B. Online-Kampagnen) zu setzen und dafür insbesondere das Europäische Jugendportal auszubauen. Gerade unter der Voraussetzung, dass die Beteiligungsprozesse inklusiver gestaltet werden sollen, ist das Europäische Jugendportal als zentraler Online-Einstiegspunkt ungeeignet. Zum einen ist es nicht niederschwellig genug ist. Zum anderen spricht Online-Beteiligung alleine selten sogenannte „benachteiligte“ Zielgruppen an. Die Erfahrung zeigt, dass gerade benachteiligte Jugendliche über Peer Groups oder persönliche Bezugspersonen (z.B. Gruppenleiter/-innen, Sozialarbeiter/-innen) auf Mitmachmöglichkeiten aufmerksam werden. Freie Träger der Jugendarbeit/-hilfe wie zum Beispiel Jugendverbände eignen sich daher besonders gut als Mittler/-innen zwischen den Akteuren und Ebenen. Deshalb ist es wesentlich, ihre Rolle im neuen EU-Jugenddialog zu stärken. Gleiches gilt für die Nationalen Jugendringe als Schnittstelle zwischen der nationalen und der europäischen Ebene.

Nationale Aktionspläne

Zur nationalen Umsetzung der EU-Jugendstrategie schlägt die Europäische Kommission vor, dass die Mitgliedstaaten alle drei Jahre nationale Aktionspläne mit selbst gewählten Zielen und Indikatoren verabschieden. Wenn damit zum Beispiel mit nationalen Kontrollmechanismen eine stärkere Eigenverpflichtung der Mitgliedstaaten und eine höhere Wirksamkeit erreicht werden, ist dieses Vorgehen aus unserer Sicht zu befürworten. Wir erwarten jedoch, dass bei der Erarbeitung der nationalen Aktionspläne die Zivilgesellschaft strukturell beteiligt wird. Zudem müssen die nationalen Aktionspläne eng mit der nationalen Jugendstrategie koordiniert und stark auf lokaler sowie regionaler Ebene verankert sein.

Voneinander-Lernen

Ein weiteres wichtiges Instrument der Umsetzung der EU-Jugendstrategie ist das Voneinander-Lernen der Mitgliedstaaten untereinander. In der aktuellen Jugendstrategie war dieses Instrument gerade im Rahmen der multilateralen Kooperationsprojekte wichtig. Der DBJR begrüßt, dass dieses Instrument auch in der neuen Strategie fortgesetzt werden soll.

Um allerdings einen Mehrwert für die Jugendpolitik im eigenen Land zu bieten, ist es wichtig, dass das Zusammenarbeiten zielgerichtet und thematisch fokussiert erfolgt. Mitgliedstaaten brauchen Flexibilität, zu den Themen zu arbeiten, die für sie relevant sind. Dies schafft eine höhere Motivation für eine aktive Mitarbeit. Um die Zusammenarbeit möglichst praxisnah zu gestalten, muss die Beteiligung der Zivilgesellschaft, insbesondere der Jugendverbände gewährleistet sein. Dabei sollten Formate und Methoden der Zusammenarbeit unbedingt jugend- und zielgruppengerecht gestaltet werden, damit insbesondere junge Menschen sich ihren Möglichkeiten entsprechend in die Aktivitäten einbringen können. Zentrale Inhalte und Ergebnisse müssen zudem veröffentlicht werden, damit möglichst viele Akteure – auch über den Kreis der Mitgliedstaaten hinaus - vom Prozess des Voneinander-Lernens profitieren. Dabei muss die Transferleistung und Rückkoppelung zur Praxis vor Ort mitbedacht werden.

Monitoring

Zur Begleitung der Umsetzung der EU-Jugendstrategie soll eine europäische Plattform mit Beteiligung der Zivilgesellschaft geschaffen werden. Wir begrüßen, dass die Zivilgesellschaft auch auf europäischer Ebene kontinuierlich in die Umsetzung der EU-Jugendstrategie eingebunden werden soll. Allerdings hängt dabei viel von der konkreten Ausgestaltung der Plattform ab. Wir erwarten, dass die Zivilgesellschaft in allen Bereichen der Umsetzung der EU-Jugendstrategie strukturell, wirkungsvoll und inhaltlich eingebunden sein. Eine Sitzung pro Jahr ist für diesen Zweck unzureichend.

Zur besseren Übersicht sollen zudem die jugendpolitischen Ausgaben in Europa zentral nachverfolgt werden. Dies ist aus Jugendverbandsperspektive ein wichtiger erster Schritt, um Jugendpolitik auch in der Umsetzung als Querschnittsaufgabe zu verstehen.

Mitgliedstaaten in der Verantwortung für eine gute Jugendpolitik

Die Kommission hat ihren Vorschlag für die EU-Jugendstrategie vorgelegt. Es ist nun an den Mitgliedstaaten eine gute Jugendstrategie zu verhandeln, diese wirksam umzusetzen und die Lebenssituation junger Menschen zu verbessern.

Quelle: Deutscher Bundesjugendring 

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