Fachkräfteportal vor Ort: Zu Besuch im Jugendamt Essen

Im Interview mit dem Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe: die Diplom-Sozialpädagogin Petra Schmid.

Eine Redakteurin des Fachkräfteportals der Kinder- und Jugendhilfe war wieder vor Ort und hat in Essen das Jugendamt besucht.

27.02.2012

Die Hauptstelle des Jugendamtes liegt zentral in der Essener Innenstadt neben dem altehrwürdigen Grillo-Theater. Es ist ein grauer regnerischer Tag und so richtig einladend sieht der Haupteingang nicht aus. Aber im dritten Stock biege ich einmal um die Ecke und da sitzt Petra Schmid und lacht mich freundlich an.

Fachkräfteportal: Frau Schmid, was genau ist Ihre Berufsbezeichnung?

Petra Schmid: Meine Berufsbezeichnung ist Diplom-Sozialpädagogin. Ich bin jetzt hier auf dieser Stelle im Jugendamt Essen in einer Abteilung, die sich zwar gerade in Auflösung befindet, aber in ihrem Rest noch so heißt „Öffentlicher Träger/Jugendhilfeplanung“.

Fachkräfteportal: Darunter kann sich sicherlich nicht jeder sofort etwas vorstellen. Wie sieht so ein normaler Arbeitsalltag von Ihnen aus in dieser Abteilung?

Petra Schmid: Ein normaler Arbeitsalltag beginnt mit dem Hochfahren des Computers und Nachschauen, was man für E-Mails bekommen hat. Wenn genug Zeit da ist, werfe ich auch einen Blick in den Pressespiegel, um zu erfahren, was ist so passiert in Essen. Dann haben wir in der Regel ein Dienstgespräch in unserer Gruppe. Alle 14 Tage gibt es ein Planungstreffen, in dem sich alle Jugendhilfeplaner aus den unterschiedlichen Handlungsfeldern zusammensetzen. Ich beispielsweise bin mit zwei weiteren Kollegen zuständig für den Bereich Jugendförderung. Wir haben aber auch Planer für die Bereiche Kita, Familienbildung, frühe Förderung und den Bereich Erzieherische Hilfen. In diesem Planungstreffen informieren wir uns gegenseitig, was gerade läuft und beraten uns, wenn es Schwierigkeiten gibt und tauschen uns auch mit unserer Finanzabteilung aus. Dann hat man so insgesamt ein rundes Bild, das auch die Finanzseite und die Verwaltungsseite beinhaltet. Das ist hilfreich.

Fachkräfteportal: Was planen Sie da genau?

Petra Schmid: Wir planen die Leistungen und Angebote im Bereich der Jugendhilfe für Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien in der Stadt Essen. Die Paragraphen 79 und 80 SGB VIII sind die Grundlage für die Jugendhilfeplanung. Da werden auch die Gesamtverantwortung und die Gewährleistungspflicht des Jugendamtes  festgeschrieben. Das Jugendamt ist also verpflichtet, für ein angemessenes und zeitnahes Leistungsspektrum für Kinder und Jugendliche und deren Familien zu sorgen.

Fachkräfteportal: Sind Sie im Rahmen Ihrer Arbeit auch schon mal vor Ort?

Petra Schmid: Das ist unterschiedlich. Weitestgehend erledige ich meine Arbeit im Büro, aber es gibt auch Anlässe, wo ich vor Ort bin. Zum Beispiel im Rahmen unseres sogenannten Fach-Controllings oder Wirksamkeits-Dialoges in der Kinder- und Jugendhilfe sind wir einmal im Jahr vor Ort in den Bezirken. Dort setzen wir uns mit den Kolleginnen und Kollegen aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit von unterschiedlichen Trägern zusammen. Da gucken wir dann, welche Angebote gibt es in den Jugendeinrichtungen. Besteht da noch Bedarf darüber hinaus? Braucht es noch andere Angebote für spezielle Zielgruppen, die bisher noch nicht erreicht wurden, aber im Stadtteil ganz präsent sind? Auch die Frage der Öffnungszeiten ist immer wieder ein Planungsthema. Es gibt einen Bedarf an Wochenend-Öffnungszeiten. Wie kriegen es die Träger hin, dem auch nachzukommen? Immer unter dem Aspekt natürlich, dass es nicht mehr Geld geben wird. In Essen ist das so.

Fachkräfteportal: Damit sprechen Sie vermutlich auch schon eine spezifische Herausforderung dieser Arbeit an?

Petra Schmid: Ja. Diese Verhandlungen mit den Trägern sind immer eine Herausforderung. Die vertreten natürlich ihre berechtigten Eigeninteressen. Gesetzlich ist es ja auch so gewollt, dass die freien Träger weitestgehend eigenverantwortlich arbeiten sollen. Trotzdem bedarf es einer gewissen Abstimmung auch unter dem Diktat der finanziellen Vorgaben. Und das ist schon manchmal eine Herausforderung. Das Ganze passiert auch immer an der Nahtstelle zur Politik und das musste ich auf dieser Stelle auch erst mal lernen. Wir arbeiten eng mit dem Jugendhilfeausschuss zusammen, müssen Planungsvorlagen in diesen Ausschuss einspeisen. Das verlangt auch manchmal Fingerspitzengefühl.

Fachkräfteportal: Was hat sich so in den letzten zehn Jahren in Ihrem Arbeitsfeld verändert?

Petra Schmid: Es wird immer mehr und immer schneller, aber ich vermute, dabei handelt es sich eher um ein generelles Phänomen. Wir mussten uns in der Kinder- und Jugendarbeit in den letzten Jahren zwangsläufig mehr den anderen Handlungsfeldern öffnen. Es gibt ja in diesem Bereich schon seit langem die Forderung, dass man die Kinder- und Jugendarbeit als Wert an sich anerkennt. Das heißt, sie sollte nicht für irgendetwas funktionalisiert werden, für sozialpolitische Zwecke, für Bildung, für Prävention, für besonders schwierige Zielgruppen etc. Da ist man lange in der Kinder- und Jugendarbeit sehr abwehrend gewesen und das hat sich hier in Essen verändert. Man ist offener geworden für die Kooperation mit anderen Handlungsfeldern, also zum Beispiel mit den Erzieherischen Hilfen. Außerdem  haben wir uns im letzten Jahr deutlich positioniert, was den non-formalen Bildungsanteil der Kinder- und Jugendarbeit angeht. Meine Position ist dabei, Öffnung ist grundsätzlich gut und man muss auch sein eigenes Profil bewahren, das heißt es gibt auch Grenzen der Kooperation.

Fachkräfteportal: Als Sie sich mal entschieden haben, Sozialpädagogik zu studieren, was waren da Ihre Motive und entspricht das, was Sie heute machen, noch dem, was Sie sich damals so vorgestellt haben?

Petra Schmid: Als ich damals entschieden habe, zur Fachoberschule für Sozialarbeit- und Sozialpädagogik zu gehen, war mein erstes Motiv, ich wollte noch nicht arbeiten gehen. Dann hat sich aber sehr schnell geklärt, die Studienwahl war eine gute Entscheidung, denn ich will mit Menschen arbeiten. Und diese Entscheidung habe ich nicht bereut. Ich hatte nun auch das Glück beim selben Anstellungsträger in verschiedene Handlungsfelder reinriechen zu können. 1979 habe ich hier beim Jugendamt das Anerkennungsjahr gemacht in der Kinder- und Jugendarbeit. Dann habe ich eine ABM-Stelle in der Schulsozialarbeit bekommen und bin anschließend mit einem festen Vertrag in die Kinder- und Jugendarbeit zurückgegangen. Dann schlossen sich Tätigkeiten in der  Internationalen Jugendarbeit und der Jugendinformation an; danach die Aus- und Fortbildung – da gab es noch das Berufsanerkennungsjahr – und jetzt bin ich seit 2005 in der Jugendhilfeplanung. Das geht jetzt wieder ein bisschen weg von der direkten Klientelarbeit. Da war ich auch in den letzten Jahren nicht immer ganz glücklich mit.

Fachkräfteportal: Wo sehen Sie sich beruflich in zehn Jahren? Haben Sie da noch konkrete Ziele und Perspektiven?

Petra Schmid: Wenn sich jetzt noch mal etwas Spannendes auftun würde, glaube ich, würde ich mich auch noch mal verändern. Wobei ich schon auch merke, mit zunehmendem Alter verlangen Veränderungen mehr Kraft und Energie. 

Fachkräfteportal: Das Jugendamt wird ja in der Öffentlichkeit immer dann besonders wahrgenommen, wenn irgendetwas schief gegangen ist, wenn beispielsweise ein Kind misshandelt worden ist und das Jugendamt nach Ansicht der Presse nicht rechtzeitig eingegriffen hat. Wie erleben Sie das als Mitarbeiterin eines Jugendamtes?

Petra Schmid: Ich nehme das sehr wohl wahr, wenn man sich beispielsweise irgendwo vorstellt und dann zucken die Leute. Aber ich habe da kein Problem mit. Ich nutze das manchmal sogar im dienstlichen Rahmen, wo ich mich dann bewusst mit Jugendamt vorstelle und man mir dann auch mit einem gewissen Respekt begegnet. 

Fachkräfteportal: Hinzu kommt ja, dass die Stellen in der Kinder- und Jugendhilfe in der Regel nicht besonders gut dotiert sind, obwohl sie oft ein hohes Engagement erfordern. Hat das für Sie bei der Berufswahl eine Rolle gespielt?

Petra Schmid: Nein, das hat überhaupt keine Rolle gespielt. Mittlerweile habe ich, wenn ich meine Gehaltsgruppe vergleiche, ein Niveau erreicht, das nicht unbedingt selbstverständlich ist für eine Sozialpädagogin oder Sozialarbeiterin. Auf der anderen Seite denke ich schon manchmal, für das, was ich hier leisten muss, könnte ich gut noch ein Schippchen draufkriegen. 

Fachkräfteportal: Wir haben ja momentan eine junge Familienministerin, von der man sich frischen Wind und neue Impulse erwarten kann. Was würden Sie sich von ihr wünschen?

Petra Schmid: Ich finde diese Entwicklung, dass wir seit vielen Jahren ganz viel in die frühkindliche Förderung investieren, in Frühe Hilfen, in Kinderschutz, ganz wichtig und richtig. Trotzdem habe ich die Sorge, dass wir eine bestimmte Generation, die jetzt zwischen 13 und 17 ist, aus den Augen verlieren. Das sind nicht wenige. Das wäre mein Wunsch, neben allen Notwendigkeiten, was Kinder, Kleinkinder und junge Familien angeht, die Jugendlichen nicht zu vergessen. Das fällt irgendwann auf uns zurück und das können wir uns nicht leisten.

Fachkräfteportal: Vielen Dank für das Gespräch!

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