Bildungsforschung

GEW: "Integratives Schulsystem und qualifizierte, gut bezahlte Lehrkräfte weisen Weg in die Spitzengruppe"

Ein integratives Schulsystem und qualifizierte, gut bezahlte Lehrkräfte wiesen den Weg in die Gruppe der PISA-Spitzenländer, stellte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fest.

07.12.2010

Frankfurt a.M./Berlin. "Wir brauchen die besten Lehrkräfte für die Schülerinnen und Schüler, die am stärksten benachteiligt sind. Wir gewinnen die engagiertesten jungen Menschen für die Schulen nur, wenn der Lehrerberuf gesellschaftlich stärker wertgeschätzt wird. Mehr Wertschätzung heißt: gleiche Bezahlung und gleichlange Ausbildung aller Lehrkräfte auf hohem Niveau sowie gute Lern- und Arbeitsbedingungen in einer integrativen Schule. Gute Leistungen und Chancengleichheit machen ein starkes Schulsystem aus", sagte Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule und stellvertretende Vorsitzende, am Dienstag mit Blick auf die PISA-Ergebnisse, die in Berlin vorgestellt worden sind.

"Die verbesserten PISA-Resultate rechtfertigen nicht, in Euphorie auszubrechen. Deutschland ist bei der Lesekompetenz im internationalen Vergleich gerade mal Mittelmaß. Von 'Priorität für Bildung' kann keine Rede sein. Kollektives Schulterklopfen verstellt den Blick darauf, dass immer noch fast 20 Prozent der 15-Jährigen, bei den Jungen fast 25 Prozent nicht ausreichend lesen und rechnen können: Sie haben keine Chance, in dieser Gesellschaft beruflich Fuß zu fassen und ihre Lebenschancen zu nutzen", betonte Demmer. Sie machte deutlich, dass in keinem anderen Land das soziale Schulumfeld die Leistungen benachteiligter Kinder und Jugendlicher so stark beeinflusse wie in Deutschland. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels müsse das Gebot der Stunde heißen, alle Potenziale auszuschöpfen.

Die GEW-Schulexpertin wies darauf hin, dass "es für die Wirksamkeit der Maßnahmen der Kultusminister zur Leseförderung keine Anhaltspunkte gibt". Die wesentliche Verbesserung bei der Lesekompetenz um elf Punkte sei bereits von PISA 2000 zu PISA 2006 erfolgt. "In diesem Zeitraum konnten die Maßnahmen der Kultusminister noch gar nicht greifen. Die Verbesserung dürfte im Wesentlichen Resultat höherer Testroutine und größeren Einsatzes der Lehrkräfte sein", unterstrich Demmer. In diesem Zusammenhang warnte sie davor, die Bedeutung des Elternhauses und der frühkindlichen Bildung für die Lesekompetenz zu überhöhen. "Notwendigkeit und Möglichkeiten der schulischen Bildung für die Entwicklung der Lesekompetenz werden so unterschätzt", sagte die Schulexpertin. "Das Augenmerk muss mehr auf systematisch aufgebaute Leseförderung gelegt werden. 

"Wir dürfen jetzt nicht in den Anstrengungen nachlassen, Leistungsfähigkeit und Chancengleichheit des deutschen Schulsystems weiter zu verbessern. Im Gegenteil: Wir müssen weiter zulegen. Die Werte, die Finnland heute vorweist, erreicht Deutschland - das derzeitige Tempo vorausgesetzt - erst in 27 Jahren. Die PISA-Spitzenländer zeichnen sich durch gleiche Bildungschancen und hohe Qualität für alle aus. Dies ist in einem selektiven Schulsystem nicht leisten", sagte Demmer.

GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne wies darauf hin, dass das Kapital für die Weiterentwicklung der Schulen die Lehrkräfte seien. "Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Menschen. Das deutsche Bildungssystem ist weiterhin völlig unterfinanziert. Schon jetzt haben wir zu wenige Lehrkräfte und steuern weiter in einen dramatischen Lehrermangel hinein. Wir müssen jetzt konsequent umsteuern, sonst werden alle Bemühungen zunichte gemacht", sagte Thöne.

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