Jugendpolitik
Große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland fordert umfangreiche Maßnahmen gegen Kinderarmut
Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland fordert eine umfassende Veränderung politischer Rahmenbedingungen, um die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes.
14.01.2014
Als Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut werden vor allem gefordert, einkommensschwache Familien und deren Kinder mit Lehrmittelfreiheit (97 Prozent), kostenfreiem Essen in Schule und Kita (86 Prozent) und auch kostenfreien Beteiligungsmöglichkeiten an Bildung, Kultur und Sport (81 Prozent) sowie kostenlosen Ganztagsbetreuungen in Schulen und Kitas (84 Prozent) zu unterstützen. In der Bevölkerung werden solche Maßnahmen der Kostenbefreiung als außerordentlich wichtig eingeschätzt. Bemerkenswert ist, dass Männer wie Frauen nahezu in gleichem Maße die kostenlose Ganztagsbetreuung fordern, während unter Frauen die Zugänge zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen deutlich wichtiger eingeschätzt werden. Sehr stark verbreitet ist auch die Forderung, in Schulen und Kitas mehr Fachkräfte und Sozialarbeiter (94 Prozent) einzusetzen, die sich um benachteiligte Kinder kümmern. Von Bevölkerungsmehrheiten werden außerdem eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder (70 Prozent) und Erhöhungen des staatlichen Kindergeldes (62 Prozent) als wirksame Unterstützungen bewertet.
Drei von vier der Befragten (72 Prozent) sind der Ansicht, staatliche und gesellschaftliche Verantwortungsträger würden „eher wenig“ oder „sehr wenig“ tun, um Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Trotz differenzierter Sicht der Anhänger der verschiedenen Parteien kommen jeweils große Mehrheiten der politischen Lager zur Aussage, Staat und Gesellschaft engagierten sich zu wenig gegen Kinderarmut. Hier schwankt die Zustimmungsrate zwischen 89 Prozent bzw. 80 Prozent bei den Linken- und SPD-Anhängern und 78 Prozent bzw. 60 Prozent bei den Grünen- und Unions-Anhängern.
Auch bei der Frage der Finanzierung der notwendigen Maßnahmen gibt es eine große Übereinstimmung: 66 Prozent der Bundesbürger wären bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn damit das Problem der Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft würde. Gleichlautende Bekundungen gehen quer durch die politischen Lager. Dabei variiert die Zustimmung zwischen 87 Prozent bzw. 73 Prozent bei den Grünen- und SPD-Anhängern und 67 Prozent bzw. 60 Prozent bei den Unions- und Linken-Anhängern.
„Diese Zahlen lassen in ihrer Deutlichkeit keinen Spielraum für Interpretationen, die Menschen in Deutschland sehen Staat und Gesellschaft ganz klar in der Pflicht, entschiedener als bisher die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Nach Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes sind derzeit rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut betroffen. Deshalb brauchen wir ein Nationales Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut. Kinderarmut kann nur effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck unter einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. Ein besonderer Fokus ist auf den Bildungsbereich zu legen. An dieser Stelle braucht es verstärkte politische Anstrengungen, allen Kindern gleiche Chancen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu ermöglichen sowie ein nach oben durchlässigeres Schulsystem, das alle Kinder und Jugendlichen individuell entsprechend ihren Fähigkeiten optimal fördert. Die Reformanstrengungen der Bundesländer im Bildungsbereich müssen fortgesetzt werden, denn der Bildungsaufstieg ist der nachhaltigste Weg aus der Armut“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Der Kinderzuschlag ist ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Kinderarmut, muss allerdings reformiert werden und in eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung münden. Wer Vollzeit arbeitet muss in der Lage sein, den Familienunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Deshalb brauchen wir armutsfeste Löhne in Deutschland“ so Krüger weiter. Weitere Maßnahmen sind aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose, spezielle Unterstützung für Alleinerziehende sowie eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. „Das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche aus finanziell benachteiligten Familien ist und bleibt eine soziale Mogelpackung und bürokratische Stümperei. Auch die zu Beginn des letzten Jahres beschlossenen Änderungen am Bildungs- und Teilhabepaket haben lediglich die schlimmsten bürokratischen Auswüchse beseitigt. Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes muss die Bundesregierung mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen armutsfeste Regelsätze für Kinder festlegen. Außerdem müssen die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt werden“ so Krüger abschließend.
Der Erwerbsstatus von Eltern sowie politische Rahmenbedingungen werden von der Bevölkerung als die wesentlichen Einflussfaktoren auf das Wohl von Kindern in Deutschland eingeschätzt. Niedrige Einkommen durch prekäre Arbeitsverhältnisse (85 Prozent) sowie die besondere Situation von Alleinerziehenden (75 Prozent) sind laut Umfrage die Hauptgründe für fehlendes Geld in Familien und damit auch die wichtigsten Auslöser für Kinderarmut in Deutschland. Die steigende Verantwortung von Staat und Gesellschaft ergibt sich nicht zuletzt aus der Erosion des familialen Zusammenhalts, den viele beklagen (61 Prozent). Dass vor allem ältere Befragte auch eine Mitschuld von Eltern in einkommensschwachen Familien konstatieren, da sie sich nicht ausreichend um das Wohl ihrer Kinder kümmern, zeigt einen Bruch zwischen den Generationen.
Für die repräsentative Umfrage zur Kinderarmut in Deutschland wurden von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes deutschlandweit 1.008 Wahlberechtigte ab 18 Jahren mittels computergestützter Telefoninterviews befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen 1,4 (bei einem Anteilswert von 5%) und 3,1 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 50%).
Termine zum Thema
-
19.04.2024
Basiskurs Kindeswohlgefährdung § 8a SGB VIII – Handlungskompetenz im Krisenfall
-
06.05.2024
Symposion 2024: Gesellschaft neu denken - Kinderrechte für alle!
-
10.06.2024
Klimaschutz ist Kinderschutz. Herausforderungen und Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe in der Klimakrise
-
24.07.2024
Kinderstädte - Beteiligung erlebe, ausprobieren, verstehen
-
25.11.2024
Arbeiten mit Kindern psychisch erkrankter Eltern – Die Angst verrückt zu werden
Materialien zum Thema
-
Broschüre
Mitsprechen, mitbestimmen, mitgestalten – Praxiswissen zu Beteiligung in der Heimerziehung (SOS kompakt, Ausgabe 8)
-
Anleitung / Arbeitshilfe
Seminarkonzept – Kinderrechtebasierte Demokratiebildung Konzept, Unterrichtsimpulse und Materialien zur Verankerung kinderrechtebasierter Demokratiebildung in der fachschulischen Ausbildung pädagogischer Fachkräfte
-
Zeitschrift / Periodikum
das baugerüst 1/24: Kinder- und Jugendarmut
-
Expertise / Gutachten
Rechtsgutachten des DIJuF: "Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe"
-
Broschüre
Policy Brief 2024 Kindergrundsicherung: Weichen jetzt richtig stellen!
Projekte zum Thema
Institutionen zum Thema
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
faX Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend für Stadt und Landkreis Kassel
-
Oberste Landesjugendbehörde
Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung
-
Sonstige
ZAnK – Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation
-
Sonstige
Koordinationsstelle Kinderarmut des LVR-Landesjugendamts (Landschaftsverband Rheinland)
-
Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe
Landesverband Kinder- und Jugendfilm Berlin e.V.