Kinderschutz

Bundeskinderschutzgesetz im Bundesrat vorerst gescheitert

Der Bundesrat hat dem Bundeskinderschutzgesetz seine Zustimmung verweigert. Die Länder haben zudem auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet. Diese will nun Bundesfamilienministerin Schröder auf den Weg bringen.

25.11.2011

Die Länder hatten bereits im sogenannten ersten Durchgang im Mai 2011 bedauert, dass das Gesetz den präventiven Kinderschutz als alleinige Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe ausgestaltet. Sie hielten es z.B. für erforderlich, im Rahmen der "Frühen Hilfen" auch die entsprechenden Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens zu verbessern. Der Bundestag hatte die Vorschläge des Bundesrates jedoch nicht aufgegriffen.

"Es macht mich traurig, dass sich einige Länder aus parteipolitischem Kalkül dringend notwendigen Verbesserungen im Kinderschutz verweigern. Aber ich bleibe entschlossen, das Kinderschutzgesetz so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Deshalb werde ich noch heute die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Bundesregierung angehen", sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder nach der gescheiterten Abstimmung in Berlin. "Fachlich sind sich alle einig, dass wir mit dem Bundeskinderschutzgesetz eine neue Qualität im Kinderschutz erreichen können. Die Länder tragen nun die Verantwortung, dass das Bundeskinderschutzgesetz nicht zum 1. Januar 2012 in Kraft treten kann."

Wie das BMFSFJ unterstreicht, sei die Bundesregierung in den letzten Wochen den Ländern "weit entgegen gekommen" und hätte in einer Protokollerklärung die dauerhafte Finanzierung der Familienhebammen sowie finanzielle Entlastungen für die Kommunen angeboten.

"Die Länder müssen sich jetzt fragen lassen, wie der Kinderschutz in Deutschland ohne dieses Gesetz weiter voran gebracht werden soll", sagte Bundesfamilienministerin Schröder. "Ein gemeinsames Konzept der Länder zum Kinderschutz ist nicht erkennbar. Das wird die weiteren Gespräche sehr belasten", so Ministerin Schröder.

Nach der Abstimmung in Berlin sagte Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter, die Bundesregierung habe die Forderungen der Länder nach einer nachhaltigen Verbesserung des Kinderschutzes nicht ausreichend berücksichtigt. „Wir wollen praktikable Regelungen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendhilfe unmittelbar zum Schutz der Kinder tätig werden können. Mit den komplizierten und bürokratischen Verwaltungsvereinbarungen, die die Bundesregierung vorschreiben will, wird dies eher behindert.“

Bislang habe sich die Bundesregierung zudem geweigert, für die Frühen Hilfen verlässliche und dauerhafte Finanzierungszusagen zu machen. Dies gelte insbesondere dort, wo es sich, wie bei den Familienhebammen, um gesundheitliche Leistungen handele, so Altpeter.

Nordrhein-Westfalens Familienministerin Ute Schäfer hat heute vom Bund Nachbesserungen beim Bundeskinderschutzgesetz gefordert. "Den Kinderschutz zu verbessern und vor allem auch den frühen Zugang zu den Familien zu ermöglichen, unterstützen wir ausdrücklich. Dabei darf sich der Bund allerdings nicht aus seiner finanziellen Verantwortung stehlen. Wir brauchen ein Gesetz mit verlässlichen finanziellen Rahmenbedingungen für Länder und Kommunen", erklärte Schäfer anlässlich der Ablehnung des Gesetzentwurfs im Bundesrat. Bereits heute seien die Kommunen kaum in der Lage, die gestiegenen Kosten im Bereich der Erziehungshilfe zu finanzieren.

"Der Bund kann sich nicht nur auf die Anschubfinanzierung von Modellversuchen beschränken, deren Kosten dann später die Länder und Kommunen tragen müssen. Wir brauchen eine verbindliche langfristige finanzielle Sicherstellung der Maßnahmen", sagte Schäfer.

Die Ministerin bedauerte die Haltung des Bundes, der zu Kompromissen nicht bereit gewesen sei. "Die Verantwortung dafür, dass das Gesetz nun bereits zum zweiten Mal gescheitert ist, trägt der Bund.  Bundesfamilienministerin Schröder hat sich hier offenbar zu wenig engagiert oder nicht durchsetzen können", kritisierte Schäfer.

Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig hat die Bundesregierung zu dringenden Nachbesserungen bei dem Gesetzvorhaben aufgefordert. "Wir brauchen ein Bundeskinderschutzgesetz, das seinen Namen wirklich verdient hat. Es ist wichtig, den Kinderschutz vor Ort durch Familienhebammen dauerhaft zu stärken. Die Bundesregierung räumt selbst ein, dass das Gesetz hier nachgebessert werden muss, will das aber erst später tun. Wir sollten das aber sofort tun. Halbe Sachen helfen beim Kinderschutz nicht weiter."

Schwesig schlug außerdem vier weitere notwendige Verbesserungen vor: So muss die Verzahnung zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe verbessert werden, Hebammen sollen sechs Monate zu Familien gehen können anstatt wie bisher acht Wochen, Kommunen sollen finanziell ausreichend ausgestattet werden und bürokratische Hürden dürfen nicht aufgebaut werden.

"Wir wollen ein Gesetz, das wirklich den Kindern vor Ort hilft. Ich appelliere an die Bundesregierung schnell mit den Ländern im Vermittlungsausschuss zusammenzukommen um zügig einen Lösungsvorschlag zu bekommen."

Die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt bezeichnete den Vorwurf von Bundesfamilienministerin Schröder, dass die Länder, die dem Gesetz in seiner jetzigen Form nicht zugestimmt haben, den Kinderschutz missachten, als völlig falsch. "Im Gegenteil: Wir wollen ein gutes Bundeskinderschutzgesetz, das diesen Namen auch verdient. Ich würde mich freuen, wenn die Bundesfamilienministerin dies endlich zur Kenntnis nähme“ , so Alt. „Jetzt müssen wir das Bundeskinderschutzgesetz nachbessern. Dafür setzen wir uns gerne noch heute mit der Bundesregierung an einen Tisch“, bot Familienministerin Alt an. Rheinland-Pfalz habe dem Gesetz im Bundesrat heute nicht zustimmen können, da es wesentliche Anliegen nicht regele und deswegen ein umfassender Kinderschutz nicht ermöglicht werde. Rheinland-Pfalz habe sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses ausgesprochen, um die Verzahnung von Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe, die Ausweitung der Hebammenleistungen auf sechs Monate, eine dauerhafte Finanzierung der Familienhebammen, eine Entbürokratisierung des Gesetzes und die finanzielle Unterstützung der Kommunen durch den Bund zu erreichen.

Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, bedauerte, dass es im Bundesrat keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschuss gab. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung nun ihrer Verantwortung nachkommt und selbst den Vermittlungsausschuss anruft. Denn die Bundesregierung muss nun alles tun, damit dieses wichtige Gesetz zustande kommt", so Hilgers. Der Deutsche Kinderschutzbund sieht gute Chancen für einen Kompromiss. Hilgers sagte: "Wie von allen Fachleuten gefordert, soll die Finanzierung der Familienhebammen nicht befristet aus dem Etat des Familienministeriums erfolgen, sondern endgültig durch neue Regelungen im Sozialgesetzbuch V Gesetzliche Krankenversicherung sichergestellt werden. Familienhebammen sind eine seit Jahren bewährte Institution und müssen nicht mehr in einem befristeten Modellversuch erprobt werden."
Außerdem fordert der DKSB, in einem Vermittlungsverfahren auch die Rechte der Kinder zu stärken, indem sie einen eigenen Beratungsanspruch bekommen.

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