Kinder- und Jugendhilfetag
Arbeiten bis der Arzt kommt
Auf dem Fachkongress des Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages ging es nicht ausschließlich um die Jugend, sondern auch um die, die sich um die Jugend kümmern. Neben Aspekten wie fachliche Kompetenz, Ausbildung und Professionalität der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe wurde über Gesundheitsschutz gesprochen. Verdi stellte seine Vorschläge vor, wie in Betrieben insbesondere die immer gravierenderen psychischen Belastungen erkannt und institutionell vermindert werden können.
05.06.2014
Von Anita Demuth
Der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse von 2011 hat deutlich gezeigt, wie psychische und Verhaltensstörungen zu einem starken Anstieg der Fehltage deutscher Arbeitnehmer seit 2005 geführt haben. Fehltage aufgrund körperlicher Beschwerden stagnieren seit Jahren, wobei man erwarten könnte, dass es durch die immer besser werdende Medizin diese Zahl eigentlich abnehmen sollte. Die Stagnation deutet wiederum auf psychische Belastungen hin, da sich diese zunächst oft in körperlichen Beschwerden äußert. Das ist eine alte Weisheit, die wir von Redensarten wie „sich den Kopf zerbrechen“, „Der kann mir den Buckel herunter rutschen“ und „Der sitzt mir im Nacken“ kennen.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat 2009 einen nunmehr gültigen Tarifvertrag Gesundheit abgeschlossen, in dem festgelegt wurde, auf welche Art und Weise Betriebe der sozialen Dienste für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter sorgen müssen. Essentiell an dem neuen Tarifvertrag ist, dass das Thema psychische Belastungen darin integriert wurde. Damit wurde eine eher neuartige Herausforderung für Unternehmen und Krankenkassen angegangen.
Als die Verdi-Sprecherin eine Grafik an die Wand wirft, die eine Übersicht über die Inhalte dieses Tarifvertrages geben soll, stöhnt das Publikum auf. Zu komplex wirkt das Zusammenspiel von Kästen und Pfeilen, die Akteure und Verantwortlichkeiten darstellen. Und selbst die Erklärende verliert sich irgendwann in dem Gebilde. Zentral ist, dass der Betriebs- oder Personalrat vom Arbeitgeber verlangen kann, dass eine betriebliche Kommission eingesetzt wird, die für Beratung und Beschwerden in Sachen Gesundheitsschutz verantwortlich ist. Die Kommission bestehend aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern solle außerdem einen „Gesundheitszirkel“ einrichten, der umfassende Gesundheitsbeurteilungen durchzuführen hat, sprich neben der gesetzlich verpflichtenden Arbeitssicherheitsaspekten psychische Belastungspotentiale überprüft.
Der Austausch mit dem Publikum war rege in der Veranstaltung. Es wurde diskutiert, welche Belastungen auf die Psyche schlagen und was dagegen gemacht werden kann. Zum Beispiel ob man als Sozialarbeiter telefonisch immer erreichbar sein sollte. Eine Gruppe von jungen Frauen, die beim Jugendamt arbeiten, empfinden die zeitlich befristeten Verträge über zumeist 5 Jahre hinweg belastend, weil dies die Familiengründung schwer mache.
Publikum und Vortragende waren sich auch schnell darin einig, dass es auch in der Eigenverantwortung der Angestellten liegt, auf die eigenen Ressourcen zu achten und dass man diese für das Thema sensibilisieren müsse. „Viele kriegen ja die Klappe nicht auf“ meinte ein Herr, der in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung arbeitet. Die Kollegen würden trotz Krankheit nicht zuhause bleiben, weil sie negative Auswirkungen im Job befürchten und den Kollegen nicht mit den eigenen Aufgaben belasten wöllten. Und dann wird eben gearbeitet, bis der Arzt kommt.
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